"Ja, meine liebliche Mersina, du wirst die Meicha- nedscha *) dieser Männer sein und sie bedienen."
"Wirtin? Bedienen? Allah kerihm! Du bist wirk- lich verrückt geworden! Habe ich nicht bereits Tag und Nacht zu arbeiten, um nur mit dir allein fertig zu werden! Jage sie fort, fort auf der Stelle; das befehle ich dir!"
Er wurde ein wenig verlegen; das war ihm anzu- merken. Die "süße, liebliche" Mersinah schien hier ein sehr kräftiges Scepter zu führen.
"Deine Arbeit soll nicht größer werden, meine Taube. Ich werde ihnen eine Kyzla **)halten, die sie bedienen wird."
"Eine Kyzla?" fragte sie, und dabei klang ihre Stimme nicht mehr dumpf und hohl, sondern kreischend und über- schnappend, als ob der rosige Mund der lieblichen Taube sich in einen Klarinettenschnabel verwandelt hätte. "Eine Kyzla! Und wohl eine junge, hübsche Kyzla, he?"
"Das kommt auf diese Männer an, Mersina."
Sie stemmte die Arme in die Hüften, eine Bewegung, welche dem Oriente ebenso eigentümlich ist, wie dem Abend- lande, und holte tief Atem. Dies war ein Zeichen, daß sie einen bedeutenden Luftvorrat brauchen werde, um ihre angestammte Herrschaft mit dem notwendigen Nachdrucke verteidigen zu können.
"Auf diese Männer? Auf mich kommt das an! Hier bin ich Herrin! Hier habe ich allein zu befehlen! Hier habe ich zu bestimmen, was geschehen soll, und ich gebiete dir, diese Männer fortzujagen! Hörst du, Selim Agha? Fort, augenblicklich!"
"Aber es sind ja gar keine Männer, meine einzige Mersina!"
Mersinah, was im Deutschen Myrte bedeutet, wischte
*) Wirtin.
**) Mädchen, Dienerin.
„Ja, meine liebliche Merſina, du wirſt die Meicha- nedſcha *) dieſer Männer ſein und ſie bedienen.“
„Wirtin? Bedienen? Allah kerihm! Du biſt wirk- lich verrückt geworden! Habe ich nicht bereits Tag und Nacht zu arbeiten, um nur mit dir allein fertig zu werden! Jage ſie fort, fort auf der Stelle; das befehle ich dir!“
Er wurde ein wenig verlegen; das war ihm anzu- merken. Die „ſüße, liebliche“ Merſinah ſchien hier ein ſehr kräftiges Scepter zu führen.
„Deine Arbeit ſoll nicht größer werden, meine Taube. Ich werde ihnen eine Kyzla **)halten, die ſie bedienen wird.“
„Eine Kyzla?“ fragte ſie, und dabei klang ihre Stimme nicht mehr dumpf und hohl, ſondern kreiſchend und über- ſchnappend, als ob der roſige Mund der lieblichen Taube ſich in einen Klarinettenſchnabel verwandelt hätte. „Eine Kyzla! Und wohl eine junge, hübſche Kyzla, he?“
„Das kommt auf dieſe Männer an, Merſina.“
Sie ſtemmte die Arme in die Hüften, eine Bewegung, welche dem Oriente ebenſo eigentümlich iſt, wie dem Abend- lande, und holte tief Atem. Dies war ein Zeichen, daß ſie einen bedeutenden Luftvorrat brauchen werde, um ihre angeſtammte Herrſchaft mit dem notwendigen Nachdrucke verteidigen zu können.
„Auf dieſe Männer? Auf mich kommt das an! Hier bin ich Herrin! Hier habe ich allein zu befehlen! Hier habe ich zu beſtimmen, was geſchehen ſoll, und ich gebiete dir, dieſe Männer fortzujagen! Hörſt du, Selim Agha? Fort, augenblicklich!“
„Aber es ſind ja gar keine Männer, meine einzige Merſina!“
Merſinah, was im Deutſchen Myrte bedeutet, wiſchte
*) Wirtin.
**) Mädchen, Dienerin.
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„Ja, meine liebliche Merſina, du wirſt die Meicha-
nedſcha *) dieſer Männer ſein und ſie bedienen.“
„Wirtin? Bedienen? Allah kerihm! Du biſt wirk-
lich verrückt geworden! Habe ich nicht bereits Tag und
Nacht zu arbeiten, um nur mit dir allein fertig zu werden!
Jage ſie fort, fort auf der Stelle; das befehle ich dir!“
Er wurde ein wenig verlegen; das war ihm anzu-
merken. Die „ſüße, liebliche“ Merſinah ſchien hier ein
ſehr kräftiges Scepter zu führen.
„Deine Arbeit ſoll nicht größer werden, meine Taube.
Ich werde ihnen eine Kyzla **)halten, die ſie bedienen
wird.“
„Eine Kyzla?“ fragte ſie, und dabei klang ihre Stimme
nicht mehr dumpf und hohl, ſondern kreiſchend und über-
ſchnappend, als ob der roſige Mund der lieblichen Taube
ſich in einen Klarinettenſchnabel verwandelt hätte. „Eine
Kyzla! Und wohl eine junge, hübſche Kyzla, he?“
„Das kommt auf dieſe Männer an, Merſina.“
Sie ſtemmte die Arme in die Hüften, eine Bewegung,
welche dem Oriente ebenſo eigentümlich iſt, wie dem Abend-
lande, und holte tief Atem. Dies war ein Zeichen, daß
ſie einen bedeutenden Luftvorrat brauchen werde, um ihre
angeſtammte Herrſchaft mit dem notwendigen Nachdrucke
verteidigen zu können.
„Auf dieſe Männer? Auf mich kommt das an! Hier
bin ich Herrin! Hier habe ich allein zu befehlen! Hier
habe ich zu beſtimmen, was geſchehen ſoll, und ich gebiete
dir, dieſe Männer fortzujagen! Hörſt du, Selim Agha?
Fort, augenblicklich!“
„Aber es ſind ja gar keine Männer, meine einzige
Merſina!“
Merſinah, was im Deutſchen Myrte bedeutet, wiſchte
*) Wirtin.
**) Mädchen, Dienerin.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/176>, abgerufen am 27.11.2024.
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