mir ungemein, obgleich seine Beschwerde indirekt gegen mich gerichtet war. Den Agha aber schien sie außer- ordentlich zu erzürnen; denn er begann seinen Augen- wirbel von neuem und antwortete:
"Du kommst erst später daran, und vielleicht auch gar nicht. Wenn dir das nicht gefällt, so kannst du gehen! Dir ist ja nicht einmal das Notwendigste bekannt, um vor einem großen, einflußreichen Manne erscheinen zu dürfen!"
Ah, der Kurde hatte also das "Notwendigste", näm- lich das Bakschisch, vergessen. Er ließ sich aber nicht ein- schüchtern, sondern antwortete:
"Weißt du, was das Notwendigste für einen Ber- wari-Kurden ist? Dieser Säbel ist es!" Dabei schlug er an den Griff der genannten Waffe. "Willst du eine Probe davon versuchen? Mich sendet der Bey von Gumri; es ist eine Beleidigung für ihn, wenn ich immer von neuem wieder zurückgesetzt werde und warten muß, und er wird wissen, was er darauf zu erwidern hat. Ich gehe!"
"Halt!" rief ich.
Er befand sich bereits an der Thüre. Der Bey von Gumri, an den mich der Aelteste von Spandareh adressiert hatte? Das war eine vortreffliche Gelegenheit, mich vor- teilhaft bei ihm anzumelden.
"Was willst du?" fragte er barsch.
Ich schritt auf ihn zu und hielt ihm die Hand entgegen.
"Ich will dich begrüßen, denn das ist ebenso, als ob dein Bey meinen Gruß hörte."
"Kennst du ihn?"
"Ich habe ihn noch nicht gesehen, aber man hat mir von ihm erzählt. Er ist ein sehr tapferer Krieger, dem meine Achtung gehört. Willst du mir eine Botschaft an ihn ausrichten?"
"Ja, wenn ich es kann."
mir ungemein, obgleich ſeine Beſchwerde indirekt gegen mich gerichtet war. Den Agha aber ſchien ſie außer- ordentlich zu erzürnen; denn er begann ſeinen Augen- wirbel von neuem und antwortete:
„Du kommſt erſt ſpäter daran, und vielleicht auch gar nicht. Wenn dir das nicht gefällt, ſo kannſt du gehen! Dir iſt ja nicht einmal das Notwendigſte bekannt, um vor einem großen, einflußreichen Manne erſcheinen zu dürfen!“
Ah, der Kurde hatte alſo das „Notwendigſte“, näm- lich das Bakſchiſch, vergeſſen. Er ließ ſich aber nicht ein- ſchüchtern, ſondern antwortete:
„Weißt du, was das Notwendigſte für einen Ber- wari-Kurden iſt? Dieſer Säbel iſt es!“ Dabei ſchlug er an den Griff der genannten Waffe. „Willſt du eine Probe davon verſuchen? Mich ſendet der Bey von Gumri; es iſt eine Beleidigung für ihn, wenn ich immer von neuem wieder zurückgeſetzt werde und warten muß, und er wird wiſſen, was er darauf zu erwidern hat. Ich gehe!“
„Halt!“ rief ich.
Er befand ſich bereits an der Thüre. Der Bey von Gumri, an den mich der Aelteſte von Spandareh adreſſiert hatte? Das war eine vortreffliche Gelegenheit, mich vor- teilhaft bei ihm anzumelden.
„Was willſt du?“ fragte er barſch.
Ich ſchritt auf ihn zu und hielt ihm die Hand entgegen.
„Ich will dich begrüßen, denn das iſt ebenſo, als ob dein Bey meinen Gruß hörte.“
„Kennſt du ihn?“
„Ich habe ihn noch nicht geſehen, aber man hat mir von ihm erzählt. Er iſt ein ſehr tapferer Krieger, dem meine Achtung gehört. Willſt du mir eine Botſchaft an ihn ausrichten?“
„Ja, wenn ich es kann.“
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mir ungemein, obgleich ſeine Beſchwerde indirekt gegen
mich gerichtet war. Den Agha aber ſchien ſie außer-
ordentlich zu erzürnen; denn er begann ſeinen Augen-
wirbel von neuem und antwortete:
„Du kommſt erſt ſpäter daran, und vielleicht auch gar
nicht. Wenn dir das nicht gefällt, ſo kannſt du gehen!
Dir iſt ja nicht einmal das Notwendigſte bekannt, um vor
einem großen, einflußreichen Manne erſcheinen zu dürfen!“
Ah, der Kurde hatte alſo das „Notwendigſte“, näm-
lich das Bakſchiſch, vergeſſen. Er ließ ſich aber nicht ein-
ſchüchtern, ſondern antwortete:
„Weißt du, was das Notwendigſte für einen Ber-
wari-Kurden iſt? Dieſer Säbel iſt es!“ Dabei ſchlug er
an den Griff der genannten Waffe. „Willſt du eine Probe
davon verſuchen? Mich ſendet der Bey von Gumri; es
iſt eine Beleidigung für ihn, wenn ich immer von neuem
wieder zurückgeſetzt werde und warten muß, und er wird
wiſſen, was er darauf zu erwidern hat. Ich gehe!“
„Halt!“ rief ich.
Er befand ſich bereits an der Thüre. Der Bey von
Gumri, an den mich der Aelteſte von Spandareh adreſſiert
hatte? Das war eine vortreffliche Gelegenheit, mich vor-
teilhaft bei ihm anzumelden.
„Was willſt du?“ fragte er barſch.
Ich ſchritt auf ihn zu und hielt ihm die Hand entgegen.
„Ich will dich begrüßen, denn das iſt ebenſo, als
ob dein Bey meinen Gruß hörte.“
„Kennſt du ihn?“
„Ich habe ihn noch nicht geſehen, aber man hat mir
von ihm erzählt. Er iſt ein ſehr tapferer Krieger, dem
meine Achtung gehört. Willſt du mir eine Botſchaft an
ihn ausrichten?“
„Ja, wenn ich es kann.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/197>, abgerufen am 29.11.2024.
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