IV. Zur Sicherung der Grenzen der gerichtlichen Zuständigkeit dient das Rechtsinstitut des Kompetenzkonflikts. Es wendet seine Spitze einseitig gegen die Gerichte, um die Verwaltung vor ihren Übergriffen zu schützen. Um es richtig zu beurteilen, muss man das grundlegende Verhältnis sich gegenwärtig halten, von dem es ausgeht.
Jede Behörde ist gebunden, den Akt der anderen gelten zu lassen, den diese in ihrer Zuständigkeit erlassen hat. Jeder behörd- liche Akt aber, sofern er nicht ganz aus dem Rahmen der Amts- gewalt der Behörde herausfällt, bekundet durch sich selbst in binden- der Weise, wie gegenüber den Unterthanen seine Gültigkeit (oben § 8 Note 7), so gegenüber den anderen Behörden seine Zuständig- keit. Diese Ordnung wird aber von selbst unwirksam, wenn in der- selben Sache beiderseits die Zuständigkeit in Anspruch genommen, also ein Übergriff der anderen Behörde behauptet wird. Da steht Autorität gegen Autorität und die Folge ist, dass dem fremden Akt die Wirksamkeit versagt wird, soweit das eigene Machtgebiet reicht. Das ist das natürliche Ergebnis.
Zu Gunsten der Civilgerichte ist es auch unbedenklich anerkannt, dass sie den Akt einer Verwaltungsbehörde, der eine ihnen zustehende Sache entscheiden will, in der angegebenen Weise nicht gelten zu lassen brauchen18.
Das Umgekehrte müsste ganz in gleicher Weise zu Gunsten der Verwaltungsbehörden gelten. In Wirklichkeit gilt es aber nicht. Es hat sich geschichtlich ein gewisser Vorrang der Gerichte ent- wickelt.
Das hängt damit zusammen, dass zunächst nur die Akte der Justiz als zum Bereiche der Rechtsordnung gehörig angesehen werden, ihrerseits ein Rechtssetzen vorstellend, das die Forderung der all- gemeinen Geltung in sich trägt. In Frankreich wird das äusserlich noch verstärkt durch die Machtstellung der Gerichte gegenüber König- tum und Verwaltung, die ja sogar durch ein eigenes unabhängiges Vollstreckungspersonal gesichert ist. In Deutschland wirkt der Ein- druck der Rechtspflege der Reichsgerichte über die Verwaltung noch kräftiger in dieser Richtung. Gegenüber dem Anreiz zu ausdehnender Auslegung und Handhabung der gerichtlichen Zuständigkeit wahrt sich die erstarkende Verwaltung zum Teil mit Gewaltstreichen, zum
zurückzukommen sein wird. Ganz auf dem Boden der Rechtsprechung des Reichs- kammergerichts und des alten Oberappellat.G. Kassel steht R.G. 15. März 1882 (Samml. VI S, 204).
18Seuffert, Kom. z. Bayr. G.O. I S. 165.
Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
IV. Zur Sicherung der Grenzen der gerichtlichen Zuständigkeit dient das Rechtsinstitut des Kompetenzkonflikts. Es wendet seine Spitze einseitig gegen die Gerichte, um die Verwaltung vor ihren Übergriffen zu schützen. Um es richtig zu beurteilen, muſs man das grundlegende Verhältnis sich gegenwärtig halten, von dem es ausgeht.
Jede Behörde ist gebunden, den Akt der anderen gelten zu lassen, den diese in ihrer Zuständigkeit erlassen hat. Jeder behörd- liche Akt aber, sofern er nicht ganz aus dem Rahmen der Amts- gewalt der Behörde herausfällt, bekundet durch sich selbst in binden- der Weise, wie gegenüber den Unterthanen seine Gültigkeit (oben § 8 Note 7), so gegenüber den anderen Behörden seine Zuständig- keit. Diese Ordnung wird aber von selbst unwirksam, wenn in der- selben Sache beiderseits die Zuständigkeit in Anspruch genommen, also ein Übergriff der anderen Behörde behauptet wird. Da steht Autorität gegen Autorität und die Folge ist, daſs dem fremden Akt die Wirksamkeit versagt wird, soweit das eigene Machtgebiet reicht. Das ist das natürliche Ergebnis.
Zu Gunsten der Civilgerichte ist es auch unbedenklich anerkannt, daſs sie den Akt einer Verwaltungsbehörde, der eine ihnen zustehende Sache entscheiden will, in der angegebenen Weise nicht gelten zu lassen brauchen18.
