Tamburins verkündet. Dies schien das musikalische Inter- esse des Tieres zu erregen. Der Hahn krümmte den Hals und horchte aufmerksam. Dabei bemerkte er, daß er sich in einer gefahrvollen Nähe von der Flamme befand. Er wollte sich zurückziehen, konnte aber nicht, da er festgehalten wurde. Darüber ergrimmt, richtete er sich auf und stieß ein lautes "Kik-ri-kih!" hervor, in welches die Flöten und Tamburins einfielen. Dies schien in ihm die Ansicht zu erwecken, daß man es auf einen musikalischen Wettstreit abgesehen habe. Er wandte sich mutig gegen die Musikan- ten, schlug die Flügel und schrie abermals. Er erhielt dieselbe Antwort, und so entwickelte sich ein Tongefecht, welches den Vogel schließlich so erzürnte, daß er unter einem wütenden Gallicinium sich losriß und in das Innere des Grabens floh.
Die Musik begleitete diese Heldenthat mit dem aller- stärksten Fortissimo; die Stimmen der Priester fielen jubelnd ein, und nun folgte ein Finale, welches allerdings ganz geeignet war, sowohl die Musikanten als auch die Sänger zu ermüden. Am Schluß des Stückes küßten die Kawals ihre Instrumente.
Sollte dieses laute, stürmische Finale auf irgend eine Weise einmal Gelegenheit gegeben haben, die Dschesiden mit den unlautern Cheragh Sonderan, oder wie es in kurdischer Sprache lautet, Tscherah sonderahn *) zu ver- wechseln? Das religiöse Gefühl eines Christen sträubt sich allerdings gegen die Vorführung dieses Vogels, aber etwas Immoralisches habe ich dabei nicht beobachten können.
Jetzt sollte der Verkauf der Kugeln erfolgen, von denen ich bereits gesprochen habe. Vorher aber traten die Priester herbei und machten Ali Bey und mir ein Ge- schenk davon. Er erhielt sieben und ich sieben. Sie waren
*) Lichtauslöscher.
Tamburins verkündet. Dies ſchien das muſikaliſche Inter- eſſe des Tieres zu erregen. Der Hahn krümmte den Hals und horchte aufmerkſam. Dabei bemerkte er, daß er ſich in einer gefahrvollen Nähe von der Flamme befand. Er wollte ſich zurückziehen, konnte aber nicht, da er feſtgehalten wurde. Darüber ergrimmt, richtete er ſich auf und ſtieß ein lautes „Kik-ri-kih!“ hervor, in welches die Flöten und Tamburins einfielen. Dies ſchien in ihm die Anſicht zu erwecken, daß man es auf einen muſikaliſchen Wettſtreit abgeſehen habe. Er wandte ſich mutig gegen die Muſikan- ten, ſchlug die Flügel und ſchrie abermals. Er erhielt dieſelbe Antwort, und ſo entwickelte ſich ein Tongefecht, welches den Vogel ſchließlich ſo erzürnte, daß er unter einem wütenden Gallicinium ſich losriß und in das Innere des Grabens floh.
Die Muſik begleitete dieſe Heldenthat mit dem aller- ſtärkſten Fortiſſimo; die Stimmen der Prieſter fielen jubelnd ein, und nun folgte ein Finale, welches allerdings ganz geeignet war, ſowohl die Muſikanten als auch die Sänger zu ermüden. Am Schluß des Stückes küßten die Kawals ihre Inſtrumente.
Sollte dieſes laute, ſtürmiſche Finale auf irgend eine Weiſe einmal Gelegenheit gegeben haben, die Dſcheſiden mit den unlautern Cheragh Sonderan, oder wie es in kurdiſcher Sprache lautet, Tſcherah ſonderahn *) zu ver- wechſeln? Das religiöſe Gefühl eines Chriſten ſträubt ſich allerdings gegen die Vorführung dieſes Vogels, aber etwas Immoraliſches habe ich dabei nicht beobachten können.
Jetzt ſollte der Verkauf der Kugeln erfolgen, von denen ich bereits geſprochen habe. Vorher aber traten die Prieſter herbei und machten Ali Bey und mir ein Ge- ſchenk davon. Er erhielt ſieben und ich ſieben. Sie waren
*) Lichtauslöſcher.
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Tamburins verkündet. Dies ſchien das muſikaliſche Inter-
eſſe des Tieres zu erregen. Der Hahn krümmte den Hals
und horchte aufmerkſam. Dabei bemerkte er, daß er ſich
in einer gefahrvollen Nähe von der Flamme befand. Er
wollte ſich zurückziehen, konnte aber nicht, da er feſtgehalten
wurde. Darüber ergrimmt, richtete er ſich auf und ſtieß
ein lautes „Kik-ri-kih!“ hervor, in welches die Flöten und
Tamburins einfielen. Dies ſchien in ihm die Anſicht zu
erwecken, daß man es auf einen muſikaliſchen Wettſtreit
abgeſehen habe. Er wandte ſich mutig gegen die Muſikan-
ten, ſchlug die Flügel und ſchrie abermals. Er erhielt
dieſelbe Antwort, und ſo entwickelte ſich ein Tongefecht,
welches den Vogel ſchließlich ſo erzürnte, daß er unter
einem wütenden Gallicinium ſich losriß und in das Innere
des Grabens floh.
Die Muſik begleitete dieſe Heldenthat mit dem aller-
ſtärkſten Fortiſſimo; die Stimmen der Prieſter fielen
jubelnd ein, und nun folgte ein Finale, welches allerdings
ganz geeignet war, ſowohl die Muſikanten als auch die
Sänger zu ermüden. Am Schluß des Stückes küßten die
Kawals ihre Inſtrumente.
Sollte dieſes laute, ſtürmiſche Finale auf irgend eine
Weiſe einmal Gelegenheit gegeben haben, die Dſcheſiden
mit den unlautern Cheragh Sonderan, oder wie es in
kurdiſcher Sprache lautet, Tſcherah ſonderahn *) zu ver-
wechſeln? Das religiöſe Gefühl eines Chriſten ſträubt ſich
allerdings gegen die Vorführung dieſes Vogels, aber etwas
Immoraliſches habe ich dabei nicht beobachten können.
Jetzt ſollte der Verkauf der Kugeln erfolgen, von
denen ich bereits geſprochen habe. Vorher aber traten die
Prieſter herbei und machten Ali Bey und mir ein Ge-
ſchenk davon. Er erhielt ſieben und ich ſieben. Sie waren
*) Lichtauslöſcher.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/27>, abgerufen am 16.02.2025.
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