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Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.

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Drittes Buch. Geschichte der Teutschen
Maraboduum hätte erhalten können, machte darauf so fort mit ihm Frieden2, und
gieng nach Pannonien, da er, drey Jahr nacheinander, einen schwehren Krieg ge-
führet, von dessen Wichtigkeit man daraus urtheilen kan, daß die Römer mit
funffzehen Legionen, und eben so viel Hülffs-Völckern agiret, bis er das gantze
Illyricum, das ist, alle Länder, die zwischen dem Norico, und Thracien, von der
Donau bis ans Adriatische Meer lagen, völlig unters Joch gebracht3. Das grö-
ste Glück dabey war, daß er eben mit dem Illyrico fertig, als er Nachricht bekam,
daß die Teutschen Völcker, so zwischen dem Rheine, und der Weser wohneten, sich
empöret, und der Landpfleger, Quintilius Varus, eine grosse Niederlage erlitten.

XXV. Dieser Quintilius Varus war Saturnino in der Landpflegerschafft
Quintilii
Vari
Verhal-
ten unter den
Teutschen.
gefolget. Derselbe verstund besser, wie ein General sich bereichern könne, als
wie ein so rohes Volck, als die Teutschen waren, im Zaum zu halten sey. Er hatte
vorher in Syrien viel Geld gemachet, und war ietzt in Germanien desto begieriger
darnach, ie seltner dazu die Gelegenheit war. Er liebete dabey mehr die Ruhe, als
den Krieg, und da er fand, daß bereits hin und wieder Römische Schlösser, und
Besatzungen, mitten unter den Teutschen waren, auch selbige anfingen, mit den Rö-
mern umzugehen; dachte er, sie unvermercket zu den Römischen Sitten, und Gese-
tzen, zu gewehnen, und ihnen, unter dem Schein, und Namen, der Rechte ein schweh-
reres Joch aufzulegen, als er mit Gewalt würde haben thun können1. Jn solcher
Absicht begab er sich über den Rhein, und schlug das Lager mitten unter den neube-
zwungenen Teutschen Völckern auf, gegen die er alle Fallstricke, und Geheimnisse
der Römischen Rechte anwendete. Den Teutschen, die damahls kurtze Processe
machten, und wohl nicht glaubten, daß ihre Nachkommen dereinst so grosse Liebha-
ber, und Kenner des Römischen Rechts, werden würden, fiel es sehr beschwehrlich,
daß sie über ihr Leben, Haab, und Gut, in einer, ihnen unbekannten Sprachen, soll-
ten sprechen lassen. Die Häupter sahen überdieß den Verlust ihres vorigen An-

sehens
[Beginn Spaltensatz] bus Dalmatia, omnibus tractus eius gentibus in socie-
tatem adductis, ex constituto arma corripuit.
2 patercvlvs: L. II. c. 110. Tum necessa-
ria gloriosis praeposita: neque tutum visum abdito
in interiora exercitu, vacuam, tam vicino hosti, relin-
quere Italiam.
Tiberius
gedenckt dieses Vergleichs
selbst bey tacito: An. L. II. c. 26. Sueuos, Re-
gemque Maroboduum, pace obstrictum.
Und Maro-
boduus
selbst rühmet: L. II. c. 47. Mox conditionibus
uequis discessum.
3 sveton. in Tib. c. 16. Toto Illyrico, quod inter
Italiam, regnumque Noricum, & Thraciam &
Macedoniam, interque Danubium flumen, & sinum
maris Adriatici patet, perdomito, & in deditionem
redacto.
1 dio L. LVI. p. 582. Loca quaedam
Germaniae Romani tenebant, non simul, sed ut
forte subacta fuerant, hinc inde: quam ob causam
in historiis nulla fit eorum mentio. Iis in locis hiber-
na Romani milites habebant, urbes condebant, mo-
[Spaltenumbruch] res eorum iam barbari accipiebant, in forum conve-
niebant, congressusque cum iis pacatos habebant.
Neque tamen patriarum consuetudinum, morum
innatorum, libertatis, armorumque potentiae,
obliti penitus fuerant. Itaque dum paullatim, &
uia quadam, in custodia habiti, ea dediscerent, mu-
tationem vitae suae adeo non gravate ferebant, ut
ne sentirent quidem eam. Vbi vero Quintilius Varus,
Germaniae, post administratam Syriam praefectus,
rebus ibi gubernandis susceptis, instituit eam gentem
subito transformare, tanquam servituti subiectis
imperare, pecuniasque, ut a subditis, exigere: Ger-
mani eius inceptum non tulerunt, primoribus ipso-
rum amissum principatum desiderantibus, vulgo
consuetam rerum rationem peregrinae dominationi
anteferente.
florvs L. IV. c. 12. Postquam ille
(Drusus) defunctus, Vari Quinctilii libidinem, ac
superbiam, haud secus, quam saeuitiam odisse coepe-
runt. Ausus ille agere conuentum, & in castris ius
dicebat, quasi uiolentiam barbarorum, & lictoris

