Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

Melek mir folgte. Jedenfalls ritten auch die Seinen ihm
nach, und die Kurden waren gerettet.

Nun aber mußte ich sehr bald eine Bemerkung machen,
die mir nicht angenehm sein konnte. Der Falbe des Melek
war nämlich ein besserer Bergsteiger noch als mein Rappe.
Diesen mußte ich immer mehr anstrengen, und dennoch
verkleinerte sich die Distanz zwischen mir und dem Ver-
folger. Am beschwerlichsten war der obere Teil der Schlucht,
wo es eine ziemliche Steilung zu überwinden gab, die
aus losem Gestein bestand, welches unter den Hufen des
Pferdes nachgab. Ich streichelte und liebkoste das Tier;
es stöhnte und schnaufte und that sein möglichstes -- end-
lich waren wir oben.

Da aber krachte hinter mir auch schon der Schuß des
Melek; glücklicherweise traf er nicht.

Nun galt es vor allen Dingen, das Terrain zu über-
blicken. Ich sah nichts als unbewaldete, kahle Höhen,
zwischen denen es keinen Pfad zu geben schien. Am gang-
barsten hielt ich eine Bergwand, welche mir zur Rechten
lag, und lenkte auf sie zu. Die Kuppe, auf welcher ich
mich befand, war eine ziemliche Strecke lang beinahe eben;
darum gewann ich wieder etwas Vorsprung.

Jetzt ging es bergab, wo sich mir eine natürliche
Felsenbahn zeigte, die einem Wege glich. Ich erreichte den-
selben und ritt auf ihm rasch vorwärts.

Ueber mir ertönte ein lauter Schrei. Der Melek
hatte ihn ausgestoßen. War es ein Ruf des Aergers, mich
entkommen zu sehen? Fast klang es aber wie ein War-
nungsruf. Ich ritt vorwärts und sah den Melek mir
vorsichtig folgen. Die Terrainverhältnisse wurden immer
schwieriger. Zu meiner Rechten stieg der Fels steil in die
Höhe, und zu meiner Linken fiel er beinahe lotrecht zur
Tiefe hinab, und dabei wurde der Pfad immer schmaler.

Melek mir folgte. Jedenfalls ritten auch die Seinen ihm
nach, und die Kurden waren gerettet.

Nun aber mußte ich ſehr bald eine Bemerkung machen,
die mir nicht angenehm ſein konnte. Der Falbe des Melek
war nämlich ein beſſerer Bergſteiger noch als mein Rappe.
Dieſen mußte ich immer mehr anſtrengen, und dennoch
verkleinerte ſich die Diſtanz zwiſchen mir und dem Ver-
folger. Am beſchwerlichſten war der obere Teil der Schlucht,
wo es eine ziemliche Steilung zu überwinden gab, die
aus loſem Geſtein beſtand, welches unter den Hufen des
Pferdes nachgab. Ich ſtreichelte und liebkoſte das Tier;
es ſtöhnte und ſchnaufte und that ſein möglichſtes — end-
lich waren wir oben.

Da aber krachte hinter mir auch ſchon der Schuß des
Melek; glücklicherweiſe traf er nicht.

Nun galt es vor allen Dingen, das Terrain zu über-
blicken. Ich ſah nichts als unbewaldete, kahle Höhen,
zwiſchen denen es keinen Pfad zu geben ſchien. Am gang-
barſten hielt ich eine Bergwand, welche mir zur Rechten
lag, und lenkte auf ſie zu. Die Kuppe, auf welcher ich
mich befand, war eine ziemliche Strecke lang beinahe eben;
darum gewann ich wieder etwas Vorſprung.

Jetzt ging es bergab, wo ſich mir eine natürliche
Felſenbahn zeigte, die einem Wege glich. Ich erreichte den-
ſelben und ritt auf ihm raſch vorwärts.

