Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. Wie verhält sich nun zu derartigen Akten die Verwaltungsrechts- Es entspricht der ganzen Bedeutung der Verwaltungsrechtspflege Zeitung); Bernatzik in Grünh. Ztschft. 18 S. 148 ff. -- Den Unterschied der beiden Arten von Ermessen giebt Seydel, Bayr. St.R. II S. 441, im wesentlichen übereinstimmend mit obigem; die Bezeichnung als richterliches und als administra- tives Ermessen oder Ermessen der Verwaltung ist aber keine glückliche. Bei den einfachen Verwaltungsbehörden findet sich ganz das gleiche gebundene Ermessen wie bei den Gerichten. -- Dass die Behörde, welcher das freie Ermessen zusteht, gleichzeitig durch ihre Amtspflicht oder durch ausdrückliche Dienstanweisung in der engsten Weise gebunden sein kann, nur in einer ganz bestimmten Weise davon Gebrauch zu machen, ist für den Begriff gleichgültig. Es handelt sich dabei nur um "die rechtliche Freiheit der Entschliessung" (Laband, St.R. I S. 687), also um das Verhältnis der Behörde nach aussen den Unterthanen gegenüber und dafür ist die Dienstpflicht ohne Einfluss. Tezner, Zur Lehre vom freien Ermessen S. 20, erläutert das auch als die Auffassung des Österr. Ges. über die Errichtung eines V.G.H. § 3 lit. c; man habe, sagt er, bei dem Ausdruck freies Ermessen nur gedacht an die "Nichtverbundenheit und Nichtgebundenheit der Organe der obrigkeitlichen Gewalt gegenüber dem Einzelnen". -- Indem Bernatzik den Unter- schied zwischen rechtlicher Gebundenheit nach aussen und dienstlicher Gebunden- heit verkennt, ist es ihm gelungen in dem Satze: "Thue was du glaubst, dass es durch das öffentliche Wohl bedingt ist", eine grosse allgemeine Rechtsnorm zu finden, vermöge deren alle Verwaltungshandlungen gebunden und folglich Recht- sprechung sind (Rechtskraft S. 46). Den Glauben an diese Rechtsnorm hat er sich auch seither nicht rauben lassen (Grünh. Ztschft. 18 S. 150). Sein Gegner Tezner, Zur Lehre vom freien Ermessen S. 19, verfällt in denselben Fehler, wenn er dort das freie Ermessen für ausgeschlossen hält, sobald das obrigkeitliche Organ "ver- möge seiner Amtspflicht" genauer gebunden ist. 11 Auf diese Wirklichkeit wird es allein nur ankommen. Bernatzik,
Rechtskraft, hat ein Mittel gefunden, um im voraus zu wissen, was sie nur bringen kann. Er gebraucht für das, was wir hier meinen und Verwaltungsrechtspflege nennen, d. h. für die Verwaltungsthätigkeit, aus der das rechtskräftige Urteil hervor- geht, den Ausdruck Rechtsprechung. Dagegen ist nichts zu sagen (oben Note 3). Nachdem er aber diesen Ausdruck gewählt hat, behauptet er (S. 63): in dem Wort Rechtsprechung, das er nun streng nimmt, sei die Antwort auf die Frage nach dem Begriff "von selbst gegeben"; es könne sich bei dieser Verwaltungsthätigkeit nur um eine echte Entscheidung handeln. Ist das eine zulässige Beweisführung? Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. Wie verhält sich nun zu derartigen Akten die Verwaltungsrechts- Es entspricht der ganzen Bedeutung der Verwaltungsrechtspflege Zeitung); Bernatzik in Grünh. Ztschft. 