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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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Raki. Wir tranken aus den hühnerognostischen Pokalen,
er aber setzte die Flasche selbst an den Mund und nahm
sie nicht eher wieder fort, bis er die beruhigende Ueber-
zeugung hatte, daß das scharfe, schwefelsaure Getränk der
Bouteille keinen chemischen Schaden mehr thun könne.
Dann nahm er uns die Schalen aus der Hand, sog das
heraus, was wir noch drin gelassen hatten, und legte
sie sehr behutsam auf den Boden nieder.

"Kendim idschad eter -- meine eigne Erfindung!"
meinte er stolz. "Wundert ihr euch, daß ich keine Gläser
habe?"

"Du wirst diese schöne Erfindung den Gläsern vor-
ziehen," antwortete ich.

"Ich ziehe sie vor, weil ich keine Gläser habe. Ich
bin Agha der Albanesen und habe als Sold und Taim
monatlich dreihundertdreißig Piaster *) zu bekommen; aber
ich warte bereits seit elf Monaten auf dieses Geld. Allah
kerihm; Padischah kendisi onu kullar -- Gott ist gnädig,
und der Sultan braucht es selber!"

Da durfte ich mich allerdings nicht darüber wun-
dern, daß das Wort Bakschisch für ihn eine nachhaltige
Bedeutung hatte.

Er führte uns nun in dem Hause herum. Es war
geräumig gebaut, aber doch auch bereits in Verfall ge-
raten. Wir nahmen uns vier Zimmer, eins für jeden
von uns und eins für Halef und den Baschi-Bozuk. Der
Preis war gering, fünf Piaster, also eine Mark pro
Woche für die Stube.

"Wollt ihr auch den Garten sehen?" fragte er dann.

"Natürlich! Ist er schön?"

"Sehr schön; so schön, wie die Gärten des Para-
dieses! Du siehst da allerlei Bäume, Kräuter und Gräser,

*) 66 Mark.

Raki. Wir tranken aus den hühnerognoſtiſchen Pokalen,
er aber ſetzte die Flaſche ſelbſt an den Mund und nahm
ſie nicht eher wieder fort, bis er die beruhigende Ueber-
zeugung hatte, daß das ſcharfe, ſchwefelſaure Getränk der
Bouteille keinen chemiſchen Schaden mehr thun könne.
Dann nahm er uns die Schalen aus der Hand, ſog das
heraus, was wir noch drin gelaſſen hatten, und legte
ſie ſehr behutſam auf den Boden nieder.

„Kendim idſchad eter — meine eigne Erfindung!“
meinte er ſtolz. „Wundert ihr euch, daß ich keine Gläſer
habe?“

„Du wirſt dieſe ſchöne Erfindung den Gläſern vor-
ziehen,“ antwortete ich.

„Ich ziehe ſie vor, weil ich keine Gläſer habe. Ich
bin Agha der Albaneſen und habe als Sold und Taim
monatlich dreihundertdreißig Piaſter *) zu bekommen; aber
ich warte bereits ſeit elf Monaten auf dieſes Geld. Allah
kerihm; Padiſchah kendiſi onu kullar — Gott iſt gnädig,
und der Sultan braucht es ſelber!“

Da durfte ich mich allerdings nicht darüber wun-
dern, daß das Wort Bakſchiſch für ihn eine nachhaltige
Bedeutung hatte.

Er führte uns nun in dem Hauſe herum. Es war
geräumig gebaut, aber doch auch bereits in Verfall ge-
raten. Wir nahmen uns vier Zimmer, eins für jeden
von uns und eins für Halef und den Baſchi-Bozuk. Der
Preis war gering, fünf Piaſter, alſo eine Mark pro
Woche für die Stube.

„Wollt ihr auch den Garten ſehen?“ fragte er dann.

„Natürlich! Iſt er ſchön?“

„Sehr ſchön; ſo ſchön, wie die Gärten des Para-
dieſes! Du ſiehſt da allerlei Bäume, Kräuter und Gräſer,

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[165/0179] Raki. Wir tranken aus den hühnerognoſtiſchen Pokalen, er aber ſetzte die Flaſche ſelbſt an den Mund und nahm ſie nicht eher wieder fort, bis er die beruhigende Ueber- zeugung hatte, daß das ſcharfe, ſchwefelſaure Getränk der Bouteille keinen chemiſchen Schaden mehr thun könne. Dann nahm er uns die Schalen aus der Hand, ſog das heraus, was wir noch drin gelaſſen hatten, und legte ſie ſehr behutſam auf den Boden nieder. „Kendim idſchad eter — meine eigne Erfindung!“ meinte er ſtolz. „Wundert ihr euch, daß ich keine Gläſer habe?“ „Du wirſt dieſe ſchöne Erfindung den Gläſern vor- ziehen,“ antwortete ich. „Ich ziehe ſie vor, weil ich keine Gläſer habe. Ich bin Agha der Albaneſen und habe als Sold und Taim monatlich dreihundertdreißig Piaſter *) zu bekommen; aber ich warte bereits ſeit elf Monaten auf dieſes Geld. Allah kerihm; Padiſchah kendiſi onu kullar — Gott iſt gnädig, und der Sultan braucht es ſelber!“ Da durfte ich mich allerdings nicht darüber wun- dern, daß das Wort Bakſchiſch für ihn eine nachhaltige Bedeutung hatte. Er führte uns nun in dem Hauſe herum. Es war geräumig gebaut, aber doch auch bereits in Verfall ge- raten. Wir nahmen uns vier Zimmer, eins für jeden von uns und eins für Halef und den Baſchi-Bozuk. Der Preis war gering, fünf Piaſter, alſo eine Mark pro Woche für die Stube. „Wollt ihr auch den Garten ſehen?“ fragte er dann. „Natürlich! Iſt er ſchön?“ „Sehr ſchön; ſo ſchön, wie die Gärten des Para- dieſes! Du ſiehſt da allerlei Bäume, Kräuter und Gräſer, *) 66 Mark.

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/179>, abgerufen am 28.11.2024.