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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Polizeigewalt.
gelassen, dann bildet auch das eine bestehende Ordnung. Das Reichs-
strafgesetz befindet sich also der Gesamtheit der Landesrechte gegen-
über immer in der Voraussetzung, welche für das Landesstrafgesetz
nur besteht, wenn eine besondere Regelung des behördlichen Befehls-
und Verordnungsrechtes bereits vorliegt oder in Aussicht genommen
ist, in der Voraussetzung nämlich, dass die polizeilichen Anordnungen,
an welche es seine Strafbestimmung knüpft, anderswoher ihre Grund-
lage erhalten können. Es steht ja in seiner Macht, ob es gelegent-
lich der Strafbestimmung auch das vorausgesetzte Polizei-, Befehls-
und Verordnungsrecht neu regeln und selbständig begründen will. Die
Vermutung spricht nicht dafür. Wenn nicht besondere Umstände die
Absicht darthun, eigne Ermächtigungen zu geben, ist das Reichsgesetz
dafür anzusehen, dass es seine Ergänzung aus dem selbständig wirken-
den Landesrecht erwartet.

Jene Absicht wird namentlich dann vorliegen, wenn die Reichs-
gesetzgebung sich eines ganzen polizeilichen Gebietes umfassend be-
mächtigt; da ist es nur natürlich, dass das zugehörige obrigkeitliche
Befehlsrecht ebenso gut geordnet werden soll, wie das zugehörige
Polizeistrafrecht. In dieser Weise verbindet z. B. die Gewerbeordnung
reichsgesetzliche Polizeistrafbestimmungen mit reichsgesetzlicher Rege-
lung des Polizeibefehls. Den Gegensatz dazu bildet das Reichsstraf-
gesetzbuch. Sein Thema ist nur die Strafsetzung. Allerdings auch
Strafsetzung auf Ungehorsam gegen behördliche Polizeibefehle. Aber
deshalb ist es nicht dazu gehörig, dass auch die Polizeibefehlsgewalt
bei dieser Gelegenheit reichsgesetzlich geordnet werde; das Landes-
recht vermag das Nötige zu liefern. Die Bestimmungen des Stf.G.B.
verweisen also nur ganz allgemein auf polizeiliche Vorschriften, An-
ordnungen, Massregeln für die und die Gegenstände. Der Sinn ist
immer der: falls nach Landesrecht Befehl, Verordnung oder Einzel-
befehl, in dieser Beziehung zulässig und wirklich erlassen ist, soll auf
den Ungehorsam diese Strafe gesetzt sein.

Der Gegensatz ist deutlich: in einer landesgesetzlichen Straf-
bestimmung ganz des gleichen Wortlauts, die also auch nur allgemein
sagt: wer den polizeilichen Vorschriften zur Abwehr dieser oder jener
Schädlichkeit zuwiderhandelt u. s. w., würden wir unbedenklich eine
genügende Grundlage zur Erlassung solcher Vorschriften finden; es
sei denn, dass aus den Umständen, namentlich aus dem Vorhanden-
sein einer diese Vorschriften bereits ordnenden Gesetzgebung ge-
schlossen werden müsste, dass die Absicht selbständiger neuer Ein-
richtungen nicht vorlag. Der reichsgesetzlichen Strafbestimmung da-

Die Polizeigewalt.
gelassen, dann bildet auch das eine bestehende Ordnung. Das Reichs-
strafgesetz befindet sich also der Gesamtheit der Landesrechte gegen-
über immer in der Voraussetzung, welche für das Landesstrafgesetz
nur besteht, wenn eine besondere Regelung des behördlichen Befehls-
und Verordnungsrechtes bereits vorliegt oder in Aussicht genommen
ist, in der Voraussetzung nämlich, daſs die polizeilichen Anordnungen,
an welche es seine Strafbestimmung knüpft, anderswoher ihre Grund-
lage erhalten können. Es steht ja in seiner Macht, ob es gelegent-
lich der Strafbestimmung auch das vorausgesetzte Polizei-, Befehls-
und Verordnungsrecht neu regeln und selbständig begründen will. Die
Vermutung spricht nicht dafür. Wenn nicht besondere Umstände die
Absicht darthun, eigne Ermächtigungen zu geben, ist das Reichsgesetz
dafür anzusehen, daſs es seine Ergänzung aus dem selbständig wirken-
den Landesrecht erwartet.