18 S. 148 ff. — Den Unterschied der beiden Arten von Ermessen giebt Seydel, Bayr. St.R. II S. 441, im wesentlichen übereinstimmend mit obigem; die Bezeichnung als richterliches und als administra- tives Ermessen oder Ermessen der Verwaltung ist aber keine glückliche. Bei den einfachen Verwaltungsbehörden findet sich ganz das gleiche gebundene Ermessen wie bei den Gerichten. — Daſs die Behörde, welcher das freie Ermessen zusteht, gleichzeitig durch ihre Amtspflicht oder durch ausdrückliche Dienstanweisung in der engsten Weise gebunden sein kann, nur in einer ganz bestimmten Weise davon Gebrauch zu machen, ist für den Begriff gleichgültig. Es handelt sich dabei nur um „die rechtliche Freiheit der Entschlieſsung“ (Laband, St.R. I S. 687), also um das Verhältnis der Behörde nach auſsen den Unterthanen gegenüber und dafür ist die Dienstpflicht ohne Einfluſs. Tezner, Zur Lehre vom freien Ermessen S. 20, erläutert das auch als die Auffassung des Österr. Ges. über die Errichtung eines V.G.H. § 3 lit. c; man habe, sagt er, bei dem Ausdruck freies Ermessen nur gedacht an die „Nichtverbundenheit und Nichtgebundenheit der Organe der obrigkeitlichen Gewalt gegenüber dem Einzelnen“. — Indem Bernatzik den Unter- schied zwischen rechtlicher Gebundenheit nach auſsen und dienstlicher Gebunden- heit verkennt, ist es ihm gelungen in dem Satze: „Thue was du glaubst, daſs es durch das öffentliche Wohl bedingt ist“, eine groſse allgemeine Rechtsnorm zu finden, vermöge deren alle Verwaltungshandlungen gebunden und folglich Recht- sprechung sind (Rechtskraft S. 46). Den Glauben an diese Rechtsnorm hat er sich auch seither nicht rauben lassen (Grünh. Ztschft. 18 S. 150). Sein Gegner Tezner, Zur Lehre vom freien Ermessen S. 19, verfällt in denselben Fehler, wenn er dort das freie Ermessen für ausgeschlossen hält, sobald das obrigkeitliche Organ „ver- möge seiner Amtspflicht“ genauer gebunden ist. 11 Auf diese Wirklichkeit wird es allein nur ankommen. Bernatzik,
Rechtskraft, hat ein Mittel gefunden, um im voraus zu wissen, was sie nur bringen kann. Er gebraucht für das, was wir hier meinen und Verwaltungsrechtspflege nennen, d. h. für die Verwaltungsthätigkeit, aus der das rechtskräftige Urteil hervor- geht, den Ausdruck Rechtsprechung. Dagegen ist nichts zu sagen (oben Note 3). Nachdem er aber diesen Ausdruck gewählt hat, behauptet er (S. 63): in dem Wort Rechtsprechung, das er nun streng nimmt, sei die Antwort auf die Frage nach dem Begriff „von selbst gegeben“; es könne sich bei dieser Verwaltungsthätigkeit nur um eine echte Entscheidung handeln. Ist das eine zulässige Beweisführung? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0186" n="166"/> <fw place="top" type="header">Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.</fw><lb/> <p>Wie verhält sich nun zu derartigen Akten die Verwaltungsrechts-<lb/> pflege, wie unsere neuere Gesetzgebung sie thatsächlich eingerichtet<lb/> hat<note place="foot" n="11">Auf diese Wirklichkeit wird es allein nur ankommen. <hi rendition="#g">Bernatzik,</hi><lb/> Rechtskraft, hat ein Mittel gefunden, um im voraus zu wissen, was sie nur bringen<lb/> kann. Er gebraucht für das, was wir hier meinen und Verwaltungsrechtspflege<lb/> nennen, d. h. für die Verwaltungsthätigkeit, aus der das rechtskräftige Urteil hervor-<lb/> geht, den Ausdruck Rechtsprechung. Dagegen ist nichts zu sagen (oben Note 3).