ich sie geöffnet hatte, dann rief er mich zurück. Ich ging jedoch weiter und war bereits auf der Straße, als mir eilige Schritte folgten. Es war Selim Agha, der mich zurückrief.
Als ich wieder in das Selamlük trat, war der Kom- mandant nicht da, bald aber kam er aus dem Nebenzim- mer. Sein Blick war finster und feindselig, und seine Stimme vibrierte heiser, als er mich fragte:
"Also zweitausend willst du?"
"In Gold!"
Er setzte sich nieder und zählte mir zwanzig Hundert- piasterstücke auf den Teppich.
Ich bückte mich, nahm das Gold auf und steckte es ein. Er wartete einige Augenblicke, dann fragte er mit finsterer Stirn:
"Und du bedankst dich nicht?"
"Ich? Ich erwarte im Gegenteile deinen Dank, weil ich dir dreitausend Piaster geschenkt habe!"
"Du bist bezahlt und hast mir nichts geschenkt. Wann reisest du ab?"
"Ich weiß es noch nicht."
"Ich rate dir, noch heute die Stadt zu verlassen!"
"Warum?"
"Du hast dein Gold, nun gehe! Aber komme ja nie wieder!"
"Mutesselim, spiele keine Komödie mit mir, sonst lege ich dir die Piaster wieder her und schreibe einen Be- richt. Wenn es mir beliebt, zu bleiben, so bleibe ich, und wenn ich zu dir komme, wirst du mich höflich empfangen. Aber um dir deine Sorge vom Herzen zu nehmen, will ich dir sagen, daß ich noch heute abreise. Vorher aber werde ich kommen, um von dir Abschied zu nehmen, und dann hoffe ich, daß wir in Frieden scheiden."
ich ſie geöffnet hatte, dann rief er mich zurück. Ich ging jedoch weiter und war bereits auf der Straße, als mir eilige Schritte folgten. Es war Selim Agha, der mich zurückrief.
Als ich wieder in das Selamlük trat, war der Kom- mandant nicht da, bald aber kam er aus dem Nebenzim- mer. Sein Blick war finſter und feindſelig, und ſeine Stimme vibrierte heiſer, als er mich fragte:
„Alſo zweitauſend willſt du?“
„In Gold!“
Er ſetzte ſich nieder und zählte mir zwanzig Hundert- piaſterſtücke auf den Teppich.
Ich bückte mich, nahm das Gold auf und ſteckte es ein. Er wartete einige Augenblicke, dann fragte er mit finſterer Stirn:
„Und du bedankſt dich nicht?“
„Ich? Ich erwarte im Gegenteile deinen Dank, weil ich dir dreitauſend Piaſter geſchenkt habe!“
„Du biſt bezahlt und haſt mir nichts geſchenkt. Wann reiſeſt du ab?“
„Ich weiß es noch nicht.“
„Ich rate dir, noch heute die Stadt zu verlaſſen!“
„Warum?“
„Du haſt dein Gold, nun gehe! Aber komme ja nie wieder!“
„Muteſſelim, ſpiele keine Komödie mit mir, ſonſt lege ich dir die Piaſter wieder her und ſchreibe einen Be- richt. Wenn es mir beliebt, zu bleiben, ſo bleibe ich, und wenn ich zu dir komme, wirſt du mich höflich empfangen. Aber um dir deine Sorge vom Herzen zu nehmen, will ich dir ſagen, daß ich noch heute abreiſe. Vorher aber werde ich kommen, um von dir Abſchied zu nehmen, und dann hoffe ich, daß wir in Frieden ſcheiden.“
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ich ſie geöffnet hatte, dann rief er mich zurück. Ich ging
jedoch weiter und war bereits auf der Straße, als mir
eilige Schritte folgten. Es war Selim Agha, der mich
zurückrief.
Als ich wieder in das Selamlük trat, war der Kom-
mandant nicht da, bald aber kam er aus dem Nebenzim-
mer. Sein Blick war finſter und feindſelig, und ſeine
Stimme vibrierte heiſer, als er mich fragte:
„Alſo zweitauſend willſt du?“
„In Gold!“
Er ſetzte ſich nieder und zählte mir zwanzig Hundert-
piaſterſtücke auf den Teppich.
Ich bückte mich, nahm das Gold auf und ſteckte es
ein. Er wartete einige Augenblicke, dann fragte er mit
finſterer Stirn:
„Und du bedankſt dich nicht?“
„Ich? Ich erwarte im Gegenteile deinen Dank, weil
ich dir dreitauſend Piaſter geſchenkt habe!“
„Du biſt bezahlt und haſt mir nichts geſchenkt. Wann
reiſeſt du ab?“
„Ich weiß es noch nicht.“
„Ich rate dir, noch heute die Stadt zu verlaſſen!“
„Warum?“
„Du haſt dein Gold, nun gehe! Aber komme ja nie
wieder!“
„Muteſſelim, ſpiele keine Komödie mit mir, ſonſt
lege ich dir die Piaſter wieder her und ſchreibe einen Be-
richt. Wenn es mir beliebt, zu bleiben, ſo bleibe ich, und
wenn ich zu dir komme, wirſt du mich höflich empfangen.
Aber um dir deine Sorge vom Herzen zu nehmen, will
ich dir ſagen, daß ich noch heute abreiſe. Vorher aber
werde ich kommen, um von dir Abſchied zu nehmen, und
dann hoffe ich, daß wir in Frieden ſcheiden.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/371>, abgerufen am 25.11.2024.
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