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Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.

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Achtes Buch. Stifftung des Gothischen,

XIX. Arcadius war A. 408. den 1 Mai gestorben, und sein Sohn
Stiliconis
Fall: der Hof
will den Ver-
gleich mit den
Gothen nicht
halten.
Theodosius, der seit A. 402. den Käiserlichen Titel führete, nur 8 Jahr
alt, deßwegen Honorius, dem die Vormundschafft zu führen zukam, in den
Orient ziehen und die Regierung einrichten wollte. Aber Stilico stellte die
Beschwerlichkeit, und die grossen Unkosten vor, die unvermeidlich wären,
wenn der Hof solche Reise thäte; und wie unsicher es wäre, Jtalien zu ver-
lassen, da auf der einen Seite Constantinus zu Arles, und an der andern
Gräntze, Alaricus stünde. Es wurde also beliebet, daß der Käiser ihn in den
Orient, den Hof des jungen Käisers zu bestellen, schicken, und hingegen Ala-
ricum
gegen Constantinum brauchen sollte. Honorius brach im Mai von
Rom auf, und begab sich über Ravenna und Bologna zur Armee, die bey Pa-
via stund; Stilico aber blieb zu Bologna zurücke, um Anstalt zur vorhaben-
den Reise zu machen. Er hatte den höchsten Gipffel des Glückes, der nächst
Cron und Zepter seyn kan, erreichet. Er hatte des grossen Theodosii Bru-
ders Tochter, Serenam zur Ehe; war zweymahl consul gewesen, und hatte
das Commando von der gantzen Armee. Honorius, den er erzogen, hatte
sich kurtz vorher mit seiner andern Tochter, Thermantia, vermählet, nachdem
die erste, Maria, gestorben war; und wenn man clavdiano 1 trauen
darff, stand es darauf, daß er seinen Sohn, Eucherium, mit des Käisers
Schwester, Placidia, vermählen konte. Das große Vertrauen, so Theodo-
sius
in ihn gesetzet, und das Ansehen, damit er bisher das Römische Reich ver-
waltet, erwecken bey der Nachwelt desto mehr Achtung für seine Verdienste,
je schwerer es ihm sonst, als einem Fremden, (immassen er von Vandalischer
Abkunfft gewesen 2,) sich so hoch zu schwingen, fallen müssen. Allein eben die
3
4

Vortheile
[Beginn Spaltensatz] tum ibi temporis contriuisset. Atque haec dicens
Stelicho, simul & epistolam principis ostendit, &
culpam in Serenam confert; quae amborum prin-
cipum concordiam sartam tectam seruari uoluisset.
Quapropter omnibus aequa dicere uiso Stelichone,
senatui placuit, Alarico quatuor librarum millia
pacis nomine solui; quum plures id senatuscon-
sultum non sponte, sed metu Stelichonis fecissent.
Adeoque Lampadius, genere dignitateque prae-
stans, quum uerbum hoc lingua patria protulisset,
non est ista pax, sed pactio seruitutis, dimisso se-
natu, ne quid sibi propter hanc libertatem acci-
deret ueritus, ad proximam quandam Christiano-
rum ecclesiam aufugit.
1 §. XIX. 1. clavdianvs Lib. II. de laud.
Stiliconis u.
360-366.
2 hieronymvs nennet ihn daher, in der
beym §. XVI. not. 1. angeführten Stelle, semibar-
barum. orosivs
aber rechnet ihn ausdrücklich
zu den Vandalen: Lib. VII. c. 38. Interea comes
Stilico, Vandalorum, imbellis, auarae, perfidae
[Spaltenumbruch] & dolosae gentis genere editas, &c.
clavdi-
anvs
rühmet von seinem Vater, daß er unterm
Käiser Valens, ein Heer fremder Völcker, (so ver-
muthlich Vandalen gewesen,) geführet: de laudi-
bus Stiliconis Lib. I. u. 38. seq.
- - - quid facta reuoluam
Militiamque patris? cuius protendere famam
Si nihil egisset clarum, nec fida Valenti
Dextera duxisset rutilantes crinibus alas,
Sufficeret natus Stilico.

Es scheinet, daß man nachmahls, als Stilico es so
hoch gebracht, ihn aus Königlichem Geblüte ablei-
ten wollen. clavdianvs sagt von seinem
Sohne de VI. cons. Honorii u. 552.
Eucherius, cui regius VNDIQVE sanguis.
3 S. von ihm tillemont p. 1211.
4 zosimvs Lib. V. c. 34. Olympius uero,
principis animo suam in potestatem redacto, lit-
teras ad milites Rauennates imperatorias mittit:
quae Stiliconem adprehensum in libera custodia
detineri iuberent. Ea re cognita, Stilico, uici-

