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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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Probe! Ist Amad el Ghandur so alt, daß du ihn mit
Mohammed Emin, seinem Vater, verwechselst!"

"Wie kann ich sie verwechseln, da ich beide noch nie
gesehen habe!"

Ich erhob mich.

"Laß uns unser Gespräch beenden! Ich bin kein
Knabe, den man narren darf. Aber wenn du den Ge-
fangenen sehen willst, so gehe hinab in das Gefängnis;
der Sergeant wird dir ihn zeigen. Ich sage dir nur:
Halte es geheim: wer er ist, und laß ihn ja nicht ent-
kommen! Solange der zukünftige Scheik der Haddedihn
sich in der Gewalt des Mutessarif befindet, kann dieser
letztere den Arabern Bedingungen stellen. Jetzt erlaube,
daß ich gehe!"

"Emir, ich wollte dich nicht beleidigen. Bleibe!"

"Ich habe heute noch anderes zu thun."

"Du mußt bleiben, denn ich habe dir ein Mahl be-
reiten lassen!"

"Ich kann in meiner Wohnung speisen und danke
dir. Uebrigens steht draußen ein Kurde, der notwendig
mit dir zu sprechen hat. Er war eher da als ich, und
darum wollte ich ihm den Vortritt lassen; er war aber
so höflich, dies abzulehnen."

"Er ist ein Bote des Bey von Gumri. Er mag
warten!"

"Mutesselim, erlaube, daß ich dich vor einem Fehler
warne!"

"Vor welchem?"

"Du behandelst diesen Bey wie einen Feind oder doch
wie einen Mann, den man nicht zu achten oder zu fürchten
braucht!"

Ich sah es ihm an, daß er sich Mühe gab, eine
zornige Aufwallung zu beherrschen.

Probe! Iſt Amad el Ghandur ſo alt, daß du ihn mit
Mohammed Emin, ſeinem Vater, verwechſelſt!“

„Wie kann ich ſie verwechſeln, da ich beide noch nie
geſehen habe!“

Ich erhob mich.

„Laß uns unſer Geſpräch beenden! Ich bin kein
Knabe, den man narren darf. Aber wenn du den Ge-
fangenen ſehen willſt, ſo gehe hinab in das Gefängnis;
der Sergeant wird dir ihn zeigen. Ich ſage dir nur:
Halte es geheim: wer er iſt, und laß ihn ja nicht ent-
kommen! Solange der zukünftige Scheik der Haddedihn
ſich in der Gewalt des Muteſſarif befindet, kann dieſer
letztere den Arabern Bedingungen ſtellen. Jetzt erlaube,
daß ich gehe!“

„Emir, ich wollte dich nicht beleidigen. Bleibe!“

„Ich habe heute noch anderes zu thun.“

„Du mußt bleiben, denn ich habe dir ein Mahl be-
reiten laſſen!“

„Ich kann in meiner Wohnung ſpeiſen und danke
dir. Uebrigens ſteht draußen ein Kurde, der notwendig
mit dir zu ſprechen hat. Er war eher da als ich, und
darum wollte ich ihm den Vortritt laſſen; er war aber
ſo höflich, dies abzulehnen.“

„Er iſt ein Bote des Bey von Gumri. Er mag
warten!“

„Muteſſelim, erlaube, daß ich dich vor einem Fehler
warne!“

„Vor welchem?“

„Du behandelſt dieſen Bey wie einen Feind oder doch
wie einen Mann, den man nicht zu achten oder zu fürchten
braucht!“

Ich ſah es ihm an, daß er ſich Mühe gab, eine
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[191/0205] Probe! Iſt Amad el Ghandur ſo alt, daß du ihn mit Mohammed Emin, ſeinem Vater, verwechſelſt!“ „Wie kann ich ſie verwechſeln, da ich beide noch nie geſehen habe!“ Ich erhob mich. „Laß uns unſer Geſpräch beenden! Ich bin kein Knabe, den man narren darf. Aber wenn du den Ge- fangenen ſehen willſt, ſo gehe hinab in das Gefängnis; der Sergeant wird dir ihn zeigen. Ich ſage dir nur: Halte es geheim: wer er iſt, und laß ihn ja nicht ent- kommen! Solange der zukünftige Scheik der Haddedihn ſich in der Gewalt des Muteſſarif befindet, kann dieſer letztere den Arabern Bedingungen ſtellen. Jetzt erlaube, daß ich gehe!“ „Emir, ich wollte dich nicht beleidigen. Bleibe!“ „Ich habe heute noch anderes zu thun.“ „Du mußt bleiben, denn ich habe dir ein Mahl be- reiten laſſen!“ „Ich kann in meiner Wohnung ſpeiſen und danke dir. Uebrigens ſteht draußen ein Kurde, der notwendig mit dir zu ſprechen hat. Er war eher da als ich, und darum wollte ich ihm den Vortritt laſſen; er war aber ſo höflich, dies abzulehnen.“ „Er iſt ein Bote des Bey von Gumri. Er mag warten!“ „Muteſſelim, erlaube, daß ich dich vor einem Fehler warne!“ „Vor welchem?“ „Du behandelſt dieſen Bey wie einen Feind oder doch wie einen Mann, den man nicht zu achten oder zu fürchten braucht!“ Ich ſah es ihm an, daß er ſich Mühe gab, eine zornige Aufwallung zu beherrſchen.

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/205>, abgerufen am 05.05.2024.