Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

"Ja thue es, damit ich erfahre, woran ich mit dir bin!"

Ich schob die schweren Riegel zurück. Die Thüre
ging nach außen auf. Wir traten ein.

"Giebt es ein Licht in der Stube des Sergeanten?"

"Ja. Die Lampe steht mit dem Feuerzeuge links
in einem Mauerloche."

Ich lehnte ihn an die Wand und suchte. Das Loch
nebst dem Nötigen wurde entdeckt, und bald hatte ich die
Lampe angebrannt.

Der Raum war eng und klein. Eine Binsenmatte
lag auf der Diele; sie hatte als "Möbel für alles" zu
dienen. Ein zerbrochener Napf, ein Paar zerrissene Schuhe,
ein Pantoffel, ein leerer Wasserkrug und eine Peitsche
standen und lagen auf dem Boden herum.

"Nicht da! Wo steckt dieser Mensch?" fragte der Agha.

"Er wird bei den Arnauten sein, die auch hier zu
wachen haben."

Er nahm die Lampe und wankte voran, stieß aber
an den Thürpfosten.

"Schiebe mich nicht, Emir. Komm, halte die Lampe;
ich will dich lieber führen, sonst könntest du mich die Treppe
hinabwerfen. Ich liebe dich und bin dein Freund, dein
bester Freund; darum rate ich dir, nie wieder diese per-
sische Arznei zu trinken. Sie macht dich ja ganz gewalt-
thätig!"

Ich mußte allerdings einige Gewalt anwenden, um
ihn unbeschädigt hinabzubringen. Als wir vor der be-
zeichneten Thüre anlangten, war auch sie verschlossen, und
als wir sie öffneten, fanden wir auch diesen Raum leer.
Er glich mehr einem Stalle als der Wohnung eines
Menschen und ließ sehr Trauriges über die Asyle der
Gefangenen erraten.

"Auch fort! Emir, du hattest recht. Diese Schurken

„Ja thue es, damit ich erfahre, woran ich mit dir bin!“

Ich ſchob die ſchweren Riegel zurück. Die Thüre
ging nach außen auf. Wir traten ein.

„Giebt es ein Licht in der Stube des Sergeanten?“

„Ja. Die Lampe ſteht mit dem Feuerzeuge links
in einem Mauerloche.“

Ich lehnte ihn an die Wand und ſuchte. Das Loch
nebſt dem Nötigen wurde entdeckt, und bald hatte ich die
Lampe angebrannt.

Der Raum war eng und klein. Eine Binſenmatte
lag auf der Diele; ſie hatte als „Möbel für alles“ zu
dienen. Ein zerbrochener Napf, ein Paar zerriſſene Schuhe,
ein Pantoffel, ein leerer Waſſerkrug und eine Peitſche
ſtanden und lagen auf dem Boden herum.

„Nicht da! Wo ſteckt dieſer Menſch?“ fragte der Agha.

„Er wird bei den Arnauten ſein, die auch hier zu
wachen haben.“

Er nahm die Lampe und wankte voran, ſtieß aber
an den Thürpfoſten.

„Schiebe mich nicht, Emir. Komm, halte die Lampe;
ich will dich lieber führen, ſonſt könnteſt du mich die Treppe
hinabwerfen. Ich liebe dich und bin dein Freund, dein
beſter Freund; darum rate ich dir, nie wieder dieſe per-
ſiſche Arznei zu trinken. Sie macht dich ja ganz gewalt-
thätig!“

Ich mußte allerdings einige Gewalt anwenden, um
ihn unbeſchädigt hinabzubringen. Als wir vor der be-
zeichneten Thüre anlangten, war auch ſie verſchloſſen, und
als wir ſie öffneten, fanden wir auch dieſen Raum leer.
Er glich mehr einem Stalle als der Wohnung eines
Menſchen und ließ ſehr Trauriges über die Aſyle der
Gefangenen erraten.

