Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Adolf: Das Düngerkapital und der Raubbau. Heidelberg, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Folgerungen.
die wichtigste aller Produktionen4) sei, durch die beunruhigenden
Sorgen, die sich an die Jdee des Raubbaus knüpften, erzeugt ward.

Es fällt uns wenigstens bei einer sanitätspolizeilichen Maß-
regel, die z. B. Desinfektion mit Carbolsäure vorschreibt, niemals
ein, daß in Folge derselben die Rohmaterialien der Anilinfabri-
kation vertheuert werden könnten, und wir auf diese Weise die genannte
Fabrikation erschweren; denn wir sind uns hier sehr wohl bewußt,
daß es wirthschaftliche Gesetze gibt, die ein jedes produktive Kapi-
tal derjenigen Produktion zuströmen lassen, bei der es im Stande ist,
am Meisten neue Güter zu erzeugen. Wir wissen, daß es mensch-
liche Thorheit ist, hier eingreifen und "Vorsehung" spielen zu wollen.

Für die landwirthschaftliche Produktion gelten in der That ganz
dieselben Gesetze wie für jede andere Produktion und nur jene vor-
hin berührten Umstände sind es, die uns überreden wollen, daß bei
derselben ganz andere Gesetze thätig sind, daß das Düngerkapital
nicht wie andere Betriebskapitalien das Bestreben habe, sich selbst
zu erhalten, sondern, daß es stets seinem Untergange entgegenrenne,
so daß es durch eigenthümliche und ganz rasfinirte Mittel zurückgehal-
ten werden müsse. Diese Umstände sind es, die Viele sogar veranlas-
sen, weit mehr zur Erhaltung jener Kapitalien aufzuopfern, als diese
werth sind, Maßregeln vorzuschlagen, die aus diesem Grunde auf
jedem andern Gebiete als höchst unwirthschaftliche gelten würden.

Wenn der Landwirth an vielen Orten den menschlichen Dünger
verloren gibt d. h. also so geringe Summen für denselben bietet,
daß der Stadtbewohner für diese Summen nicht zu der Unbequem-
lichkeit (die ja doch ein negatives wirthschaftliches Gut ist) sich ent-
schließt, welche die Aufbewahrung der Excremente für die Landwirth-
schaft unter vielen Umständen mit sich bringt, so tritt an einem sol-

4) Auch Liebig steht in seinen Ausführungen ganz auf dem physio-
kratischen Standpunkt, wie Au mit Recht hervorhebt. Siehe dessen Werk p. 518.
Mayer, d. Düngerkapital. 5

Folgerungen.
die wichtigſte aller Produktionen4) ſei, durch die beunruhigenden
Sorgen, die ſich an die Jdee des Raubbaus knüpften, erzeugt ward.

Es fällt uns wenigſtens bei einer ſanitätspolizeilichen Maß-
regel, die z. B. Desinfektion mit Carbolſäure vorſchreibt, niemals
ein, daß in Folge derſelben die Rohmaterialien der Anilinfabri-
kation vertheuert werden könnten, und wir auf dieſe Weiſe die genannte
Fabrikation erſchweren; denn wir ſind uns hier ſehr wohl bewußt,
daß es wirthſchaftliche Geſetze gibt, die ein jedes produktive Kapi-
tal derjenigen Produktion zuſtrömen laſſen, bei der es im Stande iſt,
am Meiſten neue Güter zu erzeugen. Wir wiſſen, daß es menſch-
liche Thorheit iſt, hier eingreifen und „Vorſehung“ ſpielen zu wollen.

Für die landwirthſchaftliche Produktion gelten in der That ganz
dieſelben Geſetze wie für jede andere Produktion und nur jene vor-
hin berührten Umſtände ſind es, die uns überreden wollen, daß bei
derſelben ganz andere Geſetze thätig ſind, daß das Düngerkapital
nicht wie andere Betriebskapitalien das Beſtreben habe, ſich ſelbſt
zu erhalten, ſondern, daß es ſtets ſeinem Untergange entgegenrenne,
ſo daß es durch eigenthümliche und ganz raſfinirte Mittel zurückgehal-
ten werden müſſe. Dieſe Umſtände ſind es, die Viele ſogar veranlaſ-
ſen, weit mehr zur Erhaltung jener Kapitalien aufzuopfern, als dieſe
werth ſind, Maßregeln vorzuſchlagen, die aus dieſem Grunde auf
jedem andern Gebiete als höchſt unwirthſchaftliche gelten würden.

