Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.Vorrede. größten Begebenheiten bey den Alten nur mit wenigWorten angezeiget sind, so habe ihnen kein anderes Licht gegeben, als was aus der Zusammenfügung, und Gegeneinanderhaltung aller Umstände, die nur auszufinden gewesen, entspringen können. Jch habe mich um so viel sorgfältiger gehütet, nicht etwan an statt der Historie einen Roman zu machen, ie unvermerckter es hätte geschehen können. Es haben sich nicht allein, viel Neuere dergleichen Freyheit genommen, sondern es findet sich schon in den alten Historien der Sachsen und Francken viel Abendtheuer. Man sahe in den unwissenden Zeiten dergleichen Schreib-Art, als eine Kunst den Leser durch Verwunderung aufmerck- sam zu machen, an; und es dorffte einer erzehlen, was er nur wolte, so fanden sich Leute, die, weil sie noch weni- ger Fähigkeit nachzudencken hatten, es willig glaubeten. Wenn die Connexion sich nicht von selbst ergeben, habe lieber in der Erzehlung die Ecken etwas herfür ragen lassen, als die Umstände, in welchen sie sich gleichsam verliehren möchten, erdencken wollen. Man muß gar vieles hier eben so ansehen, wie in der Mahlerey die entferneten Sachen vorgestellet werden. Hergegen sind offt eintzele Begebenheiten, und wohl kleine Um- stände, die ein Historicus, der mehr Materie hat, viel- leicht ** 3
Vorrede. groͤßten Begebenheiten bey den Alten nur mit wenigWorten angezeiget ſind, ſo habe ihnen kein anderes Licht gegeben, als was aus der Zuſammenfuͤgung, und Gegeneinanderhaltung aller Umſtaͤnde, die nur auszufinden geweſen, entſpringen koͤnnen. Jch habe mich um ſo viel ſorgfaͤltiger gehuͤtet, nicht etwan an ſtatt der Hiſtorie einen Roman zu machen, ie unvermerckter es haͤtte geſchehen koͤnnen. Es haben ſich nicht allein, viel Neuere dergleichen Freyheit genommen, ſondern es findet ſich ſchon in den alten Hiſtorien der Sachſen und Francken viel Abendtheuer. Man ſahe in den unwiſſenden Zeiten dergleichen Schreib-Art, als eine Kunſt den Leſer durch Verwunderung aufmerck- ſam zu machen, an; und es dorffte einer erzehlen, was er nur wolte, ſo fanden ſich Leute, die, weil ſie noch weni- ger Faͤhigkeit nachzudencken hatten, es willig glaubeten. Wenn die Connexion ſich nicht von ſelbſt ergeben, habe lieber in der Erzehlung die Ecken etwas herfuͤr ragen laſſen, als die Umſtaͤnde, in welchen ſie ſich gleichſam verliehren moͤchten, erdencken wollen. Man muß gar vieles hier eben ſo anſehen, wie in der Mahlerey die entferneten Sachen vorgeſtellet werden. Hergegen ſind offt eintzele Begebenheiten, und wohl kleine Um- ſtaͤnde, die ein Hiſtoricus, der mehr Materie hat, viel- leicht ** 3
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Vorrede.
groͤßten Begebenheiten bey den Alten nur mit wenig
Worten angezeiget ſind, ſo habe ihnen kein anderes
Licht gegeben, als was aus der Zuſammenfuͤgung,
und Gegeneinanderhaltung aller Umſtaͤnde, die nur
auszufinden geweſen, entſpringen koͤnnen. Jch habe
mich um ſo viel ſorgfaͤltiger gehuͤtet, nicht etwan an ſtatt
der Hiſtorie einen Roman zu machen, ie unvermerckter
es haͤtte geſchehen koͤnnen. Es haben ſich nicht allein,
viel Neuere dergleichen Freyheit genommen, ſondern
es findet ſich ſchon in den alten Hiſtorien der Sachſen
und Francken viel Abendtheuer. Man ſahe in den
unwiſſenden Zeiten dergleichen Schreib-Art, als
eine Kunſt den Leſer durch Verwunderung aufmerck-
ſam zu machen, an; und es dorffte einer erzehlen, was er
nur wolte, ſo fanden ſich Leute, die, weil ſie noch weni-
ger Faͤhigkeit nachzudencken hatten, es willig glaubeten.
Wenn die Connexion ſich nicht von ſelbſt ergeben, habe
lieber in der Erzehlung die Ecken etwas herfuͤr ragen
laſſen, als die Umſtaͤnde, in welchen ſie ſich gleichſam
verliehren moͤchten, erdencken wollen. Man muß gar
vieles hier eben ſo anſehen, wie in der Mahlerey die
entferneten Sachen vorgeſtellet werden. Hergegen
ſind offt eintzele Begebenheiten, und wohl kleine Um-
ſtaͤnde, die ein Hiſtoricus, der mehr Materie hat, viel-
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