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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 21. Die Polizeierlaubnis.
störung des Geschaffenen etwas anderes ist und strenger beurteilt
werden muss als die Verhinderung des Entstehens. Der Unterschied
ist aber auch in der rechtlichen Natur des Verbotes mit Erlaubnis-
vorbehalt begründet, wie wir sie oben (S. 187) bestimmt haben.
Die Zurücknahme der Erlaubnis beseitigt diese von nun an und
setzt damit das allgemeine Verbot, von welchem sie entband,
wieder in Wirksamkeit. Dieses Verbot trifft aber nur das unerlaubte
Inswerksetzen eines solchen Unternehmens und den Fortbestand des
fehlerhafterweise ins Werk Gesetzten. Es geht an dem fehler-
frei, d. h. auf Grund einer erteilten Erlaubnis Begründeten vorbei.
Folglich hat hier die einfache Zurücknahme der Erlaubnis keinen
Zweck. Es bedarf eines besonderen Grundes, um sie zurücknehmen
zu können mit der Wirkung, als wäre sie überhaupt nicht er-
teilt worden
und folglich das jetzt vorgefundene Unternehmen
fehlerhaft zustande gekommen25.

25 Es ist etwas anderes, die polizeiliche Erlaubnis zur Beerdigung auf einem
Privatgrundstück zu versagen oder vor Vollzug zurückzunehmen, und dieselbe
zurückzunehmen nach Vollzug. Die Zurücknahme der Erlaubnis zur Gründung
eines Vereins wird zur Auflösung, wenn sie erfolgt nach geschehener Gründung;
ähnlich die Auflösung von Versammlungen, veranstalteten Festzügen u. s. w. Be-
sonders deutlich würde der Unterschied bei gewerbepolizeilichen Erlaubnissen
hervortreten, wenn nicht die freie Zurücknahme durch die besonderen Ordnungen
des Gesetzes ohnehin sofort ausgeschlossen wäre: die Zerstörung des auf Grund
der Erlaubnis geschaffenen Unternehmens ist eine ganz anders harte Massregel,
als die Verhinderung seines Ins-Leben-Tretens durch vorherige Zurücknahme der
Erlaubnis. -- Der neue Besitzstand, der die freie Zurücknahme hindert, kann auch
statt durch die That des Empfängers der Erlaubnis erst geschaffen zu werden, un-
mittelbar an die Erlaubnis sich knüpfen, insofern diese persönliche Eigenschaften
feststellt und bezeugt, welche die rechtliche Voraussetzung für die zu erlaubende
Thätigkeit sind. Das würde vor allem von gewerbepolizeilichen Approbationen
gelten. Unter dem gleichen Gesichtspunkte wird die Erteilung eines Jagdscheines
betrachtet. Auch an der Bauerlaubnis hat man eine solche unmittelbar wirkende
Seite gefunden, insofern dadurch das Grundstück überhaupt als überbaubar recht-
lich anerkannt, "als Baustelle charakterisiert" ist. Württemb. V.G.H. 28. Nov.
1880 (oben Note 8); O.Tr. 13. Okt. 1857 (Str. 26 S. 269). Wegen der Art und
Gestalt des Baues selbst würde die Zurücknahme erst wieder ausgeschlossen durch
die thatsächliche Ausführung. -- Ein besonderer Fall in O.V.G. 9. Juni 1877: Der
Amtsvorsteher hatte das Abbrennen von Feldziegelöfen erlaubt, die Öfen sind fast
vollendet, da verbietet der Landrat das Unternehmen. Die Erlaubnis wäre nach
den hier aufgestellten Grundsätzen nicht mehr frei zurücknehmbar gewesen. Allein
es handelt sich, wie das Gericht sagt, nicht um eine gewöhnliche Zurücknahme,
sondern um "einen ausserordentlichen Eingriff", wie er von der oberen Behörde
"in dringenden Fällen" geübt werden kann; daher auch eine Entschädigungspflicht
des Fiskus in Frage kommt, wie in dem verwandten Falle Gew.O. § 51

§ 21. Die Polizeierlaubnis.
störung des Geschaffenen etwas anderes ist und strenger beurteilt
werden muſs als die Verhinderung des Entstehens. Der Unterschied
ist aber auch in der rechtlichen Natur des Verbotes mit Erlaubnis-
vorbehalt begründet, wie wir sie oben (S. 187) bestimmt haben.
