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Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.

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Viertes Buch. Geschichte der Teutschen
die Rheinischen Legionen sich lencken würden. Verginius Rufus commandirete in
Ober-Germanien, Fonteius Capito am Nieder-Rheine. Der erste war der Unruhe
am nächsten, und wollte nicht geschehen lassen, daß die Verhängnisse des Römi-
chen Reichs in der Gallier Händen stehen sollten. Er zog also wieder Vindicem
aus, und als unterwegens die Haupt-Stadt unter den Sequanis, Besancon,
die Thore für ihm sperrete, belagerte er sie. Vindex kam sie zu entsetzen: und da
wurden Anfangs unter beyden Häuptern allerhand Tractaten schrifftlich fürge-
nommen, bis sie sich endlich persöhnlich mit einander in geheim besprachen, da Ver-
ginius Rufus,
wie man ihn nachmahls in Verdacht gehabt, sich zu einer Verän-
derung nicht ungeneigt soll bezeuget haben. Es kam aber dem ungeachtet, ohne
daß es die beyden Heerführer verhindern können, zwischen beyden Armeen zur
Schlacht, und die Legionen fochten mit solcher Wuth, daß 20000 Gallier auf dem
Platze geblieben4. Welcher unglückliche Anfang Vindicem dergestalt bestürtzete,
daß er sich, für Unmuth, selbst das Leben nahm5.

XXXVII. Es endigte sich aber deswegen der Aufstand nicht. Vindex
Sulpitius
Galba
wirfft
sich in Spani-
en zum Käiser
auf.
hatte wohl erkannt, daß er, um die Römer zu bewegen, einen Römer vorschieben mü-
ste, und sich mit Sulpitio Galba eingelassen, der in Spanien commandirete, und
durchgehends gerühmet ward, daß er alle Eigenschafften, die zum Regiment er-
fordert werden, besässe. Galba erklärete sich öffentlich wie der Neronem, woll-
te aber nicht den Namen Caesar annehmen, sondern nennete sich legatum S. P. Q.
Romani.
Gantz Spanien fiel ihm begierig zu, und insonderheit M. Salvius
Otho,
Landpfleger von Lusitanien, der all sein Silbergeschirre zu Galbae Dien-
sten in die Müntze gab. Die Ober-Rheinische Armee, die aus drey Legionen be-
stund, fiel fast um eben die Zeit ab. Die Soldaten rissen Neronis Bildniß
von ihren Heerzeichen, und traten sie mit Füssen. Sie hatten aber auch wenig Lust zu
Galba, weil es zu geringe schien, daß sich eine Legion das Käiserthum zu vergeben
unterstehen wollen; und trugen es Verginio an. Dieser aber wegerte sich bestän-
dig, und vermochte mit vieler Mühe die Soldaten, den Ausschlag vom Rathe zu er-
warten: entweder weil er würcklich nicht so viel Ehrgeitz hatte, das Käiserthum
an sich zu reissen, oder weil er hoffete, daß er es schon noch selbst mit Zuthun des
Raths, dem diese Ehrerbietung nothwendig gefallen müste, erhalten könne.*

XXXIIX. Nero hatte die erste Nachricht von Vindicis Aufruhre zu Nea-
Und wird nach
Neronis To-
de in Rom da-
für erkannt.
+ circa d. XX.
Mart.
polis gekriegt +, und ihn so geringe gehalten, daß ihm nichts in der Schrifft, dadurch
Vindex seine Waffen rechtfertigen wollen, so empfindlich gefallen, als daß
er seiner eingebildeten Vortrefflichkeit in der Music gespottet. Als er aber in Rom,
auch die Nachricht aus Spanien, von Galbae Abfalle bekommen, fing er an zu ei-

nem
4 [Beginn Spaltensatz] dio L. LXIII. p. 725. D. Quumque Vindex
eo animo esset, Rufus, qui Germaniam obtinebat, in-
de profectus est, ut Vindici bellum inferret. Is post-
quam Vesontionem uenit, coepit eam urbem obsidere,
quod ab ea non fuisset exceptus. Vindex ad opem
urbi ferendam contendit, nec procul castra posuit.
Tandem ambo, missis ad se litteris, in colloquium soli
[Spaltenumbruch] uenerunt, remotis arbitris. Ibi suspicio fuit, eos
una contra Neronem coniurasse. Post haec Vindex
properat cum exercitu, quasi statuisset urbem cape-
re, quorum aduentum ubi cognoscunt milites Rufi,
rati, eos aperte contra se uenire, iniussi impetum fa-
ciunt, imparatosque, & parum instructos, inuadunt,
ac postremo magnum numerum eorum concidunt.

