Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

loppe und teils Geiferlatz. Zwischen diesem geheimnis-
vollen Toilettestück und dem Teppich guckte das Hemd
hervor -- aber, o süße Petersilie, ist dies Leinen oder
Mastrichter Sohlenleder? Giebt es denn im Zab kein
Wasser, traute Erretterin eines Emirs aus Germanistan?

Ganz anders wandelte Ingdscha nebenher. Ihr
dichtes, volles Haar hing in zwei Zöpfen weit über den
Rücken herab; auf dem Scheitel kokettierte ein kleines, in
Falten gelegtes türkisch-rotes Tuch; schneeweiße, weite
Frauenbeinkleider gingen bis zu niedlichen Smyrnaer
Stiefelchen herab; ein blaues, gelbbeschnürtes Baschi-
Bozukjäckchen reichte grad bis zu der Taille, und darüber
trug sie einen Saub *) von dünnem, blauen Baum-
wollenstoff.

Als sie näher kam und mich erblickte, färbten sich
die Wangen ihres bräunlichen Gesichtes dunkler. Meine
"Petersilie" aber kam sofort mit Siebenmeilenschritten
auf mich losgestiegen, legte die Arme über die Brust und
forcierte eine Verbeugung, die so tief ging, daß die
Spitzen ihrer Hüften fast über den wagrecht liegenden
Rücken emporragten.

"Sabahh 'l ker -- guten Morgen, Herr!" grüßte
sie. "Du wolltest uns heute sehen, hier sind wir!"

Das war eine militärisch kurze Meldung, ich ant-
wortete:

"Seid willkommen und tretet mit mir in das Haus.
Meine Gefährten sollen die Frauen kennen lernen, denen
ich meine Rettung verdanke."

"Herr," sagte Ingdscha, "du hast uns einen Boten
gesandt; wir danken dir, denn wir waren wirklich in
Sorgen."

"Hast du deinen Vater bereits gesehen?"

*) Weites Obergewand, das von den Schultern bis zum Knöchel reicht.

loppe und teils Geiferlatz. Zwiſchen dieſem geheimnis-
vollen Toiletteſtück und dem Teppich guckte das Hemd
hervor — aber, o ſüße Peterſilie, iſt dies Leinen oder
Maſtrichter Sohlenleder? Giebt es denn im Zab kein
Waſſer, traute Erretterin eines Emirs aus Germaniſtan?

Ganz anders wandelte Ingdſcha nebenher. Ihr
dichtes, volles Haar hing in zwei Zöpfen weit über den
Rücken herab; auf dem Scheitel kokettierte ein kleines, in
Falten gelegtes türkiſch-rotes Tuch; ſchneeweiße, weite
Frauenbeinkleider gingen bis zu niedlichen Smyrnaer
Stiefelchen herab; ein blaues, gelbbeſchnürtes Baſchi-
Bozukjäckchen reichte grad bis zu der Taille, und darüber
trug ſie einen Saub *) von dünnem, blauen Baum-
wollenſtoff.

Als ſie näher kam und mich erblickte, färbten ſich
die Wangen ihres bräunlichen Geſichtes dunkler. Meine
„Peterſilie“ aber kam ſofort mit Siebenmeilenſchritten
auf mich losgeſtiegen, legte die Arme über die Bruſt und
forcierte eine Verbeugung, die ſo tief ging, daß die
Spitzen ihrer Hüften faſt über den wagrecht liegenden
Rücken emporragten.

„Sabahh 'l ker — guten Morgen, Herr!“ grüßte
ſie. „Du wollteſt uns heute ſehen, hier ſind wir!“

Das war eine militäriſch kurze Meldung, ich ant-
wortete:

„Seid willkommen und tretet mit mir in das Haus.
Meine Gefährten ſollen die Frauen kennen lernen, denen
ich meine Rettung verdanke.“

„Herr,“ ſagte Ingdſcha, „du haſt uns einen Boten
geſandt; wir danken dir, denn wir waren wirklich in
Sorgen.“

