Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

"Willst du diesen Gedanken festhalten, so bin ich
bereit, die Verhandlung wieder aufzunehmen."

"So komm herein!"

Ali Bey wand sein Turbantuch los und wehete da-
mit nach unten, dann ging er wieder in das Zelt.

"Was verlangst du von mir?" fragte der Kaimakam.

Der Bey blickte nachdenklich zur Erde, dann ant-
wortete er:

"Nicht du bist es, dem ich zürne, und darum möchte
ich dich schonen; jedes endgültige Uebereinkommen aber,
welches wir treffen könnten, würde dein Verderben sein,
weil meine Bedingungen für euch mehr als ungünstig
sind. Darum werde ich nur mit dem Mutessarif selbst
verhandeln, und du bist aller Verantwortung ledig."

"Ich danke dir, Bey!"

Der Kaimakam schien kein schlimmer Mann zu sein;
er war froh, daß der Angelegenheit eine solche Wendung
gegeben wurde, und darum kam sein Dank ganz sichtlich
aus einem aufrichtigen Herzen.

"Aber eine Bedingung habe ich natürlich auch an
dich," fuhr Ali fort.

"Welche?"

"Du betrachtest dich und deine Truppen als kriegs-
gefangen und bleibst mit ihnen in Scheik Adi, bis ich mich
mit dem Mutessarif geeinigt habe."

"Darauf gehe ich ein, denn ich kann es verantworten.
Der Miralai ist an allem schuld; er ist zu unvorsichtig
vorgegangen."

"Du giebst also die Waffen ab?"

"Das ist schimpflich!"

"Könnt ihr als Kriegsgefangene die Waffen behalten?"

"Ich erkläre mich nur insoweit für kriegsgefangen,
als ich in Scheik Adi bleibe und keinen Durchbruch ver-

„Willſt du dieſen Gedanken feſthalten, ſo bin ich
bereit, die Verhandlung wieder aufzunehmen.“

„So komm herein!“

Ali Bey wand ſein Turbantuch los und wehete da-
mit nach unten, dann ging er wieder in das Zelt.

„Was verlangſt du von mir?“ fragte der Kaimakam.

Der Bey blickte nachdenklich zur Erde, dann ant-
wortete er:

„Nicht du biſt es, dem ich zürne, und darum möchte
ich dich ſchonen; jedes endgültige Uebereinkommen aber,
welches wir treffen könnten, würde dein Verderben ſein,
weil meine Bedingungen für euch mehr als ungünſtig
ſind. Darum werde ich nur mit dem Muteſſarif ſelbſt
verhandeln, und du biſt aller Verantwortung ledig.“

„Ich danke dir, Bey!“

Der Kaimakam ſchien kein ſchlimmer Mann zu ſein;
er war froh, daß der Angelegenheit eine ſolche Wendung
gegeben wurde, und darum kam ſein Dank ganz ſichtlich
aus einem aufrichtigen Herzen.

„Aber eine Bedingung habe ich natürlich auch an
dich,“ fuhr Ali fort.

„Welche?“

„Du betrachteſt dich und deine Truppen als kriegs-
gefangen und bleibſt mit ihnen in Scheik Adi, bis ich mich
mit dem Muteſſarif geeinigt habe.“

„Darauf gehe ich ein, denn ich kann es verantworten.
Der Miralai iſt an allem ſchuld; er iſt zu unvorſichtig
vorgegangen.“