„Auch fort! Emir, du hatteſt recht. Dieſe Schurken

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0254" n="240"/>
        <p>&#x201E;Ja thue es, damit ich erfahre, woran ich mit dir bin!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;chob die &#x017F;chweren Riegel zurück. Die Thüre<lb/>
ging nach außen auf. Wir traten ein.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Giebt es ein Licht in der Stube des Sergeanten?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja. Die Lampe &#x017F;teht mit dem Feuerzeuge links<lb/>
in einem Mauerloche.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich lehnte ihn an die Wand und &#x017F;uchte. Das Loch<lb/>
neb&#x017F;t dem Nötigen wurde entdeckt, und bald hatte ich die<lb/>
Lampe angebrannt.</p><lb/>
        <p>Der Raum war eng und klein. Eine Bin&#x017F;enmatte<lb/>
lag auf der Diele; &#x017F;ie hatte als &#x201E;Möbel für alles&#x201C; zu<lb/>
dienen. Ein zerbrochener Napf, ein Paar zerri&#x017F;&#x017F;ene Schuhe,<lb/>
ein Pantoffel, ein leerer Wa&#x017F;&#x017F;erkrug und eine Peit&#x017F;che<lb/>
&#x017F;tanden und lagen auf dem Boden herum.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nicht da! Wo &#x017F;teckt die&#x017F;er Men&#x017F;ch?&#x201C; fragte der Agha.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Er wird bei den Arnauten &#x017F;ein, die auch hier zu<lb/>
wachen haben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er nahm die Lampe und wankte voran, &#x017F;tieß aber<lb/>
an den Thürpfo&#x017F;ten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Schiebe mich nicht, Emir. Komm, halte die Lampe;<lb/>
ich will dich lieber führen, &#x017F;on&#x017F;t könnte&#x017F;t du mich die Treppe<lb/>
hinabwerfen. Ich liebe dich und bin dein Freund, dein<lb/>
be&#x017F;ter Freund; darum rate ich dir, nie wieder die&#x017F;e per-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;che Arznei zu trinken. Sie macht dich ja ganz gewalt-<lb/>
thätig!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich mußte allerdings einige Gewalt anwenden, um<lb/>
ihn unbe&#x017F;chädigt hinabzubringen. Als wir vor der be-<lb/>
zeichneten Thüre anlangten, war auch &#x017F;ie ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
als wir &#x017F;ie öffneten, fanden wir auch die&#x017F;en Raum leer.<lb/>
Er glich mehr einem Stalle als der Wohnung eines<lb/>
Men&#x017F;chen und ließ &#x017F;ehr Trauriges über die A&#x017F;yle der<lb/>
Gefangenen erraten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Auch fort! Emir, du hatte&#x017F;t recht. Die&#x017F;e Schurken<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0254] „Ja thue es, damit ich erfahre, woran ich mit dir bin!“ Ich ſchob die ſchweren Riegel zurück. Die Thüre ging nach außen auf. Wir traten ein. „Giebt es ein Licht in der Stube des Sergeanten?“ „Ja. Die Lampe ſteht mit dem Feuerzeuge links in einem Mauerloche.“ Ich lehnte ihn an die Wand und ſuchte. Das Loch nebſt dem Nötigen wurde entdeckt, und bald hatte ich die Lampe angebrannt. Der Raum war eng und klein. Eine Binſenmatte lag auf der Diele; ſie hatte als „Möbel für alles“ zu dienen. Ein zerbrochener Napf, ein Paar zerriſſene Schuhe, ein Pantoffel, ein leerer Waſſerkrug und eine Peitſche ſtanden und lagen auf dem Boden herum. „Nicht da! Wo ſteckt dieſer Menſch?“ fragte der Agha. „Er wird bei den Arnauten ſein, die auch hier zu wachen haben.“ Er nahm die Lampe und wankte voran, ſtieß aber an den Thürpfoſten. „Schiebe mich nicht, Emir. Komm, halte die Lampe; ich will dich lieber führen, ſonſt könnteſt du mich die Treppe hinabwerfen. Ich liebe dich und bin dein Freund, dein beſter Freund; darum rate ich dir, nie wieder dieſe per- ſiſche Arznei zu trinken. Sie macht dich ja ganz gewalt- thätig!“ Ich mußte allerdings einige Gewalt anwenden, um ihn unbeſchädigt hinabzubringen. Als wir vor der be- zeichneten Thüre anlangten, war auch ſie verſchloſſen, und als wir ſie öffneten, fanden wir auch dieſen Raum leer. Er glich mehr einem Stalle als der Wohnung eines Menſchen und ließ ſehr Trauriges über die Aſyle der Gefangenen erraten. „Auch fort! Emir, du hatteſt recht. Dieſe Schurken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/254
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/254>, abgerufen am 18.05.2024.