[Ende Spaltensatz]
uirgis

Drittes Buch. Geſchichte der Teutſchen
Maraboduum haͤtte erhalten koͤnnen, machte darauf ſo fort mit ihm Frieden2, und
gieng nach Pannonien, da er, drey Jahr nacheinander, einen ſchwehren Krieg ge-
fuͤhret, von deſſen Wichtigkeit man daraus urtheilen kan, daß die Roͤmer mit
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Illyricum, das iſt, alle Laͤnder, die zwiſchen dem Norico, und Thracien, von der
Donau bis ans Adriatiſche Meer lagen, voͤllig unters Joch gebracht3. Das groͤ-
ſte Gluͤck dabey war, daß er eben mit dem Illyrico fertig, als er Nachricht bekam,
daß die Teutſchen Voͤlcker, ſo zwiſchen dem Rheine, und der Weſer wohneten, ſich
empoͤret, und der Landpfleger, Quintilius Varus, eine groſſe Niederlage erlitten.

XXV. Dieſer Quintilius Varus war Saturnino in der Landpflegerſchafft
Quintilii
Vari
Verhal-
ten unter den
Teutſchen.
gefolget. Derſelbe verſtund beſſer, wie ein General ſich bereichern koͤnne, als
wie ein ſo rohes Volck, als die Teutſchen waren, im Zaum zu halten ſey. Er hatte
vorher in Syrien viel Geld gemachet, und war ietzt in Germanien deſto begieriger
darnach, ie ſeltner dazu die Gelegenheit war. Er liebete dabey mehr die Ruhe, als
den Krieg, und da er fand, daß bereits hin und wieder Roͤmiſche Schloͤſſer, und
Beſatzungen, mitten unter den Teutſchen waren, auch ſelbige anfingen, mit den Roͤ-
mern umzugehen; dachte er, ſie unvermercket zu den Roͤmiſchen Sitten, und Geſe-
tzen, zu gewehnen, und ihnen, unter dem Schein, und Namen, der Rechte ein ſchweh-
reres Joch aufzulegen, als er mit Gewalt wuͤrde haben thun koͤnnen1. Jn ſolcher
Abſicht begab er ſich uͤber den Rhein, und ſchlug das Lager mitten unter den neube-
zwungenen Teutſchen Voͤlckern auf, gegen die er alle Fallſtricke, und Geheimniſſe
der Roͤmiſchen Rechte anwendete. Den Teutſchen, die damahls kurtze Proceſſe
machten, und wohl nicht glaubten, daß ihre Nachkommen dereinſt ſo groſſe Liebha-
ber, und Kenner des Roͤmiſchen Rechts, werden wuͤrden, fiel es ſehr beſchwehrlich,
daß ſie uͤber ihr Leben, Haab, und Gut, in einer, ihnen unbekannten Sprachen, ſoll-
ten ſprechen laſſen. Die Haͤupter ſahen uͤberdieß den Verluſt ihres vorigen An-