Die Zurücknahme der Erlaubnis beseitigt diese von nun an und
setzt damit das allgemeine Verbot, von welchem sie entband,
wieder in Wirksamkeit. Dieses Verbot trifft aber nur das unerlaubte
Inswerksetzen eines solchen Unternehmens und den Fortbestand des
fehlerhafterweise ins Werk Gesetzten. Es geht an dem fehler-
frei, d. h. auf Grund einer erteilten Erlaubnis Begründeten vorbei.
Folglich hat hier die einfache Zurücknahme der Erlaubnis keinen
Zweck. Es bedarf eines besonderen Grundes, um sie zurücknehmen
zu können mit der Wirkung, als wäre sie überhaupt nicht er-
teilt worden
und folglich das jetzt vorgefundene Unternehmen
fehlerhaft zustande gekommen25.

25 Es ist etwas anderes, die polizeiliche Erlaubnis zur Beerdigung auf einem
Privatgrundstück zu versagen oder vor Vollzug zurückzunehmen, und dieselbe
zurückzunehmen nach Vollzug. Die Zurücknahme der Erlaubnis zur Gründung
eines Vereins wird zur Auflösung, wenn sie erfolgt nach geschehener Gründung;
ähnlich die Auflösung von Versammlungen, veranstalteten Festzügen u. s. w. Be-
sonders deutlich würde der Unterschied bei gewerbepolizeilichen Erlaubnissen
hervortreten, wenn nicht die freie Zurücknahme durch die besonderen Ordnungen
des Gesetzes ohnehin sofort ausgeschlossen wäre: die Zerstörung des auf Grund
der Erlaubnis geschaffenen Unternehmens ist eine ganz anders harte Maſsregel,
als die Verhinderung seines Ins-Leben-Tretens durch vorherige Zurücknahme der
Erlaubnis. — Der neue Besitzstand, der die freie Zurücknahme hindert, kann auch
statt durch die That des Empfängers der Erlaubnis erst geschaffen zu werden, un-
mittelbar an die Erlaubnis sich knüpfen, insofern diese persönliche Eigenschaften
feststellt und bezeugt, welche die rechtliche Voraussetzung für die zu erlaubende
Thätigkeit sind. Das würde vor allem von gewerbepolizeilichen Approbationen
gelten. Unter dem gleichen Gesichtspunkte wird die Erteilung eines Jagdscheines
betrachtet. Auch an der Bauerlaubnis hat man eine solche unmittelbar wirkende
Seite gefunden, insofern dadurch das Grundstück überhaupt als überbaubar recht-
lich anerkannt, „als Baustelle charakterisiert“ ist. Württemb. V.G.H. 28. Nov.
