Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.§ 15. Umfang der Rechtskraft. Verfügung des Gerichts, durch welche ein Dritter in das Verfahrenhereingezogen wird zu dem Zweck, dass das ergehende Urteil auch für ihn wirksam werde6. Der Beigeladene wird dadurch einfach Partei, ob er von seiner Rolle Gebrauch macht oder nicht7. Das Besondere an der Beiladung ist nur, dass das Gericht mit freiem Ermessen bestimmen darf, wer noch für diese Sache zur Partei be- rufen sein soll, um ihn dann von Amtswegen in die Parteirolle zu setzen8. Ferner besteht die Möglichkeit einer Nachfolge in die Rechts- 6 Preuss. A.L.V.Ges. § 70; v. Brauchitsch, V.Ges. I S. 78; Parey, V.R. I S. 98. Bayr. Ges. 8. Aug. 1878 Art. 23, Württemb. Ges. 16. Dez. 1878 Art. 64, Bad. Ges. 14. Juni 1884 § 21, Österr. Ges. v. 22. Okt. 1875 § 27; Roesler in Grünh. Ztschft. IV S. 331 ff.; Pann, V.Justiz in Österr. S. 107. 7 v. Stengel, Organis. Ges. S. 507, meint, das Urteil würde nur dann für den Beigeladenen wirksam, wenn er entweder selbst Anträge stellt oder Anträge gegen ihn gestellt werden: "die Beiladung hat nur die Folge, dass ohne weitere Förm- lichkeit das eine wie das andere möglich ist". Allein was gegen ihn wirken soll, ist durch den Inhalt der anhängigen Sache mit genügender Bestimmtheit bezeichnet; man darf nicht aus der ohnehin nicht anwendbaren Verhandlungsmaxime noch weitere Erfordernisse folgern wollen: Parey, V.R. I S. 102; Seydel, Bayr. St.R. II S. 489. 8 Das Gesetz erlaubt dem Gerichte beizuladen schlechthin: "Dritte, deren Interesse durch die zu erlassende Entscheidung berührt wird". Dem gegenüber darf man nicht beschränken wollen auf "rechtlich geschützte Interessen", oder "selbständige subjektive Rechte": v. Stengel, Organis. S. 507; v. Brauchitsch, V.Gesetze I S. 78; Roesler in Grünh. Ztschft. IV S. 336; Bernatzik, Rechts- kraft S. 124. -- Wirkliche subjektive Rechte wären ein seltener Fall und rechtlich geschützt wird das Interesse ja gerade erst durch die Beiladung. Der Richter wird natürlich erwägen, ob das Interesse des Beizuladenden nahe genug ist, dass das Urteil eine Wirkung auf ihn hat; denn sonst ist es mitsamt seiner Rechtskraft- fähigkeit doch nur ein Schlag ins Wasser. Diese Grenze genügt aber auch. 9 Regelsberger, Pand. S. 198; Savigny, Syst. VI S. 469 ff. 10 Ein Beispiel in O.V.G. 9. Okt. 1880 (Samml. VII S. 294): Die Wirtschafts-
erlaubnis ist nach Gew.O. auch für die Witwe und die minderjährigen Erben des § 15. Umfang der Rechtskraft. Verfügung des Gerichts, durch welche ein Dritter in das Verfahrenhereingezogen wird zu dem Zweck, daſs das ergehende Urteil auch für ihn wirksam werde6. Der Beigeladene wird dadurch einfach Partei, ob er von seiner Rolle Gebrauch macht oder nicht7. Das Besondere an der Beiladung ist nur, daſs das Gericht mit freiem Ermessen bestimmen darf, wer noch für diese Sache zur Partei be- rufen sein soll, um ihn dann von Amtswegen in die Parteirolle zu setzen8. Ferner besteht die Möglichkeit einer Nachfolge in die Rechts- 6 Preuſs. A.L.V.Ges. § 70; v. Brauchitsch, V.Ges. I S. 78; Parey, V.R. I S. 98. Bayr. Ges. 8. Aug. 1878 Art. 23, Württemb. Ges. 16. Dez. 1878 Art. 64, Bad. Ges. 14. Juni 1884 § 21, Österr. Ges. v. 22. Okt. 1875 § 27; Roesler in Grünh. Ztschft. IV S. 331 ff.; Pann, V.Justiz in Österr. S. 107. 7 v. Stengel, Organis. Ges. S. 507, meint, das Urteil würde nur dann für den Beigeladenen wirksam, wenn er entweder selbst Anträge stellt oder Anträge gegen ihn gestellt werden: „die Beiladung hat nur die Folge, daſs ohne weitere Förm- lichkeit das eine wie das andere möglich ist“. Allein was gegen ihn wirken soll, ist durch den Inhalt der anhängigen Sache mit genügender Bestimmtheit bezeichnet; man darf nicht aus der ohnehin nicht anwendbaren Verhandlungsmaxime noch weitere Erfordernisse folgern wollen: Parey, V.R. I S. 102; Seydel, Bayr. St.R. II S. 489. 8 Das Gesetz erlaubt dem Gerichte beizuladen schlechthin: „Dritte, deren Interesse durch die zu erlassende Entscheidung berührt wird“. Dem gegenüber darf man nicht beschränken wollen auf „rechtlich geschützte Interessen“, oder „selbständige subjektive Rechte“: v. Stengel, Organis. S. 507; v. Brauchitsch, V.Gesetze I S. 78; Roesler in Grünh. Ztschft. IV S. 336; Bernatzik, Rechts- kraft S. 124. — Wirkliche subjektive Rechte wären ein seltener Fall und rechtlich geschützt wird das Interesse ja gerade erst durch die Beiladung. Der Richter wird natürlich erwägen, ob das Interesse des Beizuladenden nahe genug ist, daſs das Urteil eine Wirkung auf ihn hat; denn sonst ist es mitsamt seiner Rechtskraft- fähigkeit doch nur ein Schlag ins Wasser. Diese Grenze genügt aber auch. 9 Regelsberger, Pand. S. 198; Savigny, Syst. VI S. 469 ff. 10 Ein Beispiel in O.V.G. 9. Okt. 1880 (Samml. VII S. 294): Die Wirtschafts-
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§ 15. Umfang der Rechtskraft.
