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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 21. Die Polizeierlaubnis.

3. Einen Grund der Zurücknahme liefert die Erlaubnis selbst
auch dadurch, dass ihre Erteilung in fehlerhafter Weise erfolgt, dass
sie rechtsungültig ist.

Das kann darin liegen, dass die Behörde dabei ihre Befugnisse
überschritten hat. Nur die Befugnis nach aussen, die Zuständigkeit,
kommt hier, im Verhältnis zu dem Unterthanen, überhaupt in Betracht.
Die Nichtbeobachtung einer Dienstanweisung, welche die Erteilung
einer rechtssatzmässig der Behörde zustehenden Erlaubnis untersagt
oder an Bedingungen knüpft, ist für dieses Verhältnis und somit für
die Gültigkeit der Erlaubnis bedeutungslos.

Im übrigen ist auch hier wieder bei dieser Überschreitung der
Befugnisse der Behörde zu unterscheiden wie beim Befehl (oben § 20,
III n. 1): die Erlaubniserteilung, welche überhaupt nicht in der all-
gemeinen Zuständigkeit der erlaubenden Behörde gelegen ist, also
insbesondere von einem Beamten, der behördliche Polizeigewalt nicht
besitzt, ist nichtig. Es bedarf keiner Zurücknahme.

Die Erlaubniserteilung dagegen, welche eine im allgemeinen zu
solchen Akten berufene Behörde ausgesprochen hat unter unrichtiger
Anwendung des Gesetzes, Nichtbeobachtung der vorgeschriebenen
Formen, Übergriff in andere Zuständigkeiten und sonstigen Befugnis-
überschreitungen zweiten Ranges, wenn wir so sagen wollen, ist rechts-
wirksam und bleibt es, solange und soweit ihr nicht durch eine zu-
ständige Behörde die Rechtswirksamkeit abgesprochen wird. Die Un-
gültigkeit wirkt insbesondere als Grund der Zulässigkeit der Zurück-
nahme27. Diese Zurücknahme kann von der erlaubenden Behörde
selbst erfolgen oder als Aufhebung des Aktes ausgesprochen werden
von einer vorgesetzten oder zur allgemeinen Nachprüfung und Auf-
hebung sonst berufenen Behörde, von Amtswegen oder, soweit Dritte
in Betracht kommen, auf deren Begehren, alles ohne Rücksicht auf
eine inzwischen eingetretene Inswerksetzung des ungültigerweise er-
laubten Unternehmens.

27 Daneben besteht die Befugnis der nachprüfenden Civil- und Strafgerichte,
einem ungültigen Verwaltungsakte, also auch einer Polizeierlaubnis, für ihr Gebiet
die Rechtswirksamkeit von Anfang an abzusprechen. R.G. 22. Nov. 1880: Die Er-
laubnis zu öffentlichen Ausspielungen war vom Bürgermeister erteilt worden,
während nach geltendem Rechte die Kreisregierung allein zuständig gewesen wäre;
das Strafgericht hat die Gültigkeit der Erlaubnis selbständig zu prüfen, folglich, da
hier Ungültigkeit vorliegt, das Verbot anzuwenden, als wäre die Erlaubnis nicht
erteilt; das Reichsgericht spricht nur frei, weil der Irrtum hier als Strafaus-
schliessungsgrund wirkt.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 20
§ 21. Die Polizeierlaubnis.

3. Einen Grund der Zurücknahme liefert die Erlaubnis selbst
auch dadurch, daſs ihre Erteilung in fehlerhafter Weise erfolgt, daſs
sie rechtsungültig ist.

Das kann darin liegen, daſs die Behörde dabei ihre Befugnisse
überschritten hat. Nur die Befugnis nach auſsen, die Zuständigkeit,
kommt hier, im Verhältnis zu dem Unterthanen, überhaupt in Betracht.
Die Nichtbeobachtung einer Dienstanweisung, welche die Erteilung
einer rechtssatzmäſsig der Behörde zustehenden Erlaubnis untersagt
oder an Bedingungen knüpft, ist für dieses Verhältnis und somit für
die Gültigkeit der Erlaubnis bedeutungslos.

Im übrigen ist auch hier wieder bei dieser Überschreitung der
Befugnisse der Behörde zu unterscheiden wie beim Befehl (oben § 20,
III n. 1): die Erlaubniserteilung, welche überhaupt nicht in der all-
gemeinen Zuständigkeit der erlaubenden Behörde gelegen ist, also
insbesondere von einem Beamten, der behördliche Polizeigewalt nicht
besitzt, ist nichtig. Es bedarf keiner Zurücknahme.

