das rechte sei. Ich drückte die langen Bauchseiten zusam- men, so daß sich eine Röhre bildete, in deren Inneres ich blicken konnte. Da es nicht couvertiert war, sah ich zwar aus einzelnen Wörtern, daß der Kommandant mich nicht getäuscht habe; doch befanden sich die Ziffern, welche ich suchte, nicht an einer Stelle, die ich hätte lesen können. Gleichwohl aber that ich, als ob ich sie sähe, und las laut und langsam:
"Vierhundert Piaster in Gold -- einundachtzig Piaster in Silber -- --! Mutesselim, du wirst dieses Schreiben öffnen müssen; du hast dich sehr verschrieben!"
"Herr, diese Angelegenheit ist nicht die deinige, son- dern die meinige!"
"So war es also nur die deinige, als ich dir bei- stehen mußte, den Makredsch festzuhalten und ihm sein Geld abzunehmen?"
"Ja," antwortete er naiv.
"Gut! Aber du versprachst mir fünftausend Piaster, auf welche noch zweitausend zu legen sind, weil das Papier- geld keinen vollen Wert besitzt. Wo ist diese Summe?"
"Emir!"
"Mutesselim!"
"Du sagst, du seist mein Freund, und willst mich dennoch peinigen!"
"Du sagst, du seist mein Freund, und willst mich dennoch hintergehen!"
"Ich muß das Geld nach Mossul senden."
"Vierhunderteinundachtzig Piaster, ja. Deine Pflicht ist es aber, alles Geld des Makredsch samt der Uhr und den Ringen einzusenden. Thust du dies, so habe ich nichts zu fordern; thust du es aber nicht, so verlange ich den mir gebührenden Teil.
"Du hast ja gar nichts zu bekommen," erklärte er.
das rechte ſei. Ich drückte die langen Bauchſeiten zuſam- men, ſo daß ſich eine Röhre bildete, in deren Inneres ich blicken konnte. Da es nicht couvertiert war, ſah ich zwar aus einzelnen Wörtern, daß der Kommandant mich nicht getäuſcht habe; doch befanden ſich die Ziffern, welche ich ſuchte, nicht an einer Stelle, die ich hätte leſen können. Gleichwohl aber that ich, als ob ich ſie ſähe, und las laut und langſam:
„Vierhundert Piaſter in Gold — einundachtzig Piaſter in Silber — —! Muteſſelim, du wirſt dieſes Schreiben öffnen müſſen; du haſt dich ſehr verſchrieben!“
„Herr, dieſe Angelegenheit iſt nicht die deinige, ſon- dern die meinige!“
„So war es alſo nur die deinige, als ich dir bei- ſtehen mußte, den Makredſch feſtzuhalten und ihm ſein Geld abzunehmen?“
„Ja,“ antwortete er naiv.
„Gut! Aber du verſprachſt mir fünftauſend Piaſter, auf welche noch zweitauſend zu legen ſind, weil das Papier- geld keinen vollen Wert beſitzt. Wo iſt dieſe Summe?“
„Emir!“
„Muteſſelim!“
„Du ſagſt, du ſeiſt mein Freund, und willſt mich dennoch peinigen!“
„Du ſagſt, du ſeiſt mein Freund, und willſt mich dennoch hintergehen!“
„Ich muß das Geld nach Moſſul ſenden.“
„Vierhunderteinundachtzig Piaſter, ja. Deine Pflicht iſt es aber, alles Geld des Makredſch ſamt der Uhr und den Ringen einzuſenden. Thuſt du dies, ſo habe ich nichts zu fordern; thuſt du es aber nicht, ſo verlange ich den mir gebührenden Teil.
„Du haſt ja gar nichts zu bekommen,“ erklärte er.
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das rechte ſei. Ich drückte die langen Bauchſeiten zuſam-
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blicken konnte. Da es nicht couvertiert war, ſah ich zwar
aus einzelnen Wörtern, daß der Kommandant mich nicht
getäuſcht habe; doch befanden ſich die Ziffern, welche ich
ſuchte, nicht an einer Stelle, die ich hätte leſen können.
Gleichwohl aber that ich, als ob ich ſie ſähe, und las
laut und langſam:
„Vierhundert Piaſter in Gold — einundachtzig Piaſter
in Silber — —! Muteſſelim, du wirſt dieſes Schreiben
öffnen müſſen; du haſt dich ſehr verſchrieben!“
„Herr, dieſe Angelegenheit iſt nicht die deinige, ſon-
dern die meinige!“
„So war es alſo nur die deinige, als ich dir bei-
ſtehen mußte, den Makredſch feſtzuhalten und ihm ſein
Geld abzunehmen?“
„Ja,“ antwortete er naiv.
„Gut! Aber du verſprachſt mir fünftauſend Piaſter,
auf welche noch zweitauſend zu legen ſind, weil das Papier-
geld keinen vollen Wert beſitzt. Wo iſt dieſe Summe?“
„Emir!“
„Muteſſelim!“
„Du ſagſt, du ſeiſt mein Freund, und willſt mich
dennoch peinigen!“
„Du ſagſt, du ſeiſt mein Freund, und willſt mich
dennoch hintergehen!“
„Ich muß das Geld nach Moſſul ſenden.“
„Vierhunderteinundachtzig Piaſter, ja. Deine Pflicht
iſt es aber, alles Geld des Makredſch ſamt der Uhr und
den Ringen einzuſenden. Thuſt du dies, ſo habe ich nichts
zu fordern; thuſt du es aber nicht, ſo verlange ich den
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„Du haſt ja gar nichts zu bekommen,“ erklärte er.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/369>, abgerufen am 25.11.2024.
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