Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

A. Mayer:

Mit diesen Vorschlägen wäre die untere Grenze einer
Existenz für um die Wissenschaft verdiente Männer gegeben.
Es wäre verhütet, was nach der heute bestehenden Ordnung
der Dinge alltäglich ist, daß geistige Größen, welche von
weiteren Kreisen in vollem Maße anerkannt werden, und deren
Namen durch längere Zeit ihren guten Klang bewahren werden,
als die mancher geschickten Spezialisten, die gerade in ihren
Lehrstuhl passen, sonst aber nirgends hin, in dem verknöcherten
Schema unserer Hochschulen ihren Platz nicht finden können.
Dasselbe gilt von jenen rauhen Männern, die in jeder Art
gelehrter Arbeit zu Hause sind, nur daß sie das Weihrauch-
faß der gelehrten Liebenswürdigkeit nicht gehörig zu schwingen
verstehen, und es verschmähen Mitglieder jener weitverbreiteten
Aktiengesellschaften des Lobes auf Gegenseitigkeit zu werden.

Man denke daran, daß David Friedrich Strauß dieses
Loos beschieden war, daß Hoffmann v. Fallersleben in
seiner Bewerbung um eine außerordentliche, wie nachmals um
eine ordentliche Professur von seiner Breslauer Fakultät ab-
schlägig beschieden wurde und nur in Folge davon durchdrang,
daß die kräftige preußische Regierung in diesen wie in anderen
Fällen das autonome Princip der Universität durchlöcherte.
Man denke auch an Liebig, welcher als junger Mann von
unregelmäßigem Bildungsgange und mit unverstandenen Be-
strebungen der Gießener Universität förmlich octroirt werden
mußte, oder auch an seinen Gegenfüßler Moleschott, welcher
als ein vielleicht dilettantischer Fachmann, aber doch auch zu-
gleich als ein geistreicher Denker, obgleich an einer deutschen
Universität habilitirt, wegen der Jncongruenz seiner Richtung
mit der bestehenden Formulirung der Lehrfächer einen passenden
Platz in Deutschland nicht finden konnte. Alle diese Männer
und hundert andere wären von einem Forum wissenschaftlicher


A. Mayer:

Mit dieſen Vorſchlägen wäre die untere Grenze einer
Exiſtenz für um die Wiſſenſchaft verdiente Männer gegeben.
Es wäre verhütet, was nach der heute beſtehenden Ordnung
der Dinge alltäglich iſt, daß geiſtige Größen, welche von
weiteren Kreiſen in vollem Maße anerkannt werden, und deren
Namen durch längere Zeit ihren guten Klang bewahren werden,
als die mancher geſchickten Spezialiſten, die gerade in ihren
Lehrſtuhl paſſen, ſonſt aber nirgends hin, in dem verknöcherten
Schema unſerer Hochſchulen ihren Platz nicht finden können.
Dasſelbe gilt von jenen rauhen Männern, die in jeder Art
gelehrter Arbeit zu Hauſe ſind, nur daß ſie das Weihrauch-
faß der gelehrten Liebenswürdigkeit nicht gehörig zu ſchwingen
verſtehen, und es verſchmähen Mitglieder jener weitverbreiteten
Aktiengeſellſchaften des Lobes auf Gegenſeitigkeit zu werden.

Man denke daran, daß David Friedrich Strauß dieſes
Loos beſchieden war, daß Hoffmann v. Fallersleben in
ſeiner Bewerbung um eine außerordentliche, wie nachmals um
eine ordentliche Profeſſur von ſeiner Breslauer Fakultät ab-
ſchlägig beſchieden wurde und nur in Folge davon durchdrang,
daß die kräftige preußiſche Regierung in dieſen wie in anderen
Fällen das autonome Princip der Univerſität durchlöcherte.
Man denke auch an Liebig, welcher als junger Mann von
unregelmäßigem Bildungsgange und mit unverſtandenen Be-
ſtrebungen der Gießener Univerſität förmlich octroirt werden
mußte, oder auch an ſeinen Gegenfüßler Moleſchott, welcher
als ein vielleicht dilettantiſcher Fachmann, aber doch auch zu-
gleich als ein geiſtreicher Denker, obgleich an einer deutſchen
Univerſität habilitirt, wegen der Jncongruenz ſeiner Richtung
mit der beſtehenden Formulirung der Lehrfächer einen paſſenden
Platz in Deutſchland nicht finden konnte. Alle dieſe Männer
und hundert andere wären von einem Forum wiſſenſchaftlicher