Wenn der Landwirth an vielen Orten den menſchlichen Dünger
verloren gibt d. h. alſo ſo geringe Summen für denſelben bietet,
daß der Stadtbewohner für dieſe Summen nicht zu der Unbequem-
lichkeit (die ja doch ein negatives wirthſchaftliches Gut iſt) ſich ent-
ſchließt, welche die Aufbewahrung der Excremente für die Landwirth-
ſchaft unter vielen Umſtänden mit ſich bringt, ſo tritt an einem ſol-

4) Auch Liebig ſteht in ſeinen Ausführungen ganz auf dem phyſio-
kratiſchen Standpunkt, wie Au mit Recht hervorhebt. Siehe deſſen Werk p. 518.
Mayer, d. Düngerkapital. 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0075" n="65"/><fw place="top" type="header">Folgerungen.</fw><lb/>
die wichtig&#x017F;te aller Produktionen<note place="foot" n="4)">Auch Liebig &#x017F;teht in &#x017F;einen Ausführungen ganz auf dem phy&#x017F;io-<lb/>
krati&#x017F;chen Standpunkt, wie Au mit Recht hervorhebt. Siehe de&#x017F;&#x017F;en Werk <hi rendition="#aq">p.</hi> 518.</note> &#x017F;ei, durch die beunruhigenden<lb/>
Sorgen, die &#x017F;ich an die Jdee des Raubbaus knüpften, erzeugt ward.</p><lb/>
        <p>Es fällt uns wenig&#x017F;tens bei einer &#x017F;anitätspolizeilichen Maß-<lb/>
regel, die z. B. Desinfektion mit Carbol&#x017F;äure vor&#x017F;chreibt, niemals<lb/>
ein, daß in Folge der&#x017F;elben die Rohmaterialien der Anilinfabri-<lb/>
kation vertheuert werden könnten, und wir auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e die genannte<lb/>
Fabrikation er&#x017F;chweren; denn wir &#x017F;ind uns hier &#x017F;ehr wohl bewußt,<lb/>
daß es wirth&#x017F;chaftliche Ge&#x017F;etze gibt, die ein jedes produktive Kapi-<lb/>
tal derjenigen Produktion zu&#x017F;trömen la&#x017F;&#x017F;en, bei der es im Stande i&#x017F;t,<lb/>
am Mei&#x017F;ten neue Güter zu erzeugen. Wir wi&#x017F;&#x017F;en, daß es men&#x017F;ch-<lb/>
liche Thorheit i&#x017F;t, hier eingreifen und &#x201E;Vor&#x017F;ehung&#x201C; &#x017F;pielen zu wollen.</p><lb/>
        <p>Für die landwirth&#x017F;chaftliche Produktion gelten in der That ganz<lb/>
die&#x017F;elben Ge&#x017F;etze wie für jede andere Produktion und nur jene vor-<lb/>
hin berührten Um&#x017F;tände &#x017F;ind es, die uns überreden wollen, daß bei<lb/>
der&#x017F;elben ganz andere Ge&#x017F;etze thätig &#x017F;ind, daß das Düngerkapital<lb/>
nicht wie andere Betriebskapitalien das Be&#x017F;treben habe, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zu erhalten, &#x017F;ondern, daß es &#x017F;tets &#x017F;einem Untergange entgegenrenne,<lb/>
&#x017F;o daß es durch eigenthümliche und ganz ra&#x017F;finirte Mittel zurückgehal-<lb/>
ten werden mü&#x017F;&#x017F;e. Die&#x017F;e Um&#x017F;tände &#x017F;ind es, die Viele &#x017F;ogar veranla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, weit mehr zur Erhaltung jener Kapitalien aufzuopfern, als die&#x017F;e<lb/>
werth &#x017F;ind, Maßregeln vorzu&#x017F;chlagen, die aus die&#x017F;em Grunde auf<lb/>
jedem andern Gebiete als höch&#x017F;t unwirth&#x017F;chaftliche gelten würden.</p><lb/>
