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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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"Laß diesen Menschen! Er soll nicht die Ehre haben,
Gäste bei sich zu sehen, die ihm viel Backschisch bringen."

"Backschisch?" fragte der Tapfere. "Du giebst viel
Backschisch?"

"Ich pflege damit nicht zu geizen."

"Oh, so weiß ich ein Haus, in welchem du wohnen
und rauchen kannst, wie der Schah-in-Schah von Persien.
Soll ich dich führen?"

"Zeige es mir!"

Er wandte sich wieder um und schritt voran. Wir
folgten. Er führte uns durch einige leere Bazargassen,
bis wir vor einem kleinen offenen Platze hielten.

"Das ist der Meidan jüdschelikün, der ,Platz der
Größe'", erklärte er.

Dieser Platz hatte alle möglichen Eigenschaften, nur
groß war er nicht, und grad darum jedenfalls hatte man
ihm diesen hochtrabenden Namen gegeben. Daß ich mich
in einer türkischen Stadt befand, sah ich hier sehr genau;
denn es lungerten wohl an die zwanzig herrenlose Hunde
auf diesem Meidan jüdschelikün herum, unter denen mehrere
räudig waren. Bei dem Anblick meines Hundes erhoben
sie ein wütendes Geheul, dem aber Dojan, wie ein Pascha
einem Haufen von Bettlern gegenüber, keine Aufmerk-
samkeit schenkte.

"Und hier ist das Haus, welches ich meine," fügte
der Agha hinzu.

Er zeigte dabei auf ein Gebäude, das die ganze eine
Fronte des Platzes einnahm und gar kein übles Aus-
sehen hatte. Es zeigte nach vorn heraus mehrere Peng-
dscheri*), die mit hölzernen Gitterstäben versehen waren,
und um das platte Dach lief ein Schutzgeländer, gewiß
ein großer Luxus hier zu Lande.

*) Fenster.

„Laß dieſen Menſchen! Er ſoll nicht die Ehre haben,
Gäſte bei ſich zu ſehen, die ihm viel Backſchiſch bringen.“

„Backſchiſch?“ fragte der Tapfere. „Du giebſt viel
Backſchiſch?“

„Ich pflege damit nicht zu geizen.“

„Oh, ſo weiß ich ein Haus, in welchem du wohnen
und rauchen kannſt, wie der Schah-in-Schah von Perſien.
Soll ich dich führen?“

„Zeige es mir!“

Er wandte ſich wieder um und ſchritt voran. Wir
folgten. Er führte uns durch einige leere Bazargaſſen,
bis wir vor einem kleinen offenen Platze hielten.

„Das iſt der Meidan jüdſchelikün, der ‚Platz der
Größe‛“, erklärte er.

Dieſer Platz hatte alle möglichen Eigenſchaften, nur
groß war er nicht, und grad darum jedenfalls hatte man
ihm dieſen hochtrabenden Namen gegeben. Daß ich mich
in einer türkiſchen Stadt befand, ſah ich hier ſehr genau;
denn es lungerten wohl an die zwanzig herrenloſe Hunde
auf dieſem Meidan jüdſchelikün herum, unter denen mehrere
räudig waren. Bei dem Anblick meines Hundes erhoben
ſie ein wütendes Geheul, dem aber Dojan, wie ein Paſcha
einem Haufen von Bettlern gegenüber, keine Aufmerk-
ſamkeit ſchenkte.

„Und hier iſt das Haus, welches ich meine,“ fügte
der Agha hinzu.

Er zeigte dabei auf ein Gebäude, das die ganze eine
Fronte des Platzes einnahm und gar kein übles Aus-
ſehen hatte. Es zeigte nach vorn heraus mehrere Peng-
dſcheri*), die mit hölzernen Gitterſtäben verſehen waren,
und um das platte Dach lief ein Schutzgeländer, gewiß
ein großer Luxus hier zu Lande.

*) Fenſter.
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[160/0174] „Laß dieſen Menſchen! Er ſoll nicht die Ehre haben, Gäſte bei ſich zu ſehen, die ihm viel Backſchiſch bringen.“ „Backſchiſch?“ fragte der Tapfere. „Du giebſt viel Backſchiſch?“ „Ich pflege damit nicht zu geizen.“ „Oh, ſo weiß ich ein Haus, in welchem du wohnen und rauchen kannſt, wie der Schah-in-Schah von Perſien. Soll ich dich führen?“ „Zeige es mir!“ Er wandte ſich wieder um und ſchritt voran. Wir folgten. Er führte uns durch einige leere Bazargaſſen, bis wir vor einem kleinen offenen Platze hielten. „Das iſt der Meidan jüdſchelikün, der ‚Platz der Größe‛“, erklärte er. Dieſer Platz hatte alle möglichen Eigenſchaften, nur groß war er nicht, und grad darum jedenfalls hatte man ihm dieſen hochtrabenden Namen gegeben. Daß ich mich in einer türkiſchen Stadt befand, ſah ich hier ſehr genau; denn es lungerten wohl an die zwanzig herrenloſe Hunde auf dieſem Meidan jüdſchelikün herum, unter denen mehrere räudig waren. Bei dem Anblick meines Hundes erhoben ſie ein wütendes Geheul, dem aber Dojan, wie ein Paſcha einem Haufen von Bettlern gegenüber, keine Aufmerk- ſamkeit ſchenkte. „Und hier iſt das Haus, welches ich meine,“ fügte der Agha hinzu. Er zeigte dabei auf ein Gebäude, das die ganze eine Fronte des Platzes einnahm und gar kein übles Aus- ſehen hatte. Es zeigte nach vorn heraus mehrere Peng- dſcheri *), die mit hölzernen Gitterſtäben verſehen waren, und um das platte Dach lief ein Schutzgeländer, gewiß ein großer Luxus hier zu Lande. *) Fenſter.

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/174>, abgerufen am 27.11.2024.