Die Erlaubniserteilung dagegen, welche eine im allgemeinen zu
solchen Akten berufene Behörde ausgesprochen hat unter unrichtiger
Anwendung des Gesetzes, Nichtbeobachtung der vorgeschriebenen
Formen, Übergriff in andere Zuständigkeiten und sonstigen Befugnis-
überschreitungen zweiten Ranges, wenn wir so sagen wollen, ist rechts-
wirksam und bleibt es, solange und soweit ihr nicht durch eine zu-
ständige Behörde die Rechtswirksamkeit abgesprochen wird. Die Un-
gültigkeit wirkt insbesondere als Grund der Zulässigkeit der Zurück-
nahme27. Diese Zurücknahme kann von der erlaubenden Behörde
selbst erfolgen oder als Aufhebung des Aktes ausgesprochen werden
von einer vorgesetzten oder zur allgemeinen Nachprüfung und Auf-
hebung sonst berufenen Behörde, von Amtswegen oder, soweit Dritte
in Betracht kommen, auf deren Begehren, alles ohne Rücksicht auf
eine inzwischen eingetretene Inswerksetzung des ungültigerweise er-
laubten Unternehmens.

27 Daneben besteht die Befugnis der nachprüfenden Civil- und Strafgerichte,
einem ungültigen Verwaltungsakte, also auch einer Polizeierlaubnis, für ihr Gebiet
die Rechtswirksamkeit von Anfang an abzusprechen. R.G. 22. Nov. 1880: Die Er-
laubnis zu öffentlichen Ausspielungen war vom Bürgermeister erteilt worden,
während nach geltendem Rechte die Kreisregierung allein zuständig gewesen wäre;
das Strafgericht hat die Gültigkeit der Erlaubnis selbständig zu prüfen, folglich, da
hier Ungültigkeit vorliegt, das Verbot anzuwenden, als wäre die Erlaubnis nicht
erteilt; das Reichsgericht spricht nur frei, weil der Irrtum hier als Strafaus-
schlieſsungsgrund wirkt.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 20
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[305/0325] § 21. Die Polizeierlaubnis. 3. Einen Grund der Zurücknahme liefert die Erlaubnis selbst auch dadurch, daſs ihre Erteilung in fehlerhafter Weise erfolgt, daſs sie rechtsungültig ist. Das kann darin liegen, daſs die Behörde dabei ihre Befugnisse überschritten hat. Nur die Befugnis nach auſsen, die Zuständigkeit, kommt hier, im Verhältnis zu dem Unterthanen, überhaupt in Betracht. Die Nichtbeobachtung einer Dienstanweisung, welche die Erteilung einer rechtssatzmäſsig der Behörde zustehenden Erlaubnis untersagt oder an Bedingungen knüpft, ist für dieses Verhältnis und somit für die Gültigkeit der Erlaubnis bedeutungslos. Im übrigen ist auch hier wieder bei dieser Überschreitung der Befugnisse der Behörde zu unterscheiden wie beim Befehl (oben § 20, III n. 1): die Erlaubniserteilung, welche überhaupt nicht in der all- gemeinen Zuständigkeit der erlaubenden Behörde gelegen ist, also insbesondere von einem Beamten, der behördliche Polizeigewalt nicht besitzt, ist nichtig. Es bedarf keiner Zurücknahme. Die Erlaubniserteilung dagegen, welche eine im allgemeinen zu solchen Akten berufene Behörde ausgesprochen hat unter unrichtiger Anwendung des Gesetzes, Nichtbeobachtung der vorgeschriebenen Formen, Übergriff in andere Zuständigkeiten und sonstigen Befugnis- überschreitungen zweiten Ranges, wenn wir so sagen wollen, ist rechts- wirksam und bleibt es, solange und soweit ihr nicht durch eine zu- ständige Behörde die Rechtswirksamkeit abgesprochen wird. Die Un- gültigkeit wirkt insbesondere als Grund der Zulässigkeit der Zurück- nahme 27. Diese Zurücknahme kann von der erlaubenden Behörde selbst erfolgen oder als Aufhebung des Aktes ausgesprochen werden von einer vorgesetzten oder zur allgemeinen Nachprüfung und Auf- hebung sonst berufenen Behörde, von Amtswegen oder, soweit Dritte in Betracht kommen, auf deren Begehren, alles ohne Rücksicht auf eine inzwischen eingetretene Inswerksetzung des ungültigerweise er- laubten Unternehmens. 27 Daneben besteht die Befugnis der nachprüfenden Civil- und Strafgerichte, einem ungültigen Verwaltungsakte, also auch einer Polizeierlaubnis, für ihr Gebiet die Rechtswirksamkeit von Anfang an abzusprechen. R.G. 22. Nov. 1880: Die Er- laubnis zu öffentlichen Ausspielungen war vom Bürgermeister erteilt worden, während nach geltendem Rechte die Kreisregierung allein zuständig gewesen wäre; das Strafgericht hat die Gültigkeit der Erlaubnis selbständig zu prüfen, folglich, da hier Ungültigkeit vorliegt, das Verbot anzuwenden, als wäre die Erlaubnis nicht erteilt; das Reichsgericht spricht nur frei, weil der Irrtum hier als Strafaus- schlieſsungsgrund wirkt. Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 20

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/325>, abgerufen am 20.05.2024.