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0040" n="198 [38]"/><lb/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">A. Mayer:</hi> </fw>
        <p>Mit die&#x017F;en Vor&#x017F;chlägen wäre die untere Grenze einer<lb/>
Exi&#x017F;tenz für um die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft verdiente Männer gegeben.<lb/>
Es wäre verhütet, was nach der heute be&#x017F;tehenden Ordnung<lb/>
der Dinge alltäglich i&#x017F;t, daß gei&#x017F;tige Größen, welche von<lb/>
weiteren Krei&#x017F;en in vollem Maße anerkannt werden, und deren<lb/>
Namen durch längere Zeit ihren guten Klang bewahren werden,<lb/>
als die mancher ge&#x017F;chickten Speziali&#x017F;ten, die gerade in ihren<lb/>
Lehr&#x017F;tuhl pa&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;on&#x017F;t aber nirgends hin, in dem verknöcherten<lb/>
Schema un&#x017F;erer Hoch&#x017F;chulen ihren Platz nicht finden können.<lb/>
Das&#x017F;elbe gilt von jenen rauhen Männern, die in jeder Art<lb/>
gelehrter Arbeit zu Hau&#x017F;e &#x017F;ind, nur daß &#x017F;ie das Weihrauch-<lb/>
faß der gelehrten Liebenswürdigkeit nicht gehörig zu &#x017F;chwingen<lb/>
ver&#x017F;tehen, und es ver&#x017F;chmähen Mitglieder jener weitverbreiteten<lb/>
Aktienge&#x017F;ell&#x017F;chaften des Lobes auf Gegen&#x017F;eitigkeit zu werden.</p><lb/>
        <p>Man denke daran, daß <hi rendition="#g">David Friedrich Strauß</hi> die&#x017F;es<lb/>
Loos be&#x017F;chieden war, daß <hi rendition="#g">Hoffmann v. Fallersleben</hi> in<lb/>
&#x017F;einer Bewerbung um eine außerordentliche, wie nachmals um<lb/>
eine ordentliche Profe&#x017F;&#x017F;ur von &#x017F;einer Breslauer Fakultät ab-<lb/>
&#x017F;chlägig be&#x017F;chieden wurde und nur in Folge davon durchdrang,<lb/>
daß die kräftige preußi&#x017F;che Regierung in die&#x017F;en wie in anderen<lb/>
Fällen das autonome Princip der Univer&#x017F;ität durchlöcherte.<lb/>
Man denke auch an <hi rendition="#g">Liebig,</hi> welcher als junger Mann von<lb/>
unregelmäßigem Bildungsgange und mit unver&#x017F;tandenen Be-<lb/>
&#x017F;trebungen der Gießener Univer&#x017F;ität förmlich octroirt werden<lb/>
mußte, oder auch an &#x017F;einen Gegenfüßler <hi rendition="#g">Mole&#x017F;chott,</hi> welcher<lb/>
als ein vielleicht dilettanti&#x017F;cher Fachmann, aber doch auch zu-<lb/>
gleich als ein gei&#x017F;treicher Denker, obgleich an einer deut&#x017F;chen<lb/>
Univer&#x017F;ität habilitirt, wegen der Jncongruenz &#x017F;einer Richtung<lb/>
mit der be&#x017F;tehenden Formulirung der Lehrfächer einen pa&#x017F;&#x017F;enden<lb/>
Platz in Deut&#x017F;chland nicht finden konnte. Alle die&#x017F;e Männer<lb/>
und hundert andere wären von einem Forum wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlicher<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198 [38]/0040] A. Mayer: Mit dieſen Vorſchlägen wäre die untere Grenze einer Exiſtenz für um die Wiſſenſchaft verdiente Männer gegeben. Es wäre verhütet, was nach der heute beſtehenden Ordnung der Dinge alltäglich iſt, daß geiſtige Größen, welche von weiteren Kreiſen in vollem Maße anerkannt werden, und deren Namen durch längere Zeit ihren guten Klang bewahren werden, als die mancher geſchickten Spezialiſten, die gerade in ihren Lehrſtuhl paſſen, ſonſt aber nirgends hin, in dem verknöcherten Schema unſerer Hochſchulen ihren Platz nicht finden können. Dasſelbe gilt von jenen rauhen Männern, die in jeder Art gelehrter Arbeit zu Hauſe ſind, nur daß ſie das Weihrauch- faß der gelehrten Liebenswürdigkeit nicht gehörig zu ſchwingen verſtehen, und es verſchmähen Mitglieder jener weitverbreiteten Aktiengeſellſchaften des Lobes auf Gegenſeitigkeit zu werden. Man denke daran, daß David Friedrich Strauß dieſes Loos beſchieden war, daß Hoffmann v. Fallersleben in ſeiner Bewerbung um eine außerordentliche, wie nachmals um eine ordentliche Profeſſur von ſeiner Breslauer Fakultät ab- ſchlägig beſchieden wurde und nur in Folge davon durchdrang, daß die kräftige preußiſche Regierung in dieſen wie in anderen Fällen das autonome Princip der Univerſität durchlöcherte. Man denke auch an Liebig, welcher als junger Mann von unregelmäßigem Bildungsgange und mit unverſtandenen Be- ſtrebungen der Gießener Univerſität förmlich octroirt werden mußte, oder auch an ſeinen Gegenfüßler Moleſchott, welcher als ein vielleicht dilettantiſcher Fachmann, aber doch auch zu- gleich als ein geiſtreicher Denker, obgleich an einer deutſchen Univerſität habilitirt, wegen der Jncongruenz ſeiner Richtung mit der beſtehenden Formulirung der Lehrfächer einen paſſenden Platz in Deutſchland nicht finden konnte. Alle dieſe Männer und hundert andere wären von einem Forum wiſſenſchaftlicher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_kapitalismus_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_kapitalismus_1881/40
Zitationshilfe: Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881, S. 198 [38]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_kapitalismus_1881/40>, abgerufen am 24.04.2024.