Verfügung des Gerichts, durch welche ein Dritter in das Verfahren
hereingezogen wird zu dem Zweck, daſs das ergehende Urteil auch
für ihn wirksam werde 6. Der Beigeladene wird dadurch einfach
Partei, ob er von seiner Rolle Gebrauch macht oder nicht 7. Das
Besondere an der Beiladung ist nur, daſs das Gericht mit freiem
Ermessen bestimmen darf, wer noch für diese Sache zur Partei be-
rufen sein soll, um ihn dann von Amtswegen in die Parteirolle zu
setzen 8.
Ferner besteht die Möglichkeit einer Nachfolge in die Rechts-
kraft. Das ist natürlich nur so gemeint, daſs das rechtskräftig fest-
gesetzte Verhältnis auf Andere übergehen kann und dann übergeht
mit der dafür erworbenen Rechtskraft. Das Civilrecht kennt diesen
Übergang bei Universal-, wie auch, unter Umständen wenigstens, bei
Singularsuccession 9. Im Verwaltungsrecht wird das in gleicher Weise
bei subjektiven öffentlichen Rechten der Fall sein, soweit sie über-
tragbar sind (oben § 9, III n. 2); aber auch bei Rechtsverhält-
nissen, in welchen ein Subjektwechsel eintreten kann, ohne daſs ein
eigentliches subjektives Recht begründet wäre (oben § 8, III n. 3) 10.
6 Preuſs. A.L.V.Ges. § 70; v. Brauchitsch, V.Ges. I S. 78; Parey, V.R.
I S. 98. Bayr. Ges. 8. Aug. 1878 Art. 23, Württemb. Ges. 16. Dez. 1878 Art. 64,
Bad. Ges. 14. Juni 1884 § 21, Österr. Ges. v. 22. Okt. 1875 § 27; Roesler in
Grünh. Ztschft. IV S. 331 ff.; Pann, V.Justiz in Österr. S. 107.
7 v. Stengel, Organis. Ges. S. 507, meint, das Urteil würde nur dann für den
Beigeladenen wirksam, wenn er entweder selbst Anträge stellt oder Anträge gegen
ihn gestellt werden: „die Beiladung hat nur die Folge, daſs ohne weitere Förm-
lichkeit das eine wie das andere möglich ist“. Allein was gegen ihn wirken soll,
ist durch den Inhalt der anhängigen Sache mit genügender Bestimmtheit bezeichnet;
man darf nicht aus der ohnehin nicht anwendbaren Verhandlungsmaxime noch weitere
Erfordernisse folgern wollen: Parey, V.R. I S. 102; Seydel, Bayr. St.R. II
S. 489.
8 Das Gesetz erlaubt dem Gerichte beizuladen schlechthin: „Dritte, deren
Interesse durch die zu erlassende Entscheidung berührt wird“. Dem gegenüber
darf man nicht beschränken wollen auf „rechtlich geschützte Interessen“, oder
„selbständige subjektive Rechte“: v. Stengel, Organis. S. 507; v. Brauchitsch,
V.Gesetze I S. 78; Roesler in Grünh. Ztschft. IV S. 336; Bernatzik, Rechts-
kraft S. 124. — Wirkliche subjektive Rechte wären ein seltener Fall und rechtlich
geschützt wird das Interesse ja gerade erst durch die Beiladung. Der Richter wird
natürlich erwägen, ob das Interesse des Beizuladenden nahe genug ist, daſs das
Urteil eine Wirkung auf ihn hat; denn sonst ist es mitsamt seiner Rechtskraft-
fähigkeit doch nur ein Schlag ins Wasser. Diese Grenze genügt aber auch.
9 Regelsberger, Pand. S. 198; Savigny, Syst. VI S. 469 ff.
10 Ein Beispiel in O.V.G. 9. Okt. 1880 (Samml. VII S. 294): Die Wirtschafts-
erlaubnis ist nach Gew.O. auch für die Witwe und die minderjährigen Erben des
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