[Ende Spaltensatz]
5. plv-
5
*

Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen
die Rheiniſchen Legionen ſich lencken wuͤrden. Verginius Rufus commandirete in
Ober-Germanien, Fonteius Capito am Nieder-Rheine. Der erſte war der Unꝛuhe
am naͤchſten, und wollte nicht geſchehen laſſen, daß die Verhaͤngniſſe des Roͤmi-
chen Reichs in der Gallier Haͤnden ſtehen ſollten. Er zog alſo wieder Vindicem
aus, und als unterwegens die Haupt-Stadt unter den Sequanis, Beſançon,
die Thore fuͤr ihm ſperrete, belagerte er ſie. Vindex kam ſie zu entſetzen: und da
wurden Anfangs unter beyden Haͤuptern allerhand Tractaten ſchrifftlich fuͤrge-
nommen, bis ſie ſich endlich perſoͤhnlich mit einander in geheim beſprachen, da Ver-
ginius Rufus,
wie man ihn nachmahls in Verdacht gehabt, ſich zu einer Veraͤn-
derung nicht ungeneigt ſoll bezeuget haben. Es kam aber dem ungeachtet, ohne
daß es die beyden Heerfuͤhrer verhindern koͤnnen, zwiſchen beyden Armeen zur
Schlacht, und die Legionen fochten mit ſolcher Wuth, daß 20000 Gallier auf dem
Platze geblieben4. Welcher ungluͤckliche Anfang Vindicem dergeſtalt beſtuͤrtzete,
daß er ſich, fuͤr Unmuth, ſelbſt das Leben nahm5.

XXXVII. Es endigte ſich aber deswegen der Aufſtand nicht. Vindex
Sulpitius
Galba
wirfft
ſich in Spani-
en zum Kaͤiſer
auf.
hatte wohl erkannt, daß er, um die Roͤmer zu bewegen, einen Roͤmer vorſchieben muͤ-
ſte, und ſich mit Sulpitio Galba eingelaſſen, der in Spanien commandirete, und
durchgehends geruͤhmet ward, daß er alle Eigenſchafften, die zum Regiment er-
fordert werden, beſaͤſſe. Galba erklaͤrete ſich oͤffentlich wie der Neronem, woll-
te aber nicht den Namen Caeſar annehmen, ſondern nennete ſich legatum S. P. Q.
Romani.
Gantz Spanien fiel ihm begierig zu, und inſonderheit M. Salvius
Otho,
Landpfleger von Luſitanien, der all ſein Silbergeſchirre zu Galbae Dien-
ſten in die Muͤntze gab. Die Ober-Rheiniſche Armee, die aus drey Legionen be-
ſtund, fiel faſt um eben die Zeit ab. Die Soldaten riſſen Neronis Bildniß
von ihren Heerzeichen, und traten ſie mit Fuͤſſen. Sie hatten aber auch wenig Luſt zu
Galba, weil es zu geringe ſchien, daß ſich eine Legion das Kaͤiſerthum zu vergeben
unterſtehen wollen; und trugen es Verginio an. Dieſer aber wegerte ſich beſtaͤn-
dig, und vermochte mit vieler Muͤhe die Soldaten, den Ausſchlag vom Rathe zu er-
warten: entweder weil er wuͤrcklich nicht ſo viel Ehrgeitz hatte, das Kaͤiſerthum
an ſich zu reiſſen, oder weil er hoffete, daß er es ſchon noch ſelbſt mit Zuthun des
Raths, dem dieſe Ehrerbietung nothwendig gefallen muͤſte, erhalten koͤnne.*

XXXIIX. Nero hatte die erſte Nachricht von Vindicis Aufruhre zu Nea-
Und wiꝛd nach
Neronis To-
de in Rom da-
fuͤr erkannt.
circa d. XX.
Mart.
polis gekriegt †, und ihn ſo geringe gehalten, daß ihm nichts in der Schrifft, dadurch
Vindex ſeine Waffen rechtfertigen wollen, ſo empfindlich gefallen, als daß
er ſeiner eingebildeten Vortrefflichkeit in der Muſic geſpottet. Als er aber in Rom,
auch die Nachricht aus Spanien, von Galbae Abfalle bekommen, fing er an zu ei-

