Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung. gehalten werde; Anfragen, Beschwerden, Missbilligungen, förmlicheAnklagen stehen ihr dafür zu Gebote14. Das gehört jedoch alles in das Gebiet des Verfassungsrechts und geht uns hier nicht weiter an. Die Gebundenheit der vollziehenden Gewalt wirkt andererseits Das Leisten, Thun und Unterlassen, welches das Gesetz dem So erfüllt die bindende Kraft des Gesetzes das Verhältnis zwischen 14 Haenel, Ges. im form. und mat. Sinne S. 157. 15 Dass erst diese Wirkung nach aussen den Rechtssatz macht, vgl. Laband,
St.R. I S. 591. Den äussersten Gegensatz dazu bezeichnet wohl Schein, Unsere Rechtsphilosophie und Jurisprudenz, 1889, wo die Meinung, das Recht wirke auch als Norm für den Einzelnen, für einen Fehler erklärt wird, "der sich in die philo- sophischen Ansichten über das Recht hineingeschlichen hat" (S. 11). Das Ver- waltungsrecht soll das ganz besonders beweisen (S. 9). Nicht viel besser ist es, wenn Bornhak, Preuss. St.R. I S. 442, nicht absehen will, weshalb eine In- Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung. gehalten werde; Anfragen, Beschwerden, Miſsbilligungen, förmlicheAnklagen stehen ihr dafür zu Gebote14. Das gehört jedoch alles in das Gebiet des Verfassungsrechts und geht uns hier nicht weiter an. Die Gebundenheit der vollziehenden Gewalt wirkt andererseits Das Leisten, Thun und Unterlassen, welches das Gesetz dem So erfüllt die bindende Kraft des Gesetzes das Verhältnis zwischen 14 Haenel, Ges. im form. und mat. Sinne S. 157. 15 Daſs erst diese Wirkung nach auſsen den Rechtssatz macht, vgl. Laband,
St.R. I S. 591. Den äuſsersten Gegensatz dazu bezeichnet wohl Schein, Unsere Rechtsphilosophie und Jurisprudenz, 1889, wo die Meinung, das Recht wirke auch als Norm für den Einzelnen, für einen Fehler erklärt wird, „der sich in die philo- sophischen Ansichten über das Recht hineingeschlichen hat“ (S. 11). Das Ver- waltungsrecht soll das ganz besonders beweisen (S. 9). Nicht viel besser ist es, wenn Bornhak, Preuſs. St.R. I S. 442, nicht absehen will, weshalb eine In- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0110" n="90"/><fw place="top" type="header">Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.</fw><lb/> gehalten werde; Anfragen, Beschwerden, Miſsbilligungen, förmliche<lb/> Anklagen stehen ihr dafür zu Gebote<note place="foot" n="14"><hi rendition="#g">Haenel,</hi> Ges. im form. und mat. Sinne S. 157.</note>. Das gehört jedoch alles in<lb/> das Gebiet des Verfassungsrechts und geht uns hier nicht weiter an.</p><lb/> <p>Die Gebundenheit der vollziehenden Gewalt wirkt andererseits<lb/> auch <hi rendition="#g">nach auſsen</hi>. Darin liegt eben die zweiseitige Wirkung des<lb/> Gesetzes. Sie gilt <hi rendition="#g">gegenüber dem Unterthanen</hi> und bestimmt<lb/> dessen rechtliches Verhältnis zum Staate. Denn nur zum Staat, nicht<lb/> zur vollziehenden Gewalt, steht der Unterthan in einem Verhältnis.<lb/> Indem es die vollziehende Gewalt zu einem bestimmten Verhalten<lb/> ihm gegenüber bindet, spricht das Gesetz aus, was zwischen ihm und<lb/> dem Staat Rechtens sein soll.</p><lb/> <p>Das Leisten, Thun und Unterlassen, welches das Gesetz dem<lb/> Unterthanen auferlegt, bedeutet <hi rendition="#g">Rechtspflichten</hi> seinerseits gegen-<lb/> über dem Staate und ist bestimmt, im Falle der Nichterfüllung von<lb/> der vollziehenden Gewalt mit <hi rendition="#g">Zwangsmaſsregeln</hi> durchgesetzt zu<lb/> werden. Auf das Leisten, Thun, Unterlassen, welches nach der Vor-<lb/> schrift des Gesetzes namens des Staates zu Gunsten der Unterthanen<lb/> beobachtet werden soll, hat dieser einen <hi rendition="#g">rechtlichen Anspruch</hi><lb/> gegen den Staat. Die Nichtbeobachtung solcher Gesetzesbestimmungen<lb/> ist ein <hi rendition="#g">Unrecht gegen ihn</hi>. Zu dessen Beseitigung kann die voll-<lb/> ziehende Gewalt in den Formen des geordneten <hi rendition="#g">Rechtsschutzes</hi><lb/> von ihm in Bewegung gesetzt werden (unten § 12 ff.); die Diener<lb/> der vollziehenden Gewalt, durch deren Fehler dieses Unrecht an<lb/> ihm begangen worden ist, sind ihm persönlich haftbar für den<lb/> Schaden (unten § 17, I). Je nach dem Inhalt und dem Grad der<lb/> Bestimmtheit nehmen diese Beziehungen die Gestalt von <hi rendition="#g">öffent-<lb/> lichen Rechtsverhältnissen und subjektiven öffent-<lb/> lichen Rechten</hi> an (unten § 9).