1880 (oben Note 8); O.Tr. 13. Okt. 1857 (Str. 26 S. 269). Wegen der Art und
Gestalt des Baues selbst würde die Zurücknahme erst wieder ausgeschlossen durch
die thatsächliche Ausführung. — Ein besonderer Fall in O.V.G. 9. Juni 1877: Der
Amtsvorsteher hatte das Abbrennen von Feldziegelöfen erlaubt, die Öfen sind fast
vollendet, da verbietet der Landrat das Unternehmen. Die Erlaubnis wäre nach
den hier aufgestellten Grundsätzen nicht mehr frei zurücknehmbar gewesen. Allein
es handelt sich, wie das Gericht sagt, nicht um eine gewöhnliche Zurücknahme,
sondern um „einen auſserordentlichen Eingriff“, wie er von der oberen Behörde
„in dringenden Fällen“ geübt werden kann; daher auch eine Entschädigungspflicht
des Fiskus in Frage kommt, wie in dem verwandten Falle Gew.O. § 51
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[303/0323] § 21. Die Polizeierlaubnis. störung des Geschaffenen etwas anderes ist und strenger beurteilt werden muſs als die Verhinderung des Entstehens. Der Unterschied ist aber auch in der rechtlichen Natur des Verbotes mit Erlaubnis- vorbehalt begründet, wie wir sie oben (S. 187) bestimmt haben. Die Zurücknahme der Erlaubnis beseitigt diese von nun an und setzt damit das allgemeine Verbot, von welchem sie entband, wieder in Wirksamkeit. Dieses Verbot trifft aber nur das unerlaubte Inswerksetzen eines solchen Unternehmens und den Fortbestand des fehlerhafterweise ins Werk Gesetzten. Es geht an dem fehler- frei, d. h. auf Grund einer erteilten Erlaubnis Begründeten vorbei. Folglich hat hier die einfache Zurücknahme der Erlaubnis keinen Zweck. Es bedarf eines besonderen Grundes, um sie zurücknehmen zu können mit der Wirkung, als wäre sie überhaupt nicht er- teilt worden und folglich das jetzt vorgefundene Unternehmen fehlerhaft zustande gekommen 25. 25 Es ist etwas anderes, die polizeiliche Erlaubnis zur Beerdigung auf einem Privatgrundstück zu versagen oder vor Vollzug zurückzunehmen, und dieselbe zurückzunehmen nach Vollzug. Die Zurücknahme der Erlaubnis zur Gründung eines Vereins wird zur Auflösung, wenn sie erfolgt nach geschehener Gründung; ähnlich die Auflösung von Versammlungen, veranstalteten Festzügen u. s. w. Be- sonders deutlich würde der Unterschied bei gewerbepolizeilichen Erlaubnissen hervortreten, wenn nicht die freie Zurücknahme durch die besonderen Ordnungen des Gesetzes ohnehin sofort ausgeschlossen wäre: die Zerstörung des auf Grund der Erlaubnis geschaffenen Unternehmens ist eine ganz anders harte Maſsregel, als die Verhinderung seines Ins-Leben-Tretens durch vorherige Zurücknahme der Erlaubnis. — Der neue Besitzstand, der die freie Zurücknahme hindert, kann auch statt durch die That des Empfängers der Erlaubnis erst geschaffen zu werden, un- mittelbar an die Erlaubnis sich knüpfen, insofern diese persönliche Eigenschaften feststellt und bezeugt, welche die rechtliche Voraussetzung für die zu erlaubende Thätigkeit sind. Das würde vor allem von gewerbepolizeilichen Approbationen gelten. Unter dem gleichen Gesichtspunkte wird die Erteilung eines Jagdscheines betrachtet. Auch an der Bauerlaubnis hat man eine solche unmittelbar wirkende Seite gefunden, insofern dadurch das Grundstück überhaupt als überbaubar recht- lich anerkannt, „als Baustelle charakterisiert“ ist. Württemb. V.G.H. 28. Nov. 1880 (oben Note 8); O.Tr. 13. Okt. 1857 (Str. 26 S. 269). Wegen der Art und Gestalt des Baues selbst würde die Zurücknahme erst wieder ausgeschlossen durch die thatsächliche Ausführung. — Ein besonderer Fall in O.V.G. 9. Juni 1877: Der Amtsvorsteher hatte das Abbrennen von Feldziegelöfen erlaubt, die Öfen sind fast vollendet, da verbietet der Landrat das Unternehmen. Die Erlaubnis wäre nach den hier aufgestellten Grundsätzen nicht mehr frei zurücknehmbar gewesen. Allein es handelt sich, wie das Gericht sagt, nicht um eine gewöhnliche Zurücknahme, sondern um „einen auſserordentlichen Eingriff“, wie er von der oberen Behörde „in dringenden Fällen“ geübt werden kann; daher auch eine Entschädigungspflicht des Fiskus in Frage kommt, wie in dem verwandten Falle Gew.O. § 51

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/323>, abgerufen am 17.05.2024.