Jene Absicht wird namentlich dann vorliegen, wenn die Reichs-
gesetzgebung sich eines ganzen polizeilichen Gebietes umfassend be-
mächtigt; da ist es nur natürlich, daſs das zugehörige obrigkeitliche
Befehlsrecht ebenso gut geordnet werden soll, wie das zugehörige
Polizeistrafrecht. In dieser Weise verbindet z. B. die Gewerbeordnung
reichsgesetzliche Polizeistrafbestimmungen mit reichsgesetzlicher Rege-
lung des Polizeibefehls. Den Gegensatz dazu bildet das Reichsstraf-
gesetzbuch. Sein Thema ist nur die Strafsetzung. Allerdings auch
Strafsetzung auf Ungehorsam gegen behördliche Polizeibefehle. Aber
deshalb ist es nicht dazu gehörig, daſs auch die Polizeibefehlsgewalt
bei dieser Gelegenheit reichsgesetzlich geordnet werde; das Landes-
recht vermag das Nötige zu liefern. Die Bestimmungen des Stf.G.B.
verweisen also nur ganz allgemein auf polizeiliche Vorschriften, An-
ordnungen, Maſsregeln für die und die Gegenstände. Der Sinn ist
immer der: falls nach Landesrecht Befehl, Verordnung oder Einzel-
befehl, in dieser Beziehung zulässig und wirklich erlassen ist, soll auf
den Ungehorsam diese Strafe gesetzt sein.

Der Gegensatz ist deutlich: in einer landesgesetzlichen Straf-
bestimmung ganz des gleichen Wortlauts, die also auch nur allgemein
sagt: wer den polizeilichen Vorschriften zur Abwehr dieser oder jener
Schädlichkeit zuwiderhandelt u. s. w., würden wir unbedenklich eine
genügende Grundlage zur Erlassung solcher Vorschriften finden; es
sei denn, daſs aus den Umständen, namentlich aus dem Vorhanden-
sein einer diese Vorschriften bereits ordnenden Gesetzgebung ge-
schlossen werden müſste, daſs die Absicht selbständiger neuer Ein-
richtungen nicht vorlag. Der reichsgesetzlichen Strafbestimmung da-

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[312/0332] Die Polizeigewalt. gelassen, dann bildet auch das eine bestehende Ordnung. Das Reichs- strafgesetz befindet sich also der Gesamtheit der Landesrechte gegen- über immer in der Voraussetzung, welche für das Landesstrafgesetz nur besteht, wenn eine besondere Regelung des behördlichen Befehls- und Verordnungsrechtes bereits vorliegt oder in Aussicht genommen ist, in der Voraussetzung nämlich, daſs die polizeilichen Anordnungen, an welche es seine Strafbestimmung knüpft, anderswoher ihre Grund- lage erhalten können. Es steht ja in seiner Macht, ob es gelegent- lich der Strafbestimmung auch das vorausgesetzte Polizei-, Befehls- und Verordnungsrecht neu regeln und selbständig begründen will. Die Vermutung spricht nicht dafür. Wenn nicht besondere Umstände die Absicht darthun, eigne Ermächtigungen zu geben, ist das Reichsgesetz dafür anzusehen, daſs es seine Ergänzung aus dem selbständig wirken- den Landesrecht erwartet. Jene Absicht wird namentlich dann vorliegen, wenn die Reichs- gesetzgebung sich eines ganzen polizeilichen Gebietes umfassend be- mächtigt; da ist es nur natürlich, daſs das zugehörige obrigkeitliche Befehlsrecht ebenso gut geordnet werden soll, wie das zugehörige Polizeistrafrecht. In dieser Weise verbindet z. B. die Gewerbeordnung reichsgesetzliche Polizeistrafbestimmungen mit reichsgesetzlicher Rege- lung des Polizeibefehls. Den Gegensatz dazu bildet das Reichsstraf- gesetzbuch. Sein Thema ist nur die Strafsetzung. Allerdings auch Strafsetzung auf Ungehorsam gegen behördliche Polizeibefehle. Aber deshalb ist es nicht dazu gehörig, daſs auch die Polizeibefehlsgewalt bei dieser Gelegenheit reichsgesetzlich geordnet werde; das Landes- recht vermag das Nötige zu liefern. Die Bestimmungen des Stf.G.B. verweisen also nur ganz allgemein auf polizeiliche Vorschriften, An- ordnungen, Maſsregeln für die und die Gegenstände. Der Sinn ist immer der: falls nach Landesrecht Befehl, Verordnung oder Einzel- befehl, in dieser Beziehung zulässig und wirklich erlassen ist, soll auf den Ungehorsam diese Strafe gesetzt sein. Der Gegensatz ist deutlich: in einer landesgesetzlichen Straf- bestimmung ganz des gleichen Wortlauts, die also auch nur allgemein sagt: wer den polizeilichen Vorschriften zur Abwehr dieser oder jener Schädlichkeit zuwiderhandelt u. s. w., würden wir unbedenklich eine genügende Grundlage zur Erlassung solcher Vorschriften finden; es sei denn, daſs aus den Umständen, namentlich aus dem Vorhanden- sein einer diese Vorschriften bereits ordnenden Gesetzgebung ge- schlossen werden müſste, daſs die Absicht selbständiger neuer Ein- richtungen nicht vorlag. Der reichsgesetzlichen Strafbestimmung da-

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/332>, abgerufen am 17.05.2024.