„Du giebſt alſo die Waffen ab?“

„Das iſt ſchimpflich!“

„Könnt ihr als Kriegsgefangene die Waffen behalten?“

„Ich erkläre mich nur inſoweit für kriegsgefangen,
als ich in Scheik Adi bleibe und keinen Durchbruch ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0090" n="76"/>
        <p>&#x201E;Will&#x017F;t du die&#x017F;en Gedanken fe&#x017F;thalten, &#x017F;o bin ich<lb/>
bereit, die Verhandlung wieder aufzunehmen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So komm herein!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ali Bey wand &#x017F;ein Turbantuch los und wehete da-<lb/>
mit nach unten, dann ging er wieder in das Zelt.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was verlang&#x017F;t du von mir?&#x201C; fragte der Kaimakam.</p><lb/>
        <p>Der Bey blickte nachdenklich zur Erde, dann ant-<lb/>
wortete er:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nicht du bi&#x017F;t es, dem ich zürne, und darum möchte<lb/>
ich dich &#x017F;chonen; jedes endgültige Uebereinkommen aber,<lb/>
welches wir treffen könnten, würde dein Verderben &#x017F;ein,<lb/>
weil meine Bedingungen für euch mehr als ungün&#x017F;tig<lb/>
&#x017F;ind. Darum werde ich nur mit dem Mute&#x017F;&#x017F;arif &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
verhandeln, und du bi&#x017F;t aller Verantwortung ledig.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich danke dir, Bey!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Kaimakam &#x017F;chien kein &#x017F;chlimmer Mann zu &#x017F;ein;<lb/>
er war froh, daß der Angelegenheit eine &#x017F;olche Wendung<lb/>
gegeben wurde, und darum kam &#x017F;ein Dank ganz &#x017F;ichtlich<lb/>
aus einem aufrichtigen Herzen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber eine Bedingung habe ich natürlich auch an<lb/>
dich,&#x201C; fuhr Ali fort.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Welche?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du betrachte&#x017F;t dich und deine Truppen als kriegs-<lb/>
gefangen und bleib&#x017F;t mit ihnen in Scheik Adi, bis ich mich<lb/>
mit dem Mute&#x017F;&#x017F;arif geeinigt habe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Darauf gehe ich ein, denn ich kann es verantworten.<lb/>
Der Miralai i&#x017F;t an allem &#x017F;chuld; er i&#x017F;t zu unvor&#x017F;ichtig<lb/>
vorgegangen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du gieb&#x017F;t al&#x017F;o die Waffen ab?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t &#x017F;chimpflich!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Könnt ihr als Kriegsgefangene die Waffen behalten?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich erkläre mich nur in&#x017F;oweit für kriegsgefangen,<lb/>
als ich in Scheik Adi bleibe und keinen Durchbruch ver-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0090] „Willſt du dieſen Gedanken feſthalten, ſo bin ich bereit, die Verhandlung wieder aufzunehmen.“ „So komm herein!“ Ali Bey wand ſein Turbantuch los und wehete da- mit nach unten, dann ging er wieder in das Zelt. „Was verlangſt du von mir?“ fragte der Kaimakam. Der Bey blickte nachdenklich zur Erde, dann ant- wortete er: „Nicht du biſt es, dem ich zürne, und darum möchte ich dich ſchonen; jedes endgültige Uebereinkommen aber, welches wir treffen könnten, würde dein Verderben ſein, weil meine Bedingungen für euch mehr als ungünſtig ſind. Darum werde ich nur mit dem Muteſſarif ſelbſt verhandeln, und du biſt aller Verantwortung ledig.“ „Ich danke dir, Bey!“ Der Kaimakam ſchien kein ſchlimmer Mann zu ſein; er war froh, daß der Angelegenheit eine ſolche Wendung gegeben wurde, und darum kam ſein Dank ganz ſichtlich aus einem aufrichtigen Herzen. „Aber eine Bedingung habe ich natürlich auch an dich,“ fuhr Ali fort. „Welche?“ „Du betrachteſt dich und deine Truppen als kriegs- gefangen und bleibſt mit ihnen in Scheik Adi, bis ich mich mit dem Muteſſarif geeinigt habe.“ „Darauf gehe ich ein, denn ich kann es verantworten. Der Miralai iſt an allem ſchuld; er iſt zu unvorſichtig vorgegangen.“ „Du giebſt alſo die Waffen ab?“ „Das iſt ſchimpflich!“ „Könnt ihr als Kriegsgefangene die Waffen behalten?“ „Ich erkläre mich nur inſoweit für kriegsgefangen, als ich in Scheik Adi bleibe und keinen Durchbruch ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/90
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/90>, abgerufen am 06.05.2024.