§ 13. Die Verwaltungsrechtspflege; Voraussetzungen und Wirkung.
Die rechtliche Natur der Teilnahme am Verfahren, zu welcher der Einzelne berufen ist, sobald es sich um Verwaltungsrechtspflege handelt, bestimmt sich andererseits durch dieses Endziel. Wesentlich ist nicht das Klagerecht noch die Bedingtheit, der Gültigkeit des Urteils durch das rechtliche Gehör; sondern darauf kommt es an, dass diese Teilnahme gemeint ist als eine solche, die dem darauf er- gehenden Akte die Rechtskraftfähigkeit verleiht. In der Berufung zu einer solchen Teilnahme liegt der Kern des Begriffes der Partei im Civilprozess. Dass der Einzelne, über welchen der Verwaltungsakt ergehen soll, als Partei in diesem Sinne bei der Erlassung des Aktes zugezogen werde, darin besteht das Wesen der Verwaltungsrechts- pflege.
Verwaltungsrechtspflege ist Erlassung eines Ver- waltungsaktes unter Zuziehung des beteiligten Unter- thanen als Partei im Sinne des Civilprozesses und ins- besondere mit der Wirkung der Rechtskraftfähigkeit des Aktes.
Da Rechtskraft im wohlverstandenen Sinne die civilprozessmässige Rechtsstellung der Beteiligten im Verfahren schon voraussetzt, so lässt sich die Begriffsbestimmung auch kürzer fassen dahin: Verwaltungs- rechtspflege ist Erlassung eines rechtskraftfähigen Ver- waltungsaktes.
Auf diese Weise ist die Verwaltungsrechtspflege eine staatliche Thätigkeit, die ihre eigentümliche Art ganz und gar in der formellen Seite hat. Daher ihre mannigfaltige Verwendbarkeit, die nur dadurch recht verständlich wird. Jede Art von Verwaltungsakt, ohne Rück- sicht auf den Inhalt, ist fähig, in diese Form gebracht zu werden. Die dadurch bestimmten Beziehungen zwischen Staat und Unterthan werden dann in der ihr eigentümlichen Weise festgelegt: die Grenzen des Rechts und des zu achtenden Interesses des Einzelnen, die in diesem Getriebe sonst immer von Fall zu Fall neu in Frage kommen und neu erwogen werden, sichert sie stellenweise durch einen Grenzstein, der unverrückbar und unbestreitbar ist schon allein deshalb, weil sie ihn gesetzt hat. Das ist ihr besonderer Wert als Rechtsschutz- einrichtung. Sie hat darin eine gewisse Verwandtschaft mit der Be- urkundung32.
Im Vergleich mit den überschwänglichen Ausdrücken, in welchen üblicher Weise von der Wichtigkeit der Verwaltungsrechtspflege ge-
32Bernatzik, Rechtskraft S. 133: "Die Wirkungen der Beurkundungen ähneln denen der materiellen Rechtskraft".
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 12
§ 13. Die Verwaltungsrechtspflege; Voraussetzungen und Wirkung.
Die rechtliche Natur der Teilnahme am Verfahren, zu welcher der Einzelne berufen ist, sobald es sich um Verwaltungsrechtspflege handelt, bestimmt sich andererseits durch dieses Endziel. Wesentlich ist nicht das Klagerecht noch die Bedingtheit, der Gültigkeit des Urteils durch das rechtliche Gehör; sondern darauf kommt es an, daſs diese Teilnahme gemeint ist als eine solche, die dem darauf er- gehenden Akte die Rechtskraftfähigkeit verleiht. In der Berufung zu einer solchen Teilnahme liegt der Kern des Begriffes der Partei im Civilprozeſs. Daſs der Einzelne, über welchen der Verwaltungsakt ergehen soll, als Partei in diesem Sinne bei der Erlassung des Aktes zugezogen werde, darin besteht das Wesen der Verwaltungsrechts- pflege.
Verwaltungsrechtspflege ist Erlassung eines Ver- waltungsaktes unter Zuziehung des beteiligten Unter- thanen als Partei im Sinne des Civilprozesses und ins- besondere mit der Wirkung der Rechtskraftfähigkeit des Aktes.
Da Rechtskraft im wohlverstandenen Sinne die civilprozeſsmäſsige Rechtsstellung der Beteiligten im Verfahren schon voraussetzt, so läſst sich die Begriffsbestimmung auch kürzer fassen dahin: Verwaltungs- rechtspflege ist Erlassung eines rechtskraftfähigen Ver- waltungsaktes.
