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Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881.

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geistigen Gebiete mit einer solchen Erleichterung, die ihnen allein
gewährt, den Andern aber versagt ist, daß der Vorsprung sich
immer vergrößern muß.

Ein jedes Gleichniß hinkt, und so auch dieses. Wenn
der ökonomische Kapitalismus schädlich wirkt, so ist es nicht
wegen der geringeren Gesammtproduktion unter den so gestalten
Verhältnissen. Jm Gegentheil, diese könnte ja doch nur durch
die Arbeit des geringen Procentsatzes an einseitig consumiren-
den Reichen gesteigert werden, und natürlich wird die bestehende
Ueberlastung des arbeitenden Standes viel mehr betragen. Der
sociale Reformer, der es unternimmt den Schaden zu heilen,
ist entweder ein gedankenwirrer Träumer oder er ist sich wohl
bewußt, daß ein Theil der Gesammtproduktion hingeopfert
werden muß für eine gesündere Vertheilung von Genuß und
Anstrengung. -- Anders in der Gelehrtenwelt. Hier ist von
einer Luxusproduktion keine Rede. Soweit wir sehen können,
müssen wir uns zu einem jeden Fortschritt der wissenschaft-
lichen Arbeit gratuliren. Also hier ist die Größe der Ge-
sammtleistung allerdings ein billiger Maßstab für die Zweck-
mäßigkeit der Arbeitsorganisation. Andererseits erscheint die
gerechte Vertheilung des Arbeitslohnes ein viel untergeordneteres
Moment, da ganz abgesehen von den idealen Gesichtspunkten,
die dem Wohlhabenden ein genügendes Aequivalent für seine
Mühewaltung zu sein dünken, es gar nicht darauf ankommt,
einem Jeden sein Auskommen zu sichern, da einem unglück-
lichen Docenten eher wie einem "freigesetzten" Fabrikarbeiter
die Aussicht blüht, in einer anderen Thätigkeit seine Kräfte
produktiv zu verwenden. Wir sind also weit davon entfernt
uns hier blos zu einer demagogischen Phrase, welche mehr
von Neid als von gesundem Menschenverstand Zeugniß ab-
legen würde, zu der trivialen und für die Gesammtheit so


A. Mayer:
geiſtigen Gebiete mit einer ſolchen Erleichterung, die ihnen allein
gewährt, den Andern aber verſagt iſt, daß der Vorſprung ſich
immer vergrößern muß.

Ein jedes Gleichniß hinkt, und ſo auch dieſes. Wenn
der ökonomiſche Kapitalismus ſchädlich wirkt, ſo iſt es nicht
wegen der geringeren Geſammtproduktion unter den ſo geſtalten
Verhältniſſen. Jm Gegentheil, dieſe könnte ja doch nur durch
die Arbeit des geringen Procentſatzes an einſeitig conſumiren-
den Reichen geſteigert werden, und natürlich wird die beſtehende
Ueberlaſtung des arbeitenden Standes viel mehr betragen. Der
ſociale Reformer, der es unternimmt den Schaden zu heilen,
iſt entweder ein gedankenwirrer Träumer oder er iſt ſich wohl
bewußt, daß ein Theil der Geſammtproduktion hingeopfert
werden muß für eine geſündere Vertheilung von Genuß und
Anſtrengung. — Anders in der Gelehrtenwelt. Hier iſt von
einer Luxusproduktion keine Rede. Soweit wir ſehen können,
müſſen wir uns zu einem jeden Fortſchritt der wiſſenſchaft-
lichen Arbeit gratuliren. Alſo hier iſt die Größe der Ge-
ſammtleiſtung allerdings ein billiger Maßſtab für die Zweck-
mäßigkeit der Arbeitsorganiſation. Andererſeits erſcheint die
gerechte Vertheilung des Arbeitslohnes ein viel untergeordneteres
Moment, da ganz abgeſehen von den idealen Geſichtspunkten,
die dem Wohlhabenden ein genügendes Aequivalent für ſeine
Mühewaltung zu ſein dünken, es gar nicht darauf ankommt,
einem Jeden ſein Auskommen zu ſichern, da einem unglück-
lichen Docenten eher wie einem „freigeſetzten‟ Fabrikarbeiter
die Ausſicht blüht, in einer anderen Thätigkeit ſeine Kräfte
produktiv zu verwenden. Wir ſind alſo weit davon entfernt
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[174 [14]/0016] A. Mayer: geiſtigen Gebiete mit einer ſolchen Erleichterung, die ihnen allein gewährt, den Andern aber verſagt iſt, daß der Vorſprung ſich immer vergrößern muß. Ein jedes Gleichniß hinkt, und ſo auch dieſes. Wenn der ökonomiſche Kapitalismus ſchädlich wirkt, ſo iſt es nicht wegen der geringeren Geſammtproduktion unter den ſo geſtalten Verhältniſſen. Jm Gegentheil, dieſe könnte ja doch nur durch die Arbeit des geringen Procentſatzes an einſeitig conſumiren- den Reichen geſteigert werden, und natürlich wird die beſtehende Ueberlaſtung des arbeitenden Standes viel mehr betragen. Der ſociale Reformer, der es unternimmt den Schaden zu heilen, iſt entweder ein gedankenwirrer Träumer oder er iſt ſich wohl bewußt, daß ein Theil der Geſammtproduktion hingeopfert werden muß für eine geſündere Vertheilung von Genuß und Anſtrengung. — Anders in der Gelehrtenwelt. Hier iſt von einer Luxusproduktion keine Rede. Soweit wir ſehen können, müſſen wir uns zu einem jeden Fortſchritt der wiſſenſchaft- lichen Arbeit gratuliren. Alſo hier iſt die Größe der Ge- ſammtleiſtung allerdings ein billiger Maßſtab für die Zweck- mäßigkeit der Arbeitsorganiſation. Andererſeits erſcheint die gerechte Vertheilung des Arbeitslohnes ein viel untergeordneteres Moment, da ganz abgeſehen von den idealen Geſichtspunkten, die dem Wohlhabenden ein genügendes Aequivalent für ſeine Mühewaltung zu ſein dünken, es gar nicht darauf ankommt, einem Jeden ſein Auskommen zu ſichern, da einem unglück- lichen Docenten eher wie einem „freigeſetzten‟ Fabrikarbeiter die Ausſicht blüht, in einer anderen Thätigkeit ſeine Kräfte produktiv zu verwenden. Wir ſind alſo weit davon entfernt uns hier blos zu einer demagogiſchen Phraſe, welche mehr von Neid als von geſundem Menſchenverſtand Zeugniß ab- legen würde, zu der trivialen und für die Geſammtheit ſo

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Zitationshilfe: Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881, S. 174 [14]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_kapitalismus_1881/16>, abgerufen am 24.04.2024.