Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

unsern Kaffee geraten, von dem mich zweihundert Drehm *)
fünfundzwanzig gute Piaster kosten? Ich werde es dem
Sihdi doch beweisen!"

Er kam aus der Küche, in der Rechten die neuge-
kaufte Kaffeebüchse und in der Linken eine große, geöffnete
Papiertüte.

"Sihdi, du kennst den Kaffee von Harimah?"

"Du weißt es, daß ich ihn kenne."

"Suche einmal, wo er ist!"

Ich unterwarf die Büchse und auch die Tüte einer
sehr eingehenden und ernsthaften Okularinspektion.

"Er ist in allen beiden, aber mit schlechteren Bohnen
und gedörrten Schalen vermischt."

"Siehst du wohl, Effendi! Ich habe guten Harimah
gekauft, und hier diese Mutter und Urgroßmutter eines
Räubers und Spitzbuben kocht nur schlechten Kaffee, mit
Schalen vermengt. Siehst du nun, daß sie über meine
Büchse geraten ist!"

"Sihdi, du bist ein gewaltiger Krieger, ein großer
Gelehrter und der weiseste aller Richter," entgegnete die
,Myrte', indem sie dem Hadschi ihren Hader sehr unter-
nehmend vor der Nase herumschwenkte. "Du wirst diesen
Vater eines Uebelthäters und Sohn eines Verleumders
streng bestrafen!"

"Bestrafen?" rief Halef ganz erstaunt. "Auch noch!"

"Ja," entschied sie sehr bestimmt; "denn er ist es,
der über meine Tüte geraten ist und mich betrogen hat.
Nur er allein hat den Kaffee vermischt, um mir und
meinem Hause vor deinen Augen Schande zu bereiten!"

"O, du Ausbund aller neununddreißig Laster!" zürnte
Halef ganz ergrimmt; "du willst es wagen, mich, mich

*) 11/2 Pfund.

unſern Kaffee geraten, von dem mich zweihundert Drehm *)
fünfundzwanzig gute Piaſter koſten? Ich werde es dem
Sihdi doch beweiſen!“

Er kam aus der Küche, in der Rechten die neuge-
kaufte Kaffeebüchſe und in der Linken eine große, geöffnete
Papiertüte.

„Sihdi, du kennſt den Kaffee von Harimah?“

„Du weißt es, daß ich ihn kenne.“

„Suche einmal, wo er iſt!“

Ich unterwarf die Büchſe und auch die Tüte einer
ſehr eingehenden und ernſthaften Okularinſpektion.

„Er iſt in allen beiden, aber mit ſchlechteren Bohnen
und gedörrten Schalen vermiſcht.“

„Siehſt du wohl, Effendi! Ich habe guten Harimah
gekauft, und hier dieſe Mutter und Urgroßmutter eines
Räubers und Spitzbuben kocht nur ſchlechten Kaffee, mit
Schalen vermengt. Siehſt du nun, daß ſie über meine
Büchſe geraten iſt!“

„Sihdi, du biſt ein gewaltiger Krieger, ein großer
Gelehrter und der weiſeſte aller Richter,“ entgegnete die
‚Myrte‘, indem ſie dem Hadſchi ihren Hader ſehr unter-
nehmend vor der Naſe herumſchwenkte. „Du wirſt dieſen
Vater eines Uebelthäters und Sohn eines Verleumders
ſtreng beſtrafen!“

„Beſtrafen?“ rief Halef ganz erſtaunt. „Auch noch!“

„Ja,“ entſchied ſie ſehr beſtimmt; „denn er iſt es,
der über meine Tüte geraten iſt und mich betrogen hat.
Nur er allein hat den Kaffee vermiſcht, um mir und
meinem Hauſe vor deinen Augen Schande zu bereiten!“

„O, du Ausbund aller neununddreißig Laſter!“ zürnte
Halef ganz ergrimmt; „du willſt es wagen, mich, mich