Auf diese Weise ist die Verwaltungsrechtspflege eine staatliche Thätigkeit, die ihre eigentümliche Art ganz und gar in der formellen Seite hat. Daher ihre mannigfaltige Verwendbarkeit, die nur dadurch recht verständlich wird. Jede Art von Verwaltungsakt, ohne Rück- sicht auf den Inhalt, ist fähig, in diese Form gebracht zu werden. Die dadurch bestimmten Beziehungen zwischen Staat und Unterthan werden dann in der ihr eigentümlichen Weise festgelegt: die Grenzen des Rechts und des zu achtenden Interesses des Einzelnen, die in diesem Getriebe sonst immer von Fall zu Fall neu in Frage kommen und neu erwogen werden, sichert sie stellenweise durch einen Grenzstein, der unverrückbar und unbestreitbar ist schon allein deshalb, weil sie ihn gesetzt hat. Das ist ihr besonderer Wert als Rechtsschutz- einrichtung. Sie hat darin eine gewisse Verwandtschaft mit der Be- urkundung32.
Im Vergleich mit den überschwänglichen Ausdrücken, in welchen üblicher Weise von der Wichtigkeit der Verwaltungsrechtspflege ge-
32Bernatzik, Rechtskraft S. 133: „Die Wirkungen der Beurkundungen ähneln denen der materiellen Rechtskraft“.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 12
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handelt, bestimmt sich andererseits durch dieses Endziel. Wesentlich
ist nicht das Klagerecht noch die Bedingtheit, der Gültigkeit des
Urteils durch das rechtliche Gehör; sondern darauf kommt es an,
daſs diese Teilnahme gemeint ist als eine solche, die dem darauf er-
gehenden Akte die Rechtskraftfähigkeit verleiht. In der Berufung zu
einer solchen Teilnahme liegt der Kern des Begriffes der Partei im
Civilprozeſs. Daſs der Einzelne, über welchen der Verwaltungsakt
ergehen soll, als Partei in diesem Sinne bei der Erlassung des Aktes
zugezogen werde, darin besteht das Wesen der Verwaltungsrechts-
pflege.
Verwaltungsrechtspflege ist Erlassung eines Ver-
waltungsaktes unter Zuziehung des beteiligten Unter-
thanen als Partei im Sinne des Civilprozesses und ins-
besondere mit der Wirkung der Rechtskraftfähigkeit
des Aktes.
Da Rechtskraft im wohlverstandenen Sinne die civilprozeſsmäſsige
Rechtsstellung der Beteiligten im Verfahren schon voraussetzt, so läſst
sich die Begriffsbestimmung auch kürzer fassen dahin: Verwaltungs-
rechtspflege ist Erlassung eines rechtskraftfähigen Ver-
waltungsaktes.
Auf diese Weise ist die Verwaltungsrechtspflege eine staatliche
Thätigkeit, die ihre eigentümliche Art ganz und gar in der formellen
Seite hat. Daher ihre mannigfaltige Verwendbarkeit, die nur dadurch
recht verständlich wird. Jede Art von Verwaltungsakt, ohne Rück-
sicht auf den Inhalt, ist fähig, in diese Form gebracht zu werden. Die
dadurch bestimmten Beziehungen zwischen Staat und Unterthan werden
dann in der ihr eigentümlichen Weise festgelegt: die Grenzen des
Rechts und des zu achtenden Interesses des Einzelnen, die in diesem
Getriebe sonst immer von Fall zu Fall neu in Frage kommen und
neu erwogen werden, sichert sie stellenweise durch einen Grenzstein,
der unverrückbar und unbestreitbar ist schon allein deshalb, weil sie
ihn gesetzt hat. Das ist ihr besonderer Wert als Rechtsschutz-
einrichtung. Sie hat darin eine gewisse Verwandtschaft mit der Be-
urkundung 32.
Im Vergleich mit den überschwänglichen Ausdrücken, in welchen
üblicher Weise von der Wichtigkeit der Verwaltungsrechtspflege ge-
32 Bernatzik, Rechtskraft S. 133: „Die Wirkungen der Beurkundungen
ähneln denen der materiellen Rechtskraft“.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 12
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/197>, abgerufen am 04.12.2024.
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