ſehens
[Beginn Spaltensatz] bus Dalmatia, omnibus tractus eius gentibus in ſocie-
tatem adductis, ex conſtituto arma corripuit.
2 patercvlvs: L. II. c. 110. Tum neceſſa-
ria glorioſis praepoſita: neque tutum viſum abdito
in interiora exercitu, vacuam, tam vicino hoſti, relin-
quere Italiam.
Tiberius
gedenckt dieſes Vergleichs
ſelbſt bey tacito: An. L. II. c. 26. Sueuos, Re-
gemque Maroboduum, pace obſtrictum.
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boduus
ſelbſt ruͤhmet: L. II. c. 47. Mox conditionibus
uequis diſceſſum.
3 sveton. in Tib. c. 16. Toto Illyrico, quod inter
Italiam, regnumque Noricum, & Thraciam &
Macedoniam, interque Danubium flumen, & ſinum
maris Adriatici patet, perdomito, & in deditionem
redacto.
1 dio L. LVI. p. 582. Loca quaedam
Germaniae Romani tenebant, non ſimul, ſed ut
forte ſubacta fuerant, hinc inde: quam ob cauſam
in hiſtoriis nulla fit eorum mentio. Iis in locis hiber-
na Romani milites habebant, urbes condebant, mo-
[Spaltenumbruch] res eorum iam barbari accipiebant, in forum conve-
niebant, congreſſusque cum iis pacatos habebant.
Neque tamen patriarum conſuetudinum, morum
innatorum, libertatis, armorumque potentiae,
obliti penitus fuerant. Itaque dum paullatim, &
uia quadam, in cuſtodia habiti, ea dediſcerent, mu-
tationem vitae ſuae adeo non gravate ferebant, ut
ne ſentirent quidem eam. Vbi vero Quintilius Varus,
Germaniae, poſt adminiſtratam Syriam praefectus,
rebus ibi gubernandis ſuſceptis, inſtituit eam gentem
ſubito transformare, tanquam ſervituti ſubiectis
imperare, pecuniasque, ut a ſubditis, exigere: Ger-
mani eius inceptum non tulerunt, primoribus ipſo-
rum amiſſum principatum deſiderantibus, vulgo
conſuetam rerum rationem peregrinae dominationi
anteferente.
florvs L. IV. c. 12. Poſtquam ille
(Druſus) defunctus, Vari Quinctilii libidinem, ac
ſuperbiam, haud ſecus, quam ſaeuitiam odiſſe coepe-
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[76/0110] Drittes Buch. Geſchichte der Teutſchen Maraboduum haͤtte erhalten koͤnnen, machte darauf ſo fort mit ihm Frieden 2, und gieng nach Pannonien, da er, drey Jahr nacheinander, einen ſchwehren Krieg ge- fuͤhret, von deſſen Wichtigkeit man daraus urtheilen kan, daß die Roͤmer mit funffzehen Legionen, und eben ſo viel Huͤlffs-Voͤlckern agiret, bis er das gantze Illyricum, das iſt, alle Laͤnder, die zwiſchen dem Norico, und Thracien, von der Donau bis ans Adriatiſche Meer lagen, voͤllig unters Joch gebracht 3. Das groͤ- ſte Gluͤck dabey war, daß er eben mit dem Illyrico fertig, als er Nachricht bekam, daß die Teutſchen Voͤlcker, ſo zwiſchen dem Rheine, und der Weſer wohneten, ſich empoͤret, und der Landpfleger, Quintilius Varus, eine groſſe Niederlage erlitten. XXV. Dieſer Quintilius Varus war Saturnino in der Landpflegerſchafft gefolget. Derſelbe verſtund beſſer, wie ein General ſich bereichern koͤnne, als wie ein ſo rohes Volck, als die Teutſchen waren, im Zaum zu halten ſey. Er hatte vorher in Syrien viel Geld gemachet, und war ietzt in Germanien deſto begieriger darnach, ie ſeltner dazu die Gelegenheit war. Er liebete dabey mehr die