        <p>Wenn der Landwirth an vielen Orten den men&#x017F;chlichen Dünger<lb/>
verloren gibt d. h. al&#x017F;o &#x017F;o geringe Summen für den&#x017F;elben bietet,<lb/>
daß der Stadtbewohner für die&#x017F;e Summen nicht zu der Unbequem-<lb/>
lichkeit (die ja doch ein negatives wirth&#x017F;chaftliches Gut i&#x017F;t) &#x017F;ich ent-<lb/>
&#x017F;chließt, welche die Aufbewahrung der Excremente für die Landwirth-<lb/>
&#x017F;chaft unter vielen Um&#x017F;tänden mit &#x017F;ich bringt, &#x017F;o tritt an einem &#x017F;ol-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Mayer,</hi> d. Düngerkapital. 5</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0075] Folgerungen. die wichtigſte aller Produktionen 4) ſei, durch die beunruhigenden Sorgen, die ſich an die Jdee des Raubbaus knüpften, erzeugt ward. Es fällt uns wenigſtens bei einer ſanitätspolizeilichen Maß- regel, die z. B. Desinfektion mit Carbolſäure vorſchreibt, niemals ein, daß in Folge derſelben die Rohmaterialien der Anilinfabri- kation vertheuert werden könnten, und wir auf dieſe Weiſe die genannte Fabrikation erſchweren; denn wir ſind uns hier ſehr wohl bewußt, daß es wirthſchaftliche Geſetze gibt, die ein jedes produktive Kapi- tal derjenigen Produktion zuſtrömen laſſen, bei der es im Stande iſt, am Meiſten neue Güter zu erzeugen. Wir wiſſen, daß es menſch- liche Thorheit iſt, hier eingreifen und „Vorſehung“ ſpielen zu wollen. Für die landwirthſchaftliche Produktion gelten in der That ganz dieſelben Geſetze wie für jede andere Produktion und nur jene vor- hin berührten Umſtände ſind es, die uns überreden wollen, daß bei derſelben ganz andere Geſetze thätig ſind, daß das Düngerkapital nicht wie andere Betriebskapitalien das Beſtreben habe, ſich ſelbſt zu erhalten, ſondern, daß es ſtets ſeinem Untergange entgegenrenne, ſo daß es durch eigenthümliche und ganz raſfinirte Mittel zurückgehal- ten werden müſſe. Dieſe Umſtände ſind es, die Viele ſogar veranlaſ- ſen, weit mehr zur Erhaltung jener Kapitalien aufzuopfern, als dieſe werth ſind, Maßregeln vorzuſchlagen, die aus dieſem Grunde auf jedem andern Gebiete als höchſt unwirthſchaftliche gelten würden. Wenn der Landwirth an vielen Orten den menſchlichen Dünger verloren gibt d. h. alſo ſo geringe Summen für denſelben bietet, daß der Stadtbewohner für dieſe Summen nicht zu der Unbequem- lichkeit (die ja doch ein negatives wirthſchaftliches Gut iſt) ſich ent- ſchließt, welche die Aufbewahrung der Excremente für die Landwirth- ſchaft unter vielen Umſtänden mit ſich bringt, ſo tritt an einem ſol- 4) Auch Liebig ſteht in ſeinen Ausführungen ganz auf dem phyſio- kratiſchen Standpunkt, wie Au mit Recht hervorhebt. Siehe deſſen Werk p. 518. Mayer, d. Düngerkapital. 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_duengerkapital_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_duengerkapital_1869/75
Zitationshilfe: Mayer, Adolf: Das Düngerkapital und der Raubbau. Heidelberg, 1869, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_duengerkapital_1869/75>, abgerufen am 27.04.2024.