Ueber mir ertönte ein lauter Schrei. Der Melek
hatte ihn ausgeſtoßen. War es ein Ruf des Aergers, mich
entkommen zu ſehen? Faſt klang es aber wie ein War-
nungsruf. Ich ritt vorwärts und ſah den Melek mir
vorſichtig folgen. Die Terrainverhältniſſe wurden immer
ſchwieriger. Zu meiner Rechten ſtieg der Fels ſteil in die
Höhe, und zu meiner Linken fiel er beinahe lotrecht zur
Tiefe hinab, und dabei wurde der Pfad immer ſchmaler.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0499" n="485"/>
Melek mir folgte. Jedenfalls ritten auch die Seinen ihm<lb/>
nach, und die Kurden waren gerettet.</p><lb/>
        <p>Nun aber mußte ich &#x017F;ehr bald eine Bemerkung machen,<lb/>
die mir nicht angenehm &#x017F;ein konnte. Der Falbe des Melek<lb/>
war nämlich ein be&#x017F;&#x017F;erer Berg&#x017F;teiger noch als mein Rappe.<lb/>
Die&#x017F;en mußte ich immer mehr an&#x017F;trengen, und dennoch<lb/>
verkleinerte &#x017F;ich die Di&#x017F;tanz zwi&#x017F;chen mir und dem Ver-<lb/>
folger. Am be&#x017F;chwerlich&#x017F;ten war der obere Teil der Schlucht,<lb/>
wo es eine ziemliche Steilung zu überwinden gab, die<lb/>
aus lo&#x017F;em Ge&#x017F;tein be&#x017F;tand, welches unter den Hufen des<lb/>
Pferdes nachgab. Ich &#x017F;treichelte und liebko&#x017F;te das Tier;<lb/>
es &#x017F;töhnte und &#x017F;chnaufte und that &#x017F;ein möglich&#x017F;tes &#x2014; end-<lb/>
lich waren wir oben.</p><lb/>
        <p>Da aber krachte hinter mir auch &#x017F;chon der Schuß des<lb/>
Melek; glücklicherwei&#x017F;e traf er nicht.</p><lb/>
        <p>Nun galt es vor allen Dingen, das Terrain zu über-<lb/>
blicken. Ich &#x017F;ah nichts als unbewaldete, kahle Höhen,<lb/>
zwi&#x017F;chen denen es keinen Pfad zu geben &#x017F;chien. Am gang-<lb/>
bar&#x017F;ten hielt ich eine Bergwand, welche mir zur Rechten<lb/>
lag, und lenkte auf &#x017F;ie zu. Die Kuppe, auf welcher ich<lb/>
mich befand, war eine ziemliche Strecke lang beinahe eben;<lb/>
darum gewann ich wieder etwas Vor&#x017F;prung.</p><lb/>
        <p>Jetzt ging es bergab, wo &#x017F;ich mir eine natürliche<lb/>
Fel&#x017F;enbahn zeigte, die einem Wege glich. Ich erreichte den-<lb/>
&#x017F;elben und ritt auf ihm ra&#x017F;ch vorwärts.</p><lb/>
        <p>Ueber mir ertönte ein lauter Schrei. Der Melek<lb/>
hatte ihn ausge&#x017F;toßen. War es ein Ruf des Aergers, mich<lb/>
entkommen zu &#x017F;ehen? Fa&#x017F;t klang es aber wie ein War-<lb/>
nungsruf. Ich ritt vorwärts und &#x017F;ah den Melek mir<lb/>
vor&#x017F;ichtig folgen. Die Terrainverhältni&#x017F;&#x017F;e wurden immer<lb/>
&#x017F;chwieriger. Zu meiner Rechten &#x017F;tieg der Fels &#x017F;teil in die<lb/>
Höhe, und zu meiner Linken fiel er beinahe lotrecht zur<lb/>
Tiefe hinab, und dabei wurde der Pfad immer &#x017F;chmaler.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[485/0499] Melek mir folgte. Jedenfalls ritten auch die Seinen ihm nach, und die Kurden waren gerettet. Nun aber mußte ich ſehr bald eine Bemerkung machen, die mir nicht angenehm ſein konnte. Der Falbe des Melek war nämlich ein beſſerer Bergſteiger noch als mein Rappe. Dieſen mußte ich immer mehr anſtrengen, und dennoch verkleinerte ſich die Diſtanz zwiſchen mir und dem Ver- folger. Am beſchwerlichſten war der obere Teil der Schlucht, wo es eine ziemliche Steilung zu überwinden gab, die aus loſem Geſtein beſtand, welches unter den Hufen des Pferdes nachgab. Ich ſtreichelte und liebkoſte das Tier; es ſtöhnte und ſchnaufte und that ſein möglichſtes — end- lich waren wir oben. Da aber krachte hinter mir auch ſchon der Schuß des Melek; glücklicherweiſe traf er nicht. Nun galt es vor allen Dingen, das Terrain zu über- blicken. Ich ſah nichts als unbewaldete, kahle Höhen, zwiſchen denen es keinen Pfad zu geben ſchien. Am gang- barſten hielt ich eine Bergwand, welche mir zur Rechten lag, und lenkte auf ſie zu. Die Kuppe, auf welcher ich mich befand, war eine ziemliche Strecke lang beinahe eben; darum gewann ich wieder etwas Vorſprung. Jetzt ging es bergab, wo ſich mir eine natürliche Felſenbahn zeigte, die einem Wege glich. Ich erreichte den- ſelben und ritt auf ihm raſch vorwärts. Ueber mir ertönte ein lauter Schrei. Der Melek hatte ihn ausgeſtoßen. War es ein Ruf des Aergers, mich entkommen zu ſehen? Faſt klang es aber wie ein War- nungsruf. Ich ritt vorwärts und ſah den Melek mir vorſichtig folgen. Die Terrainverhältniſſe wurden immer ſchwieriger. Zu meiner Rechten ſtieg der Fels ſteil in die Höhe, und zu meiner Linken fiel er beinahe lotrecht zur Tiefe hinab, und dabei wurde der Pfad immer ſchmaler.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/499
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/499>, abgerufen am 11.05.2024.