<lb/> Nachdem er aber diesen Ausdruck gewählt hat, behauptet er (S. 63): in dem Wort<lb/> Rechtsprechung, das er nun streng nimmt, sei die Antwort auf die Frage nach<lb/> dem Begriff „von selbst gegeben“; es könne sich bei dieser Verwaltungsthätigkeit<lb/> nur um eine echte Entscheidung handeln. Ist das eine zulässige Beweisführung?</note>?</p><lb/> <p>Es entspricht der ganzen Bedeutung der Verwaltungsrechtspflege<lb/> als eines zwar besonders förderlichen, aber nicht unentbehrlichen<lb/> Institutes des Rechtsschutzes im Gebiete der Verwaltung, daſs die<lb/> Gesetzgebung hier freie Wahl hat. Sie <hi rendition="#g">kann</hi> bestimmen, daſs es nur<lb/> gegeben sein soll, soweit es sich um Rechtsprechung handelt. Es<lb/> wird sich unter dem maſsgebenden Einfluſs des Vorbildes der Civil-<lb/> rechtspflege sogar ein gewisser Zug dahin geltend machen. Vielleicht<lb/> eignet sich auch die Rechtspflege, namentlich wo sie zur Nachprüfung<lb/><note xml:id="seg2pn_35_2" prev="#seg2pn_35_1" place="foot" n="10">Zeitung); <hi rendition="#g">Bernatzik</hi> in Grünh. Ztschft. 18 S. 148 ff. — Den Unterschied der<lb/> beiden Arten von Ermessen giebt <hi rendition="#g">Seydel,</hi> Bayr. St.R. II S. 441, im wesentlichen<lb/> übereinstimmend mit obigem; die Bezeichnung als richterliches und als administra-<lb/> tives Ermessen oder Ermessen der Verwaltung ist aber keine glückliche. Bei den<lb/> einfachen Verwaltungsbehörden findet sich ganz das gleiche gebundene Ermessen<lb/> wie bei den Gerichten. — Daſs die Behörde, welcher das freie Ermessen zusteht,<lb/> gleichzeitig durch ihre Amtspflicht oder durch ausdrückliche Dienstanweisung in<lb/> der engsten Weise gebunden sein kann, nur in einer ganz bestimmten Weise davon<lb/> Gebrauch zu machen, ist für den Begriff gleichgültig. Es handelt sich dabei nur<lb/> um „die <hi rendition="#g">rechtliche</hi> Freiheit der Entschlieſsung“ (<hi rendition="#g">Laband,</hi> St.R. I S. 687), also<lb/> um das Verhältnis der Behörde nach auſsen den Unterthanen gegenüber und dafür<lb/> ist die Dienstpflicht ohne Einfluſs. <hi rendition="#g">Tezner,</hi> Zur Lehre vom freien Ermessen<lb/> S. 20, erläutert das auch als die Auffassung des Österr. Ges. über die Errichtung<lb/> eines V.G.H. § 3 lit. c; man habe, sagt er, bei dem Ausdruck freies Ermessen<lb/> nur gedacht an die „Nichtverbundenheit und Nichtgebundenheit der Organe der<lb/> obrigkeitlichen Gewalt gegenüber dem Einzelnen“. — Indem Bernatzik den Unter-<lb/> schied zwischen rechtlicher Gebundenheit nach auſsen und dienstlicher Gebunden-<lb/> heit verkennt, ist es ihm gelungen in dem Satze: „Thue was du glaubst, daſs es<lb/> durch das öffentliche Wohl bedingt ist“, eine groſse allgemeine Rechtsnorm zu<lb/> finden, vermöge deren alle Verwaltungshandlungen gebunden und folglich Recht-<lb/> sprechung sind (Rechtskraft S. 46). Den Glauben an diese Rechtsnorm hat er sich<lb/> auch seither nicht rauben lassen (Grünh. Ztschft. 18 S. 150). Sein Gegner Tezner,<lb/> Zur Lehre vom freien Ermessen S. 19, verfällt in denselben Fehler, wenn er dort<lb/> das freie Ermessen für ausgeschlossen hält, sobald das obrigkeitliche Organ „ver-<lb/> möge seiner Amtspflicht“ genauer gebunden ist.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [166/0186]
Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
Wie verhält sich nun zu derartigen Akten die Verwaltungsrechts-
pflege, wie unsere neuere Gesetzgebung sie thatsächlich eingerichtet
hat 11?