Ruhe, als den Krieg, und da er fand, daß bereits hin und wieder Roͤmiſche Schloͤſſer, und Beſatzungen, mitten unter den Teutſchen waren, auch ſelbige anfingen, mit den Roͤ- mern umzugehen; dachte er, ſie unvermercket zu den Roͤmiſchen Sitten, und Geſe- tzen, zu gewehnen, und ihnen, unter dem Schein, und Namen, der Rechte ein ſchweh- reres Joch aufzulegen, als er mit Gewalt wuͤrde haben thun koͤnnen 1. Jn ſolcher Abſicht begab er ſich uͤber den Rhein, und ſchlug das Lager mitten unter den neube- zwungenen Teutſchen Voͤlckern auf, gegen die er alle Fallſtricke, und Geheimniſſe der Roͤmiſchen Rechte anwendete. Den Teutſchen, die damahls kurtze Proceſſe machten, und wohl nicht glaubten, daß ihre Nachkommen dereinſt ſo groſſe Liebha- ber, und Kenner des Roͤmiſchen Rechts, werden wuͤrden, fiel es ſehr beſchwehrlich, daß ſie uͤber ihr Leben, Haab, und Gut, in einer, ihnen unbekannten Sprachen, ſoll- ten ſprechen laſſen. Die Haͤupter ſahen uͤberdieß den Verluſt ihres vorigen An- ſehens 1 Quintilii Vari Verhal- ten unter den Teutſchen. 2 patercvlvs: L. II. c. 110. Tum neceſſa- ria glorioſis praepoſita: neque tutum viſum abdito in interiora exercitu, vacuam, tam vicino hoſti, relin- quere Italiam. Tiberius gedenckt dieſes Vergleichs ſelbſt bey tacito: An. L. II. c. 26. Sueuos, Re- gemque Maroboduum, pace obſtrictum. Und Maro- boduus ſelbſt ruͤhmet: L. II. c. 47. Mox conditionibus uequis diſceſſum. 3 sveton. in Tib. c. 16. Toto Illyrico, quod inter Italiam, regnumque Noricum, & Thraciam & Macedoniam, interque Danubium flumen, & ſinum maris Adriatici patet, perdomito, & in deditionem redacto. 1 dio L. LVI. p. 582. Loca quaedam Germaniae Romani tenebant, non ſimul, ſed ut forte ſubacta fuerant, hinc inde: quam ob cauſam in hiſtoriis nulla fit eorum mentio. Iis in locis hiber- na Romani milites habebant, urbes condebant, mo- res eorum iam barbari accipiebant, in forum conve- niebant, congreſſusque cum iis pacatos habebant. Neque tamen patriarum conſuetudinum, morum innatorum, libertatis, armorumque potentiae, obliti penitus fuerant. Itaque dum paullatim, & uia quadam, in cuſtodia habiti, ea dediſcerent, mu- tationem vitae ſuae adeo non gravate ferebant, ut ne ſentirent quidem eam. Vbi vero Quintilius Varus, Germaniae, poſt adminiſtratam Syriam praefectus, rebus ibi gubernandis ſuſceptis, inſtituit eam gentem ſubito transformare, tanquam ſervituti ſubiectis imperare, pecuniasque, ut a ſubditis, exigere: Ger- mani eius inceptum non tulerunt, primoribus ipſo- rum amiſſum principatum deſiderantibus, vulgo conſuetam rerum rationem peregrinae dominationi anteferente. florvs L. IV. c. 12. Poſtquam ille (Druſus) defunctus, Vari Quinctilii libidinem, ac ſuperbiam, haud ſecus, quam ſaeuitiam odiſſe coepe- runt. Auſus ille agere conuentum, & in caſtris ius dicebat, quaſi uiolentiam barbarorum, & lictoris uirgis 1 bus Dalmatia, omnibus tractus eius gentibus in ſocie- tatem adductis, ex conſtituto arma corripuit.

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Zitationshilfe: Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726/110>, abgerufen am 24.11.2024.