Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung. mächtigt zu sein in Freiheit und Eigentum der Unterthanen, währendfrüher das alles schon gegeben war in der unbeschränkten Macht des Fürsten und in dessen allgemein gehaltenen Aufträgen an seine Be- amten und das "Gesetz" diese Macht nicht verbessern, sondern in ihrer Ausübung nur genauer bestimmen und damit eher beschränken wollte. Oftmals hat auch der alte Gesetzgeber nur in allgemeinen Grundsätzen und Betrachtungen sich ausgesprochen, die erst, wenn man sie als Inhalt eines modernen Gesetzes denkt, auf dem Hinter- grunde des verfassungsmässigen Vorbehaltes des Gesetzes wie eine beabsichtigte Ermächtigung aussehen5. Kein Wunder also, dass der Rechtsstaat in der Erbschaft, welche 2. Die zweite Quelle des Verwaltungsrechts finden wir in der Unter Verordnung verstehen wir eine staatliche Willens- Der letztere Zusatz ist notwendig zur Abgrenzung dieses Be- Eine staatliche Willenserklärung muss es sein zum Unterschied Dass die Willenserklärung ausgestattet ist mit allgemein bindender Die Fähigkeit, mit allgemein bindender Kraft zu wirken, ist in 5 So ist z. B. aus der lehrhaften Verweisung auf die Aufgaben der Polizei
im A.L.R. II. 17 § 10 nach Einführung der Verfassung die erforderliche gesetzliche Grundlage geworden für die wahrhaft überreichen Ermächtigungen der preussischen Polizeibehörde. Ursprünglich hatte der Satz keine andere Bedeutung, als wenn er einfach gesagt hätte: über die Polizei wird im A.L.R. nichts besonderes bestimmt; diese wäre mit ihrer selbstverständlichen Macht im Gang geblieben auch ohne ihn. Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung. mächtigt zu sein in Freiheit und Eigentum der Unterthanen, währendfrüher das alles schon gegeben war in der unbeschränkten Macht des Fürsten und in dessen allgemein gehaltenen Aufträgen an seine Be- amten und das „Gesetz“ diese Macht nicht verbessern, sondern in ihrer Ausübung nur genauer bestimmen und damit eher beschränken wollte. Oftmals hat auch der alte Gesetzgeber nur in allgemeinen Grundsätzen und Betrachtungen sich ausgesprochen, die erst, wenn man sie als Inhalt eines modernen Gesetzes denkt, auf dem Hinter- grunde des verfassungsmäſsigen Vorbehaltes des Gesetzes wie eine beabsichtigte Ermächtigung aussehen5. Kein Wunder also, daſs der Rechtsstaat in der Erbschaft, welche 2. Die zweite Quelle des Verwaltungsrechts finden wir in der Unter Verordnung verstehen wir eine staatliche Willens- Der letztere Zusatz ist notwendig zur Abgrenzung dieses Be- Eine staatliche Willenserklärung muſs es sein zum Unterschied Daſs die Willenserklärung ausgestattet ist mit allgemein bindender Die Fähigkeit, mit allgemein bindender Kraft zu wirken, ist in 5 So ist z. B. aus der lehrhaften Verweisung auf die Aufgaben der Polizei
im A.L.R. II. 17 § 10 nach Einführung der Verfassung die erforderliche gesetzliche Grundlage geworden für die wahrhaft überreichen Ermächtigungen der preuſsischen Polizeibehörde. Ursprünglich hatte der Satz keine andere Bedeutung, als wenn er einfach gesagt hätte: über die Polizei wird im A.L.R. nichts besonderes bestimmt; diese wäre mit ihrer selbstverständlichen Macht im Gang geblieben auch ohne ihn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0142" n="122"/><fw place="top" type="header">Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.</fw><lb/> mächtigt zu sein in Freiheit und Eigentum der Unterthanen, während<lb/> früher das alles schon gegeben war in der unbeschränkten Macht des<lb/> Fürsten und in dessen allgemein gehaltenen Aufträgen an seine Be-<lb/> amten und das „Gesetz“ diese Macht nicht verbessern, sondern in<lb/> ihrer Ausübung nur genauer bestimmen und damit eher beschränken<lb/> wollte. Oftmals hat auch der alte Gesetzgeber nur in allgemeinen<lb/> Grundsätzen und Betrachtungen sich ausgesprochen, die erst, wenn<lb/> man sie als Inhalt eines modernen Gesetzes denkt, auf dem Hinter-<lb/> grunde des verfassungsmäſsigen Vorbehaltes des Gesetzes wie eine<lb/> beabsichtigte Ermächtigung aussehen<note place="foot" n="5">So ist z. B. aus der lehrhaften Verweisung auf die Aufgaben der Polizei<lb/> im A.L.R. II. 17 § 10 nach Einführung der Verfassung die erforderliche gesetzliche<lb/> Grundlage geworden für die wahrhaft überreichen Ermächtigungen der preuſsischen<lb/> Polizeibehörde. Ursprünglich hatte der Satz keine andere Bedeutung, als wenn er<lb/> einfach gesagt hätte: über die Polizei wird im A.L.R. nichts besonderes bestimmt;<lb/> diese wäre mit ihrer selbstverständlichen Macht im Gang geblieben auch ohne ihn.