[Ende Spaltensatz]
nam
Achtes Buch. Stifftung des Gothiſchen,

XIX. Arcadius war A. 408. den 1 Mai geſtorben, und ſein Sohn
Stiliconis
Fall: der Hof
will den Ver-
gleich mit den
Gothen nicht
halten.
Theodoſius, der ſeit A. 402. den Kaͤiſerlichen Titel fuͤhrete, nur 8 Jahr
alt, deßwegen Honorius, dem die Vormundſchafft zu fuͤhren zukam, in den
Orient ziehen und die Regierung einrichten wollte. Aber Stilico ſtellte die
Beſchwerlichkeit, und die groſſen Unkoſten vor, die unvermeidlich waͤren,
wenn der Hof ſolche Reiſe thaͤte; und wie unſicher es waͤre, Jtalien zu ver-
laſſen, da auf der einen Seite Conſtantinus zu Arles, und an der andern
Graͤntze, Alaricus ſtuͤnde. Es wurde alſo beliebet, daß der Kaͤiſer ihn in den
Orient, den Hof des jungen Kaͤiſers zu beſtellen, ſchicken, und hingegen Ala-
ricum
gegen Conſtantinum brauchen ſollte. Honorius brach im Mai von
Rom auf, und begab ſich uͤber Ravenna und Bologna zur Armee, die bey Pa-
via ſtund; Stilico aber blieb zu Bologna zuruͤcke, um Anſtalt zur vorhaben-
den Reiſe zu machen. Er hatte den hoͤchſten Gipffel des Gluͤckes, der naͤchſt
Cron und Zepter ſeyn kan, erreichet. Er hatte des groſſen Theodoſii Bru-
ders Tochter, Serenam zur Ehe; war zweymahl conſul geweſen, und hatte
das Commando von der gantzen Armee. Honorius, den er erzogen, hatte
ſich kurtz vorher mit ſeiner andern Tochter, Thermantia, vermaͤhlet, nachdem
die erſte, Maria, geſtorben war; und wenn man clavdiano 1 trauen
darff, ſtand es darauf, daß er ſeinen Sohn, Eucherium, mit des Kaͤiſers
Schweſter, Placidia, vermaͤhlen konte. Das große Vertrauen, ſo Theodo-
ſius
in ihn geſetzet, und das Anſehen, damit er bisher das Roͤmiſche Reich ver-
waltet, erwecken bey der Nachwelt deſto mehr Achtung fuͤr ſeine Verdienſte,
je ſchwerer es ihm ſonſt, als einem Fremden, (immaſſen er von Vandaliſcher
Abkunfft geweſen 2,) ſich ſo hoch zu ſchwingen, fallen muͤſſen. Allein eben die
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Vortheile
[Beginn Spaltensatz] tum ibi temporis contriuiſſet. Atque haec dicens
Stelicho, ſimul & epiſtolam principis oſtendit, &
culpam in Serenam confert; quae amborum prin-
cipum concordiam ſartam tectam ſeruari uoluiſſet.
Quapropter omnibus aequa dicere uiſo Stelichone,
ſenatui placuit, Alarico quatuor librarum millia
pacis nomine ſolui; quum plures id ſenatuscon-
ſultum non ſponte, ſed metu Stelichonis feciſſent.
Adeoque Lampadius, genere dignitateque prae-
ſtans, quum uerbum hoc lingua patria protuliſſet,
non eſt iſta pax, ſed pactio ſeruitutis, dimiſſo ſe-
natu, ne quid ſibi propter hanc libertatem acci-
deret ueritus, ad proximam quandam Chriſtiano-
rum eccleſiam aufugit.
1 §. XIX. 1. clavdianvs Lib. II. de laud.
Stiliconis u.
360-366.
2 hieronymvs nennet ihn daher, in der
beym §. XVI. not. 1. angefuͤhrten Stelle, ſemibar-
barum. orosivs
aber rechnet ihn ausdruͤcklich
zu den Vandalen: Lib. VII. c. 38. Interea comes
Stilico, Vandalorum, imbellis, auarae, perfidae
[Spaltenumbruch] & doloſae gentis genere editas, &c.
clavdi-
anvs
ruͤhmet von ſeinem Vater, daß er unterm
Kaͤiſer Valens, ein Heer fremder Voͤlcker, (ſo ver-
muthlich Vandalen geweſen,) gefuͤhret: de laudi-
bus Stiliconis Lib. I. u. 38. ſeq.
‒ ‒ ‒ quid facta reuoluam
Militiamque patris? cuius protendere famam
Si nihil egiſſet clarum, nec fida Valenti
Dextera duxiſſet rutilantes crinibus alas,
Sufficeret natus Stilico.