Das Umgekehrte müſste ganz in gleicher Weise zu Gunsten der Verwaltungsbehörden gelten. In Wirklichkeit gilt es aber nicht. Es hat sich geschichtlich ein gewisser Vorrang der Gerichte ent- wickelt.
Das hängt damit zusammen, daſs zunächst nur die Akte der Justiz als zum Bereiche der Rechtsordnung gehörig angesehen werden, ihrerseits ein Rechtssetzen vorstellend, das die Forderung der all- gemeinen Geltung in sich trägt. In Frankreich wird das äuſserlich noch verstärkt durch die Machtstellung der Gerichte gegenüber König- tum und Verwaltung, die ja sogar durch ein eigenes unabhängiges Vollstreckungspersonal gesichert ist. In Deutschland wirkt der Ein- druck der Rechtspflege der Reichsgerichte über die Verwaltung noch kräftiger in dieser Richtung. Gegenüber dem Anreiz zu ausdehnender Auslegung und Handhabung der gerichtlichen Zuständigkeit wahrt sich die erstarkende Verwaltung zum Teil mit Gewaltstreichen, zum
zurückzukommen sein wird. Ganz auf dem Boden der Rechtsprechung des Reichs- kammergerichts und des alten Oberappellat.G. Kassel steht R.G. 15. März 1882 (Samml. VI S, 204).
18Seuffert, Kom. z. Bayr. G.O. I S. 165.
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Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
IV. Zur Sicherung der Grenzen der gerichtlichen Zuständigkeit
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seine Spitze einseitig gegen die Gerichte, um die Verwaltung vor ihren
Übergriffen zu schützen. Um es richtig zu beurteilen, muſs man das
grundlegende Verhältnis sich gegenwärtig halten, von dem es ausgeht.
Jede Behörde ist gebunden, den Akt der anderen gelten zu
lassen, den diese in ihrer Zuständigkeit erlassen hat. Jeder behörd-
liche Akt aber, sofern er nicht ganz aus dem Rahmen der Amts-
gewalt der Behörde herausfällt, bekundet durch sich selbst in binden-
der Weise, wie gegenüber den Unterthanen seine Gültigkeit (oben
§ 8 Note 7), so gegenüber den anderen Behörden seine Zuständig-
keit. Diese Ordnung wird aber von selbst unwirksam, wenn in der-
selben Sache beiderseits die Zuständigkeit in Anspruch genommen,
also ein Übergriff der anderen Behörde behauptet wird. Da steht
Autorität gegen Autorität und die Folge ist, daſs dem fremden Akt
die Wirksamkeit versagt wird, soweit das eigene Machtgebiet reicht.
Das ist das natürliche Ergebnis.
Zu Gunsten der Civilgerichte ist es auch unbedenklich anerkannt,
daſs sie den Akt einer Verwaltungsbehörde, der eine ihnen zustehende
Sache entscheiden will, in der angegebenen Weise nicht gelten zu
lassen brauchen 18.
Das Umgekehrte müſste ganz in gleicher Weise zu Gunsten der
Verwaltungsbehörden gelten. In Wirklichkeit gilt es aber nicht. Es
hat sich geschichtlich ein gewisser Vorrang der Gerichte ent-
wickelt.
Das hängt damit zusammen, daſs zunächst nur die Akte der
Justiz als zum Bereiche der Rechtsordnung gehörig angesehen werden,
ihrerseits ein Rechtssetzen vorstellend, das die Forderung der all-
gemeinen Geltung in sich trägt. In Frankreich wird das äuſserlich
noch verstärkt durch die Machtstellung der Gerichte gegenüber König-
tum und Verwaltung, die ja sogar durch ein eigenes unabhängiges
Vollstreckungspersonal gesichert ist. In Deutschland wirkt der Ein-
druck der Rechtspflege der Reichsgerichte über die Verwaltung noch
kräftiger in dieser Richtung. Gegenüber dem Anreiz zu ausdehnender
Auslegung und Handhabung der gerichtlichen Zuständigkeit wahrt
sich die erstarkende Verwaltung zum Teil mit Gewaltstreichen, zum
17
18 Seuffert, Kom. z. Bayr. G.O. I S. 165.
17 zurückzukommen sein wird. Ganz auf dem Boden der Rechtsprechung des Reichs-
kammergerichts und des alten Oberappellat.G. Kassel steht R.G. 15. März 1882
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/240>, abgerufen am 22.12.2024.
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