</note>.</p><lb/> <p>Kein Wunder also, daſs der Rechtsstaat in der Erbschaft, welche<lb/> er da angetreten hat, so manches Gesetz finden muſste, das nicht<lb/> recht zu dem Geiste seiner eigenen Gesetzgebung paſst.</p><lb/> <p>2. Die zweite Quelle des Verwaltungsrechts finden wir in der<lb/><hi rendition="#g">Verordnung</hi>.</p><lb/> <p>Unter Verordnung verstehen wir eine <hi rendition="#g">staatliche Willens-<lb/> erklärung mit allgemein bindender Kraft, die nicht in<lb/> Form des Gesetzes ergeht</hi>.</p><lb/> <p>Der letztere Zusatz ist notwendig zur Abgrenzung dieses Be-<lb/> griffes von der <hi rendition="#g">gesetzlichen</hi> Rechtsquelle. Die Verordnung geht<lb/> aus von der Trägerschaft der vollziehenden Gewalt.</p><lb/> <p>Eine <hi rendition="#g">staatliche</hi> Willenserklärung muſs es sein zum Unterschied<lb/> von Willenserklärungen mit allgemein bindender Kraft, die nicht im Namen<lb/> des Staates ergehen, von den gesetzvertretenden Statuten (unten n. 3).</p><lb/> <p>Daſs die Willenserklärung ausgestattet ist mit allgemein bindender<lb/> Kraft, das macht den Unterschied der Verordnung aus von allen<lb/><hi rendition="#g">sonstigen Akten der vollziehenden Gewalt</hi> und ihre<lb/> Verwandtschaft mit dem Gesetz. Hierin liegt für die Abgrenzung<lb/> des Begriffes der Verordnung der Schwerpunkt.</p><lb/> <p>Die Fähigkeit, mit allgemein bindender Kraft zu wirken, ist in<lb/> der vollziehenden Gewalt nicht von selbst enthalten; sie ist im Ver-<lb/> fassungsstaat bestimmt als eine besondere Eigenschaft der gesetz-<lb/> gebenden Gewalt und steht eben deshalb grundsätzlich nur ihr zu.<lb/> Die Verfassung kann für gewisse Fälle Ausnahmen vorsehen; ab-<lb/> gesehen davon wird ein Glied der Ordnung der vollziehenden Gewalt,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0142]
Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.
mächtigt zu sein in Freiheit und Eigentum der Unterthanen, während
früher das alles schon gegeben war in der unbeschränkten Macht des
Fürsten und in dessen allgemein gehaltenen Aufträgen an seine Be-
amten und das „Gesetz“ diese Macht nicht verbessern, sondern in
ihrer Ausübung nur genauer bestimmen und damit eher beschränken
wollte. Oftmals hat auch der alte Gesetzgeber nur in allgemeinen
Grundsätzen und Betrachtungen sich ausgesprochen, die erst, wenn
man sie als Inhalt eines modernen Gesetzes denkt, auf dem Hinter-
grunde des verfassungsmäſsigen Vorbehaltes des Gesetzes wie eine
beabsichtigte Ermächtigung aussehen 5.
Kein Wunder also, daſs der Rechtsstaat in der Erbschaft, welche
er da angetreten hat, so manches Gesetz finden muſste, das nicht
recht zu dem Geiste seiner eigenen Gesetzgebung paſst.
2. Die zweite Quelle des Verwaltungsrechts finden wir in der
Verordnung.
Unter Verordnung verstehen wir eine staatliche Willens-
erklärung mit allgemein bindender Kraft, die nicht in
Form des Gesetzes ergeht.
Der letztere Zusatz ist notwendig zur Abgrenzung dieses Be-
griffes von der gesetzlichen Rechtsquelle. Die Verordnung geht
aus von der Trägerschaft der vollziehenden Gewalt.
Eine staatliche Willenserklärung muſs es sein zum Unterschied
von Willenserklärungen mit allgemein bindender Kraft, die nicht im Namen
des Staates ergehen, von den gesetzvertretenden Statuten (unten n. 3).
Daſs die Willenserklärung ausgestattet ist mit allgemein bindender
Kraft, das macht den Unterschied der Verordnung aus von allen
sonstigen Akten der vollziehenden Gewalt und ihre
Verwandtschaft mit dem Gesetz. Hierin liegt für die Abgrenzung
des Begriffes der Verordnung der Schwerpunkt.
Die Fähigkeit, mit allgemein bindender Kraft zu wirken, ist in
der vollziehenden Gewalt nicht von selbst enthalten; sie ist im Ver-
fassungsstaat bestimmt als eine besondere Eigenschaft der gesetz-
gebenden Gewalt und steht eben deshalb grundsätzlich nur ihr zu.
Die Verfassung kann für gewisse Fälle Ausnahmen vorsehen; ab-
gesehen davon wird ein Glied der Ordnung der vollziehenden Gewalt,
5 So ist z. B. aus der lehrhaften Verweisung auf die Aufgaben der Polizei
im A.L.R. II. 17 § 10 nach Einführung der Verfassung die erforderliche gesetzliche
Grundlage geworden für die wahrhaft überreichen Ermächtigungen der preuſsischen
Polizeibehörde. Ursprünglich hatte der Satz keine andere Bedeutung, als wenn er
einfach gesagt hätte: über die Polizei wird im A.L.R. nichts besonderes bestimmt;
diese wäre mit ihrer selbstverständlichen Macht im Gang geblieben auch ohne ihn.
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