</p><lb/> <p>So erfüllt die bindende Kraft des Gesetzes das Verhältnis zwischen<lb/> der öffentlichen Gewalt und dem Unterthanen mit all den bekannten<lb/> Begleiterscheinungen, welche eine wohlausgebildete Rechtsordnung auf-<lb/> zuweisen pflegt<note xml:id="seg2pn_19_1" next="#seg2pn_19_2" place="foot" n="15">Daſs erst diese Wirkung nach auſsen den Rechtssatz macht, vgl. <hi rendition="#g">Laband,</hi><lb/> St.R. I S. 591. Den äuſsersten Gegensatz dazu bezeichnet wohl <hi rendition="#g">Schein,</hi> Unsere<lb/> Rechtsphilosophie und Jurisprudenz, 1889, wo die Meinung, das Recht wirke auch<lb/> als Norm für den Einzelnen, für einen Fehler erklärt wird, „der sich in die philo-<lb/> sophischen Ansichten über das Recht hineingeschlichen hat“ (S. 11). Das Ver-<lb/> waltungsrecht soll das ganz besonders beweisen (S. 9). Nicht viel besser ist es,<lb/> wenn <hi rendition="#g">Bornhak,</hi> Preuſs. St.R. I S. 442, nicht absehen will, weshalb eine In-</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0110]
Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.
gehalten werde; Anfragen, Beschwerden, Miſsbilligungen, förmliche
Anklagen stehen ihr dafür zu Gebote 14. Das gehört jedoch alles in
das Gebiet des Verfassungsrechts und geht uns hier nicht weiter an.
Die Gebundenheit der vollziehenden Gewalt wirkt andererseits
auch nach auſsen. Darin liegt eben die zweiseitige Wirkung des
Gesetzes. Sie gilt gegenüber dem Unterthanen und bestimmt
dessen rechtliches Verhältnis zum Staate. Denn nur zum Staat, nicht
zur vollziehenden Gewalt, steht der Unterthan in einem Verhältnis.
Indem es die vollziehende Gewalt zu einem bestimmten Verhalten
ihm gegenüber bindet, spricht das Gesetz aus, was zwischen ihm und
dem Staat Rechtens sein soll.
Das Leisten, Thun und Unterlassen, welches das Gesetz dem
Unterthanen auferlegt, bedeutet Rechtspflichten seinerseits gegen-
über dem Staate und ist bestimmt, im Falle der Nichterfüllung von
der vollziehenden Gewalt mit Zwangsmaſsregeln durchgesetzt zu
werden. Auf das Leisten, Thun, Unterlassen, welches nach der Vor-
schrift des Gesetzes namens des Staates zu Gunsten der Unterthanen
beobachtet werden soll, hat dieser einen rechtlichen Anspruch
gegen den Staat. Die Nichtbeobachtung solcher Gesetzesbestimmungen
ist ein Unrecht gegen ihn. Zu dessen Beseitigung kann die voll-
ziehende Gewalt in den Formen des geordneten Rechtsschutzes
von ihm in Bewegung gesetzt werden (unten § 12 ff.); die Diener
der vollziehenden Gewalt, durch deren Fehler dieses Unrecht an
ihm begangen worden ist, sind ihm persönlich haftbar für den
Schaden (unten § 17, I). Je nach dem Inhalt und dem Grad der
Bestimmtheit nehmen diese Beziehungen die Gestalt von öffent-
lichen Rechtsverhältnissen und subjektiven öffent-
lichen Rechten an (unten § 9).
So erfüllt die bindende Kraft des Gesetzes das Verhältnis zwischen
der öffentlichen Gewalt und dem Unterthanen mit all den bekannten
Begleiterscheinungen, welche eine wohlausgebildete Rechtsordnung auf-
zuweisen pflegt 15.
14 Haenel, Ges. im form. und mat. Sinne S. 157.
15 Daſs erst diese Wirkung nach auſsen den Rechtssatz macht, vgl. Laband,
St.R. I S. 591. Den äuſsersten Gegensatz dazu bezeichnet wohl Schein, Unsere
Rechtsphilosophie und Jurisprudenz, 1889, wo die Meinung, das Recht wirke auch
als Norm für den Einzelnen, für einen Fehler erklärt wird, „der sich in die philo-
sophischen Ansichten über das Recht hineingeschlichen hat“ (S. 11). Das Ver-
waltungsrecht soll das ganz besonders beweisen (S. 9). Nicht viel besser ist es,
wenn Bornhak, Preuſs. St.R. I S. 442, nicht absehen will, weshalb eine In-
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