„Haſt du deinen Vater bereits geſehen?“

*) Weites Obergewand, das von den Schultern bis zum Knöchel reicht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0640" n="626"/>
loppe und teils Geiferlatz. Zwi&#x017F;chen die&#x017F;em geheimnis-<lb/>
vollen Toilette&#x017F;tück und dem Teppich guckte das Hemd<lb/>
hervor &#x2014; aber, o &#x017F;üße Peter&#x017F;ilie, i&#x017F;t dies Leinen oder<lb/>
Ma&#x017F;trichter Sohlenleder? Giebt es denn im Zab kein<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er, traute Erretterin eines Emirs aus Germani&#x017F;tan?</p><lb/>
        <p>Ganz anders wandelte Ingd&#x017F;cha nebenher. Ihr<lb/>
dichtes, volles Haar hing in zwei Zöpfen weit über den<lb/>
Rücken herab; auf dem Scheitel kokettierte ein kleines, in<lb/>
Falten gelegtes türki&#x017F;ch-rotes Tuch; &#x017F;chneeweiße, weite<lb/>
Frauenbeinkleider gingen bis zu niedlichen Smyrnaer<lb/>
Stiefelchen herab; ein blaues, gelbbe&#x017F;chnürtes Ba&#x017F;chi-<lb/>
Bozukjäckchen reichte grad bis zu der Taille, und darüber<lb/>
trug &#x017F;ie einen Saub <note place="foot" n="*)">Weites Obergewand, das von den Schultern bis zum Knöchel reicht.</note> von dünnem, blauen Baum-<lb/>
wollen&#x017F;toff.</p><lb/>
        <p>Als &#x017F;ie näher kam und mich erblickte, färbten &#x017F;ich<lb/>
die Wangen ihres bräunlichen Ge&#x017F;ichtes dunkler. Meine<lb/>
&#x201E;Peter&#x017F;ilie&#x201C; aber kam &#x017F;ofort mit Siebenmeilen&#x017F;chritten<lb/>
auf mich losge&#x017F;tiegen, legte die Arme über die Bru&#x017F;t und<lb/>
forcierte eine Verbeugung, die &#x017F;o tief ging, daß die<lb/>
Spitzen ihrer Hüften fa&#x017F;t über den wagrecht liegenden<lb/>
Rücken emporragten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sabahh 'l ker &#x2014; guten Morgen, Herr!&#x201C; grüßte<lb/>
&#x017F;ie. &#x201E;Du wollte&#x017F;t uns heute &#x017F;ehen, hier &#x017F;ind wir!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das war eine militäri&#x017F;ch kurze Meldung, ich ant-<lb/>
wortete:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Seid willkommen und tretet mit mir in das Haus.<lb/>
Meine Gefährten &#x017F;ollen die Frauen kennen lernen, denen<lb/>
ich meine Rettung verdanke.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr,&#x201C; &#x017F;agte Ingd&#x017F;cha, &#x201E;du ha&#x017F;t uns einen Boten<lb/>
ge&#x017F;andt; wir danken dir, denn wir waren wirklich in<lb/>
Sorgen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ha&#x017F;t du deinen Vater bereits ge&#x017F;ehen?&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[626/0640] loppe und teils Geiferlatz. Zwiſchen dieſem geheimnis- vollen Toiletteſtück und dem Teppich guckte das Hemd hervor — aber, o ſüße Peterſilie, iſt dies Leinen oder Maſtrichter Sohlenleder? Giebt es denn im Zab kein Waſſer, traute Erretterin eines Emirs aus Germaniſtan? Ganz anders wandelte Ingdſcha nebenher. Ihr dichtes, volles Haar hing in zwei Zöpfen weit über den Rücken herab; auf dem Scheitel kokettierte ein kleines, in Falten gelegtes türkiſch-rotes Tuch; ſchneeweiße, weite Frauenbeinkleider gingen bis zu niedlichen Smyrnaer Stiefelchen herab; ein blaues, gelbbeſchnürtes Baſchi- Bozukjäckchen reichte grad bis zu der Taille, und darüber trug ſie einen Saub *) von dünnem, blauen Baum- wollenſtoff. Als ſie näher kam und mich erblickte, färbten ſich die Wangen ihres bräunlichen Geſichtes dunkler. Meine „Peterſilie“ aber kam ſofort mit Siebenmeilenſchritten auf mich losgeſtiegen, legte die Arme über die Bruſt und forcierte eine Verbeugung, die ſo tief ging, daß die Spitzen ihrer Hüften faſt über den wagrecht liegenden Rücken emporragten. „Sabahh 'l ker — guten Morgen, Herr!“ grüßte ſie. „Du wollteſt uns heute ſehen, hier ſind wir!“ Das war eine militäriſch kurze Meldung, ich ant- wortete: „Seid willkommen und tretet mit mir in das Haus. Meine Gefährten ſollen die Frauen kennen lernen, denen ich meine Rettung verdanke.“ „Herr,“ ſagte Ingdſcha, „du haſt uns einen Boten geſandt; wir danken dir, denn wir waren wirklich in Sorgen.“ „Haſt du deinen Vater bereits geſehen?“ *) Weites Obergewand, das von den Schultern bis zum Knöchel reicht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/640
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/640>, abgerufen am 27.12.2024.