*) 1½ Pfund.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0227" n="213"/>
un&#x017F;ern Kaffee geraten, von dem mich zweihundert Drehm <note place="foot" n="*)">1½ Pfund.</note><lb/>
fünfundzwanzig gute Pia&#x017F;ter ko&#x017F;ten? Ich werde es dem<lb/>
Sihdi doch bewei&#x017F;en!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er kam aus der Küche, in der Rechten die neuge-<lb/>
kaufte Kaffeebüch&#x017F;e und in der Linken eine große, geöffnete<lb/>
Papiertüte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sihdi, du kenn&#x017F;t den Kaffee von Harimah?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du weißt es, daß ich ihn kenne.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Suche einmal, wo er i&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich unterwarf die Büch&#x017F;e und auch die Tüte einer<lb/>
&#x017F;ehr eingehenden und ern&#x017F;thaften Okularin&#x017F;pektion.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Er i&#x017F;t in allen beiden, aber mit &#x017F;chlechteren Bohnen<lb/>
und gedörrten Schalen vermi&#x017F;cht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sieh&#x017F;t du wohl, Effendi! Ich habe guten Harimah<lb/>
gekauft, und hier die&#x017F;e Mutter und Urgroßmutter eines<lb/>
Räubers und Spitzbuben kocht nur &#x017F;chlechten Kaffee, mit<lb/>
Schalen vermengt. Sieh&#x017F;t du nun, daß &#x017F;ie über meine<lb/>
Büch&#x017F;e geraten i&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sihdi, du bi&#x017F;t ein gewaltiger Krieger, ein großer<lb/>
Gelehrter und der wei&#x017F;e&#x017F;te aller Richter,&#x201C; entgegnete die<lb/>
&#x201A;Myrte&#x2018;, indem &#x017F;ie dem Had&#x017F;chi ihren Hader &#x017F;ehr unter-<lb/>
nehmend vor der Na&#x017F;e herum&#x017F;chwenkte. &#x201E;Du wir&#x017F;t die&#x017F;en<lb/>
Vater eines Uebelthäters und Sohn eines Verleumders<lb/>
&#x017F;treng be&#x017F;trafen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Be&#x017F;trafen?&#x201C; rief Halef ganz er&#x017F;taunt. &#x201E;Auch noch!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja,&#x201C; ent&#x017F;chied &#x017F;ie &#x017F;ehr be&#x017F;timmt; &#x201E;denn er i&#x017F;t es,<lb/>
der über meine Tüte geraten i&#x017F;t und mich betrogen hat.<lb/>
Nur er allein hat den Kaffee vermi&#x017F;cht, um mir und<lb/>
meinem Hau&#x017F;e vor deinen Augen Schande zu bereiten!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O, du Ausbund aller neununddreißig La&#x017F;ter!&#x201C; zürnte<lb/>
Halef ganz ergrimmt; &#x201E;du will&#x017F;t es wagen, mich, mich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0227] unſern Kaffee geraten, von dem mich zweihundert Drehm *) fünfundzwanzig gute Piaſter koſten? Ich werde es dem Sihdi doch beweiſen!“ Er kam aus der Küche, in der Rechten die neuge- kaufte Kaffeebüchſe und in der Linken eine große, geöffnete Papiertüte. „Sihdi, du kennſt den Kaffee von Harimah?“ „Du weißt es, daß ich ihn kenne.“ „Suche einmal, wo er iſt!“ Ich unterwarf die Büchſe und auch die Tüte einer ſehr eingehenden und ernſthaften Okularinſpektion. „Er iſt in allen beiden, aber mit ſchlechteren Bohnen und gedörrten Schalen vermiſcht.“ „Siehſt du wohl, Effendi! Ich habe guten Harimah gekauft, und hier dieſe Mutter und Urgroßmutter eines Räubers und Spitzbuben kocht nur ſchlechten Kaffee, mit Schalen vermengt. Siehſt du nun, daß ſie über meine Büchſe geraten iſt!“ „Sihdi, du biſt ein gewaltiger Krieger, ein großer Gelehrter und der weiſeſte aller Richter,“ entgegnete die ‚Myrte‘, indem ſie dem Hadſchi ihren Hader ſehr unter- nehmend vor der Naſe herumſchwenkte. „Du wirſt dieſen Vater eines Uebelthäters und Sohn eines Verleumders ſtreng beſtrafen!“ „Beſtrafen?“ rief Halef ganz erſtaunt. „Auch noch!“ „Ja,“ entſchied ſie ſehr beſtimmt; „denn er iſt es, der über meine Tüte geraten iſt und mich betrogen hat. Nur er allein hat den Kaffee vermiſcht, um mir und meinem Hauſe vor deinen Augen Schande zu bereiten!“ „O, du Ausbund aller neununddreißig Laſter!“ zürnte Halef ganz ergrimmt; „du willſt es wagen, mich, mich *) 1½ Pfund.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/227
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/227>, abgerufen am 23.12.2024.