nem
4 [Beginn Spaltensatz] dio L. LXIII. p. 725. D. Quumque Vindex
eo animo eſſet, Rufus, qui Germaniam obtinebat, in-
de profectus eſt, ut Vindici bellum inferret. Is poſt-
quam Veſontionem uenit, coepit eam urbem obſidere,
quod ab ea non fuiſſet exceptus. Vindex ad opem
urbi ferendam contendit, nec procul caſtra poſuit.
Tandem ambo, miſſis ad ſe litteris, in colloquium ſoli
[Spaltenumbruch] uenerunt, remotis arbitris. Ibi ſuſpicio fuit, eos
una contra Neronem coniuraſſe. Poſt haec Vindex
properat cum exercitu, quaſi ſtatuiſſet urbem cape-
re, quorum aduentum ubi cognoſcunt milites Rufi,
rati, eos aperte contra ſe uenire, iniuſſi impetum fa-
ciunt, imparatosque, & parum inſtructos, inuadunt,
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5
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[116/0150] Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen die Rheiniſchen Legionen ſich lencken wuͤrden. Verginius Rufus commandirete in Ober-Germanien, Fonteius Capito am Nieder-Rheine. Der erſte war der Unꝛuhe am naͤchſten, und wollte nicht geſchehen laſſen, daß die Verhaͤngniſſe des Roͤmi- chen Reichs in der Gallier Haͤnden ſtehen ſollten. Er zog alſo wieder Vindicem aus, und als unterwegens die Haupt-Stadt unter den Sequanis, Beſançon, die Thore fuͤr ihm ſperrete, belagerte er ſie. Vindex kam ſie zu entſetzen: und da wurden Anfangs unter beyden Haͤuptern allerhand Tractaten ſchrifftlich fuͤrge- nommen, bis ſie ſich endlich perſoͤhnlich mit einander in geheim beſprachen, da Ver- ginius Rufus, wie man ihn nachmahls in Verdacht gehabt, ſich zu einer Veraͤn- derung nicht ungeneigt ſoll bezeuget haben. Es kam aber dem ungeachtet, ohne daß es die beyden Heerfuͤhrer verhindern koͤnnen, zwiſchen beyden Armeen zur Schlacht, und die Legionen fochten mit ſolcher Wuth, daß 20000 Gallier auf dem Platze geblieben 4. Welcher ungluͤckliche Anfang Vindicem dergeſtalt beſtuͤrtzete, daß er ſich, fuͤr Unmuth, ſelbſt das Leben nahm 5. XXXVII. Es endigte ſich aber deswegen der Aufſtand nicht. Vindex hatte wohl erkannt, daß er, um die Roͤmer zu bewegen, einen Roͤmer vorſchieben muͤ- ſte, und ſich mit Sulpitio Galba eingelaſſen, der in Spanien commandirete, und durchgehends geruͤhmet ward, daß er alle Eigenſchafften, die zum Regiment er- fordert werden, beſaͤſſe. Galba erklaͤrete ſich oͤffentlich wie der Neronem, woll- te aber nicht den Namen Caeſar annehmen, ſondern nennete ſich legatum S. P. Q. Romani. Gantz Spanien fiel ihm begierig zu, und inſonderheit M. Salvius Otho, Landpfleger von Luſitanien, der all ſein Silbergeſchirre zu Galbae Dien- ſten in die Muͤntze gab. Die Ober-Rheiniſche Armee, die aus drey Legionen be- ſtund, fiel faſt um eben die Zeit ab. Die Soldaten riſſen Neronis Bildniß von ihren Heerzeichen, und traten ſie mit Fuͤſſen. Sie hatten aber auch wenig Luſt zu Galba, weil es zu geringe ſchien, daß ſich eine Legion das Kaͤiſerthum zu vergeben unterſtehen wollen; und trugen es Verginio an. Dieſer aber wegerte ſich beſtaͤn- dig, und vermochte mit vieler Muͤhe die Soldaten, den Ausſchlag vom Rathe zu er- warten: entweder weil er wuͤrcklich nicht ſo viel Ehrgeitz hatte, das Kaͤiſerthum an ſich zu reiſſen, oder weil er hoffete, daß er es ſchon noch ſelbſt mit Zuthun des Raths, dem dieſe Ehrerbietung nothwendig gefallen muͤſte, erhalten koͤnne. * Sulpitius Galba wirfft ſich in Spani- en zum Kaͤiſer auf. XXXIIX. Nero hatte die erſte Nachricht von Vindicis Aufruhre zu Nea- polis gekriegt †, und ihn ſo geringe gehalten, daß ihm nichts in der Schrifft, dadurch Vindex ſeine Waffen rechtfertigen wollen, ſo empfindlich gefallen, als daß er ſeiner eingebildeten Vortrefflichkeit in der Muſic geſpottet. Als er aber in Rom, auch die Nachricht aus Spanien, von Galbae Abfalle bekommen, fing er an zu ei- nem Und wiꝛd nach Neronis To- de in Rom da- fuͤr erkannt. † circa d. XX. Mart. 4 dio L. LXIII. p. 725. D. Quumque Vindex eo animo eſſet, Rufus, qui Germaniam obtinebat, in- de profectus eſt, ut Vindici bellum inferret. Is poſt- quam Veſontionem uenit, coepit eam urbem obſidere, quod ab ea non fuiſſet exceptus. Vindex ad opem urbi ferendam contendit, nec procul caſtra poſuit. Tandem ambo, miſſis ad ſe litteris, in colloquium ſoli uenerunt, remotis arbitris. Ibi ſuſpicio fuit, eos una contra Neronem coniuraſſe. Poſt haec Vindex properat cum exercitu, quaſi ſtatuiſſet urbem cape- re, quorum aduentum ubi cognoſcunt milites Rufi, rati, eos aperte contra ſe uenire, iniuſſi impetum fa- ciunt, imparatosque, & parum inſtructos, inuadunt, ac poſtremo magnum numerum eorum concidunt. 5. plv- 5 *

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Zitationshilfe: Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726/150>, abgerufen am 25.11.2024.