Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

und nahm sich daher sehr in acht. Er trank nur in
kleinen Schlückchen und auch sehr langsam.

Wir mochten bereits dreiviertel Stunden beim Weine
sitzen, und noch immer zeigte derselbe keine andere Wirkung
auf den Agha, als dieser stiller und träumerischer wurde und
sich sinnend in seine Ecke lehnte. Schon stand ich im Begriff,
ihn zum Austrinken zu nötigen und zwei neue Krüge
bringen zu lassen, als es draußen an die Thüre pochte.

"Wer ist das?" frug der Agha.

"Das muß Halef sein."

"Weiß er, wo wir sind?"

"Ja."

"Effendi, was hast du gethan!"

"Aber er weiß nicht, was wir thun."

"Laß ihn nicht herein!"

Wie gut, daß ich Halef aufmerksam gemacht hatte!
Daß er kam, um mich zu holen, war mir Beweis, daß
etwas Besonderes passiert sei. Ich öffnete von innen und
trat hinaus auf den Flur.

"Halef!"

"Sihdi, bist du es?"

"Ja. Was ist's?"

"Der Mutesselim ist gekommen."

"Das ist schlimm; das kann uns das ganze Werk
verderben. Gehe. Wir kommen gleich nach. Aber bleibe
stets an der Thüre meines Zimmers, damit ich dich sofort
habe, wenn ich dich brauche!"

Ich trat wieder in den kleinen Raum zurück.

"Selim Agha, es war dein Glück, daß ich dem Had-
schi sagte, wo wir sind. Der Mutesselim ist bei dir und
wartet auf dich."

"Allah illa Allah! Komm schnell, Effendi!" Was
will er?"

und nahm ſich daher ſehr in acht. Er trank nur in
kleinen Schlückchen und auch ſehr langſam.

Wir mochten bereits dreiviertel Stunden beim Weine
ſitzen, und noch immer zeigte derſelbe keine andere Wirkung
auf den Agha, als dieſer ſtiller und träumeriſcher wurde und
ſich ſinnend in ſeine Ecke lehnte. Schon ſtand ich im Begriff,
ihn zum Austrinken zu nötigen und zwei neue Krüge
bringen zu laſſen, als es draußen an die Thüre pochte.

„Wer iſt das?“ frug der Agha.

„Das muß Halef ſein.“

„Weiß er, wo wir ſind?“

„Ja.“

„Effendi, was haſt du gethan!“

„Aber er weiß nicht, was wir thun.“

„Laß ihn nicht herein!“

Wie gut, daß ich Halef aufmerkſam gemacht hatte!
Daß er kam, um mich zu holen, war mir Beweis, daß
etwas Beſonderes paſſiert ſei. Ich öffnete von innen und
trat hinaus auf den Flur.

„Halef!“

„Sihdi, biſt du es?“

„Ja. Was iſt's?“

„Der Muteſſelim iſt gekommen.“

„Das iſt ſchlimm; das kann uns das ganze Werk
verderben. Gehe. Wir kommen gleich nach. Aber bleibe
ſtets an der Thüre meines Zimmers, damit ich dich ſofort
habe, wenn ich dich brauche!“

Ich trat wieder in den kleinen Raum zurück.

„Selim Agha, es war dein Glück, daß ich dem Had-
ſchi ſagte, wo wir ſind. Der Muteſſelim iſt bei dir und
wartet auf dich.“

„Allah illa Allah! Komm ſchnell, Effendi!“ Was
will er?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0309" n="295"/>
und nahm &#x017F;ich daher &#x017F;ehr in acht. Er trank nur in<lb/>
kleinen Schlückchen und auch &#x017F;ehr lang&#x017F;am.</p><lb/>
        <p>Wir mochten bereits dreiviertel Stunden beim Weine<lb/>
&#x017F;itzen, und noch immer zeigte der&#x017F;elbe keine andere Wirkung<lb/>
auf den Agha, als die&#x017F;er &#x017F;tiller und träumeri&#x017F;cher wurde und<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;innend in &#x017F;eine Ecke lehnte. Schon &#x017F;tand ich im Begriff,<lb/>
ihn zum Austrinken zu nötigen und zwei neue Krüge<lb/>
bringen zu la&#x017F;&#x017F;en, als es draußen an die Thüre pochte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer i&#x017F;t das?&#x201C; frug der Agha.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das muß Halef &#x017F;ein.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weiß er, wo wir &#x017F;ind?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Effendi, was ha&#x017F;t du gethan!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber er weiß nicht, was wir thun.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Laß ihn nicht herein!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wie gut, daß ich Halef aufmerk&#x017F;am gemacht hatte!<lb/>
Daß er kam, um mich zu holen, war mir Beweis, daß<lb/>
etwas Be&#x017F;onderes pa&#x017F;&#x017F;iert &#x017F;ei. Ich öffnete von innen und<lb/>
trat hinaus auf den Flur.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Halef!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sihdi, bi&#x017F;t du es?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja. Was i&#x017F;t's?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Mute&#x017F;&#x017F;elim i&#x017F;t gekommen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t &#x017F;chlimm; das kann uns das ganze Werk<lb/>
verderben. Gehe. Wir kommen gleich nach. Aber bleibe<lb/>
&#x017F;tets an der Thüre meines Zimmers, damit ich dich &#x017F;ofort<lb/>
habe, wenn ich dich brauche!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich trat wieder in den kleinen Raum zurück.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Selim Agha, es war dein Glück, daß ich dem Had-<lb/>
&#x017F;chi &#x017F;agte, wo wir &#x017F;ind. Der Mute&#x017F;&#x017F;elim i&#x017F;t bei dir und<lb/>
wartet auf dich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Allah illa Allah! Komm &#x017F;chnell, Effendi!&#x201C; Was<lb/>
will er?&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0309] und nahm ſich daher ſehr in acht. Er trank nur in kleinen Schlückchen und auch ſehr langſam. Wir mochten bereits dreiviertel Stunden beim Weine ſitzen, und noch immer zeigte derſelbe keine andere Wirkung auf den Agha, als dieſer ſtiller und träumeriſcher wurde und ſich ſinnend in ſeine Ecke lehnte. Schon ſtand ich im Begriff, ihn zum Austrinken zu nötigen und zwei neue Krüge bringen zu laſſen, als es draußen an die Thüre pochte. „Wer iſt das?“ frug der Agha. „Das muß Halef ſein.“ „Weiß er, wo wir ſind?“ „Ja.“ „Effendi, was haſt du gethan!“ „Aber er weiß nicht, was wir thun.“ „Laß ihn nicht herein!“ Wie gut, daß ich Halef aufmerkſam gemacht hatte! Daß er kam, um mich zu holen, war mir Beweis, daß etwas Beſonderes paſſiert ſei. Ich öffnete von innen und trat hinaus auf den Flur. „Halef!“ „Sihdi, biſt du es?“ „Ja. Was iſt's?“ „Der Muteſſelim iſt gekommen.“ „Das iſt ſchlimm; das kann uns das ganze Werk verderben. Gehe. Wir kommen gleich nach. Aber bleibe ſtets an der Thüre meines Zimmers, damit ich dich ſofort habe, wenn ich dich brauche!“ Ich trat wieder in den kleinen Raum zurück. „Selim Agha, es war dein Glück, daß ich dem Had- ſchi ſagte, wo wir ſind. Der Muteſſelim iſt bei dir und wartet auf dich.“ „Allah illa Allah! Komm ſchnell, Effendi!“ Was will er?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/309
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/309>, abgerufen am 17.05.2024.