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Mayer, Adolf: Das Düngerkapital und der Raubbau. Heidelberg, 1869.

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Folgerungen.

Der praktische und rechnende Landwirth hat sich nie von den-
selben beirren lassen; dieser wird stets zu dem Dünger greifen, der
ihm nach seiner -- natürlich vielfach beschränkten -- Einsicht den
größten Reinertrag verspricht.

Die Entwickelung der Ansichten der Theoretiker -- und diese
Lehre wollen wir uns nicht vorenthalten -- über das Thun und
Lassen der Praktiker ist auch hier gewesen wie überall.

Die ersten Lehrsätze, die die Theorie geben konnte, waren ab-
gefaßt nur mit Berücksichtigung einiger wenigen bei der landwirth-
schaftlichen Produktion mitwirkenden Umstände und enthielten neben
großartigen naturwissenschaftlichen Wahrheiten -- die gröbsten wirth-
schaftlichen Unwahrheiten. Dieselben waren nur im Stande, die
Wissenschaft bei den wirklich tüchtigen Praktikern, die nicht die be-
schränkte Richtigkeit jener Sätze einzusehen fähig waren, wohl aber
ihr Geschäft verstanden und die Unbrauchbarkeit jener Sätze für
ihr Geschäft sofort erkannten, in Mißcredit zu bringen, was die
Theorie ihres anmaßenden Auftretens wegen wohl verdient hatte,
und die Meinung in ihnen zu befestigen, daß niemals von dem
Theoritisiren Etwas für die Praxis zu erwarten sei.

Später gelingt es dann erst der Theorie, mehr Umstände mit
in Rechnung zu ziehen, über die sie bisher hinweggeblickt hatte
und bei deren Berücksichtigung dann viele praktische Maßregeln,
die man anfangs verdammt hatte, anfangen verständlich zu werden.

Dann aber ist der Moment gekommen, wo beide, Theorie und
Praxis, mit Bescheidenheit eingestehen müssen, die erstere ihre An-
maßung blos mit Spekulation und ohne die nothwendigen Kennt-
nisse gearbeitet zu haben, die andere, daß nun dennoch die Theorie
ihre Lehrmeisterin geworden sei.



Folgerungen.

Der praktiſche und rechnende Landwirth hat ſich nie von den-
ſelben beirren laſſen; dieſer wird ſtets zu dem Dünger greifen, der
ihm nach ſeiner — natürlich vielfach beſchränkten — Einſicht den
größten Reinertrag verſpricht.

Die Entwickelung der Anſichten der Theoretiker — und dieſe
Lehre wollen wir uns nicht vorenthalten — über das Thun und
Laſſen der Praktiker iſt auch hier geweſen wie überall.

Die erſten Lehrſätze, die die Theorie geben konnte, waren ab-
gefaßt nur mit Berückſichtigung einiger wenigen bei der landwirth-
ſchaftlichen Produktion mitwirkenden Umſtände und enthielten neben
großartigen naturwiſſenſchaftlichen Wahrheiten — die gröbſten wirth-
ſchaftlichen Unwahrheiten. Dieſelben waren nur im Stande, die
Wiſſenſchaft bei den wirklich tüchtigen Praktikern, die nicht die be-
ſchränkte Richtigkeit jener Sätze einzuſehen fähig waren, wohl aber
ihr Geſchäft verſtanden und die Unbrauchbarkeit jener Sätze für
ihr Geſchäft ſofort erkannten, in Mißcredit zu bringen, was die
Theorie ihres anmaßenden Auftretens wegen wohl verdient hatte,
und die Meinung in ihnen zu befeſtigen, daß niemals von dem
Theoritiſiren Etwas für die Praxis zu erwarten ſei.

Später gelingt es dann erſt der Theorie, mehr Umſtände mit
in Rechnung zu ziehen, über die ſie bisher hinweggeblickt hatte
und bei deren Berückſichtigung dann viele praktiſche Maßregeln,
die man anfangs verdammt hatte, anfangen verſtändlich zu werden.

Dann aber iſt der Moment gekommen, wo beide, Theorie und
Praxis, mit Beſcheidenheit eingeſtehen müſſen, die erſtere ihre An-
maßung blos mit Spekulation und ohne die nothwendigen Kennt-
niſſe gearbeitet zu haben, die andere, daß nun dennoch die Theorie
ihre Lehrmeiſterin geworden ſei.



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[73/0083] Folgerungen. Der praktiſche und rechnende Landwirth hat ſich nie von den- ſelben beirren laſſen; dieſer wird ſtets zu dem Dünger greifen, der ihm nach ſeiner — natürlich vielfach beſchränkten — Einſicht den größten Reinertrag verſpricht. Die Entwickelung der Anſichten der Theoretiker — und dieſe Lehre wollen wir uns nicht vorenthalten — über das Thun und Laſſen der Praktiker iſt auch hier geweſen wie überall. Die erſten Lehrſätze, die die Theorie geben konnte, waren ab- gefaßt nur mit Berückſichtigung einiger wenigen bei der landwirth- ſchaftlichen Produktion mitwirkenden Umſtände und enthielten neben großartigen naturwiſſenſchaftlichen Wahrheiten — die gröbſten wirth- ſchaftlichen Unwahrheiten. Dieſelben waren nur im Stande, die Wiſſenſchaft bei den wirklich tüchtigen Praktikern, die nicht die be- ſchränkte Richtigkeit jener Sätze einzuſehen fähig waren, wohl aber ihr Geſchäft verſtanden und die Unbrauchbarkeit jener Sätze für ihr Geſchäft ſofort erkannten, in Mißcredit zu bringen, was die Theorie ihres anmaßenden Auftretens wegen wohl verdient hatte, und die Meinung in ihnen zu befeſtigen, daß niemals von dem Theoritiſiren Etwas für die Praxis zu erwarten ſei. Später gelingt es dann erſt der Theorie, mehr Umſtände mit in Rechnung zu ziehen, über die ſie bisher hinweggeblickt hatte und bei deren Berückſichtigung dann viele praktiſche Maßregeln, die man anfangs verdammt hatte, anfangen verſtändlich zu werden. Dann aber iſt der Moment gekommen, wo beide, Theorie und Praxis, mit Beſcheidenheit eingeſtehen müſſen, die erſtere ihre An- maßung blos mit Spekulation und ohne die nothwendigen Kennt- niſſe gearbeitet zu haben, die andere, daß nun dennoch die Theorie ihre Lehrmeiſterin geworden ſei.

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Zitationshilfe: Mayer, Adolf: Das Düngerkapital und der Raubbau. Heidelberg, 1869, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_duengerkapital_1869/83>, abgerufen am 28.04.2024.