Es ſcheinet, daß man nachmahls, als Stilico es ſo
hoch gebracht, ihn aus Koͤniglichem Gebluͤte ablei-
ten wollen. clavdianvs ſagt von ſeinem
Sohne de VI. conſ. Honorii u. 552.
Eucherius, cui regius VNDIQVE ſanguis.
3 S. von ihm tillemont p. 1211.
4 zosimvs Lib. V. c. 34. Olympius uero,
principis animo ſuam in poteſtatem redacto, lit-
teras ad milites Rauennates imperatorias mittit:
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[352/0386] Achtes Buch. Stifftung des Gothiſchen, XIX. Arcadius war A. 408. den 1 Mai geſtorben, und ſein Sohn Theodoſius, der ſeit A. 402. den Kaͤiſerlichen Titel fuͤhrete, nur 8 Jahr alt, deßwegen Honorius, dem die Vormundſchafft zu fuͤhren zukam, in den Orient ziehen und die Regierung einrichten wollte. Aber Stilico ſtellte die Beſchwerlichkeit, und die groſſen Unkoſten vor, die unvermeidlich waͤren, wenn der Hof ſolche Reiſe thaͤte; und wie unſicher es waͤre, Jtalien zu ver- laſſen, da auf der einen Seite Conſtantinus zu Arles, und an der andern Graͤntze, Alaricus ſtuͤnde. Es wurde alſo beliebet, daß der Kaͤiſer ihn in den Orient, den Hof des jungen Kaͤiſers zu beſtellen, ſchicken, und hingegen Ala- ricum gegen Conſtantinum brauchen ſollte. Honorius brach im Mai von Rom auf, und begab ſich uͤber Ravenna und Bologna zur Armee, die bey Pa- via ſtund; Stilico aber blieb zu Bologna zuruͤcke, um Anſtalt zur vorhaben- den Reiſe zu machen. Er hatte den hoͤchſten Gipffel des Gluͤckes, der naͤchſt Cron und Zepter ſeyn kan, erreichet. Er hatte des groſſen Theodoſii Bru- ders Tochter, Serenam zur Ehe; war zweymahl conſul geweſen, und hatte das Commando von der gantzen Armee. Honorius, den er erzogen, hatte ſich kurtz vorher mit ſeiner andern Tochter, Thermantia, vermaͤhlet, nachdem die erſte, Maria, geſtorben war; und wenn man clavdiano 1 trauen darff, ſtand es darauf, daß er ſeinen Sohn, Eucherium, mit des Kaͤiſers Schweſter, Placidia, vermaͤhlen konte. Das große Vertrauen, ſo Theodo- ſius in ihn geſetzet, und das Anſehen, damit er bisher das Roͤmiſche Reich ver- waltet, erwecken bey der Nachwelt deſto mehr Achtung fuͤr ſeine Verdienſte, je ſchwerer es ihm ſonſt, als einem Fremden, (immaſſen er von Vandaliſcher Abkunfft geweſen 2,) ſich ſo hoch zu ſchwingen, fallen muͤſſen. Allein eben die Vortheile 1 3 4 Stiliconis Fall: der Hof will den Ver- gleich mit den Gothen nicht halten. 1 §. XIX. 1. clavdianvs Lib. II. de laud. Stiliconis u. 360-366. 2 hieronymvs nennet ihn daher, in der beym §. XVI. not. 1. angefuͤhrten Stelle, ſemibar- barum. orosivs aber rechnet ihn ausdruͤcklich zu den Vandalen: Lib. VII. c. 38. Interea comes Stilico, Vandalorum, imbellis, auarae, perfidae & doloſae gentis genere editas, &c. clavdi- anvs ruͤhmet von ſeinem Vater, daß er unterm Kaͤiſer Valens, ein Heer fremder Voͤlcker, (ſo ver- muthlich Vandalen geweſen,) gefuͤhret: de laudi- bus Stiliconis Lib. I. u. 38. ſeq. ‒ ‒ ‒ quid facta reuoluam Militiamque patris? cuius protendere famam Si nihil egiſſet clarum, nec fida Valenti Dextera duxiſſet rutilantes crinibus alas, Sufficeret natus Stilico. Es ſcheinet, daß man nachmahls, als Stilico es ſo hoch gebracht, ihn aus Koͤniglichem Gebluͤte ablei- ten wollen. clavdianvs ſagt von ſeinem Sohne de VI. conſ. Honorii u. 552. Eucherius, cui regius VNDIQVE ſanguis. 1 tum ibi temporis contriuiſſet. Atque haec dicens Stelicho, ſimul & epiſtolam principis oſtendit, & culpam in Serenam confert; quae amborum prin- cipum concordiam ſartam tectam ſeruari uoluiſſet. Quapropter omnibus aequa dicere uiſo Stelichone, ſenatui placuit, Alarico quatuor librarum millia pacis nomine ſolui; quum plures id ſenatuscon- ſultum non ſponte, ſed metu Stelichonis feciſſent. Adeoque Lampadius, genere dignitateque prae- ſtans, quum uerbum hoc lingua patria protuliſſet, non eſt iſta pax, ſed pactio ſeruitutis, dimiſſo ſe- natu, ne quid ſibi propter hanc libertatem acci- deret ueritus, ad proximam quandam Chriſtiano- rum eccleſiam aufugit. 3 S. von ihm tillemont p. 1211. 4 zosimvs Lib. V. c. 34. Olympius uero, principis animo ſuam in poteſtatem redacto, lit- teras ad milites Rauennates imperatorias mittit: quae Stiliconem adprehenſum in libera cuſtodia detineri iuberent. Ea re cognita, Stilico, uici- nam

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Zitationshilfe: Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726/386>, abgerufen am 22.11.2024.