Es entspricht der ganzen Bedeutung der Verwaltungsrechtspflege
als eines zwar besonders förderlichen, aber nicht unentbehrlichen
Institutes des Rechtsschutzes im Gebiete der Verwaltung, daſs die
Gesetzgebung hier freie Wahl hat. Sie kann bestimmen, daſs es nur
gegeben sein soll, soweit es sich um Rechtsprechung handelt. Es
wird sich unter dem maſsgebenden Einfluſs des Vorbildes der Civil-
rechtspflege sogar ein gewisser Zug dahin geltend machen. Vielleicht
eignet sich auch die Rechtspflege, namentlich wo sie zur Nachprüfung
10
11 Auf diese Wirklichkeit wird es allein nur ankommen. Bernatzik,
Rechtskraft, hat ein Mittel gefunden, um im voraus zu wissen, was sie nur bringen
kann. Er gebraucht für das, was wir hier meinen und Verwaltungsrechtspflege
nennen, d. h. für die Verwaltungsthätigkeit, aus der das rechtskräftige Urteil hervor-
geht, den Ausdruck Rechtsprechung. Dagegen ist nichts zu sagen (oben Note 3).
Nachdem er aber diesen Ausdruck gewählt hat, behauptet er (S. 63): in dem Wort
Rechtsprechung, das er nun streng nimmt, sei die Antwort auf die Frage nach
dem Begriff „von selbst gegeben“; es könne sich bei dieser Verwaltungsthätigkeit
nur um eine echte Entscheidung handeln. Ist das eine zulässige Beweisführung?
10 Zeitung); Bernatzik in Grünh. Ztschft. 18 S. 148 ff. — Den Unterschied der
beiden Arten von Ermessen giebt Seydel, Bayr. St.R. II S. 441, im wesentlichen
übereinstimmend mit obigem; die Bezeichnung als richterliches und als administra-
tives Ermessen oder Ermessen der Verwaltung ist aber keine glückliche. Bei den
einfachen Verwaltungsbehörden findet sich ganz das gleiche gebundene Ermessen
wie bei den Gerichten. — Daſs die Behörde, welcher das freie Ermessen zusteht,
gleichzeitig durch ihre Amtspflicht oder durch ausdrückliche Dienstanweisung in
der engsten Weise gebunden sein kann, nur in einer ganz bestimmten Weise davon
Gebrauch zu machen, ist für den Begriff gleichgültig. Es handelt sich dabei nur
um „die rechtliche Freiheit der Entschlieſsung“ (Laband, St.R. I S. 687), also
um das Verhältnis der Behörde nach auſsen den Unterthanen gegenüber und dafür
ist die Dienstpflicht ohne Einfluſs. Tezner, Zur Lehre vom freien Ermessen
S. 20, erläutert das auch als die Auffassung des Österr. Ges. über die Errichtung
eines V.G.H. § 3 lit. c; man habe, sagt er, bei dem Ausdruck freies Ermessen
nur gedacht an die „Nichtverbundenheit und Nichtgebundenheit der Organe der
obrigkeitlichen Gewalt gegenüber dem Einzelnen“. — Indem Bernatzik den Unter-
schied zwischen rechtlicher Gebundenheit nach auſsen und dienstlicher Gebunden-
heit verkennt, ist es ihm gelungen in dem Satze: „Thue was du glaubst, daſs es
durch das öffentliche Wohl bedingt ist“, eine groſse allgemeine Rechtsnorm zu
finden, vermöge deren alle Verwaltungshandlungen gebunden und folglich Recht-
sprechung sind (Rechtskraft S. 46). Den Glauben an diese Rechtsnorm hat er sich
auch seither nicht rauben lassen (Grünh. Ztschft. 18 S. 150). Sein Gegner Tezner,
Zur Lehre vom freien Ermessen S. 19, verfällt in denselben Fehler, wenn er dort
das freie Ermessen für ausgeschlossen hält, sobald das obrigkeitliche Organ „ver-
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