Die Menge der cirkulirenden Wechsel ist also, wie die der Banknoten, lediglich bestimmt durch die Bedürfnisse des Verkehrs; in gewöhnlichen Zeiten cirkulirten in den fünfziger Jahren im Ver- einigten Königreich neben 39 Mill. Banknoten ungefähr 300 Mill. Wechsel, davon 100--120 Mill. auf London allein. Der Umfang, worin die Wechsel cirkuliren, hat keinen Einfluss auf den Umfang der Notencirkulation, und wird von diesem letzteren beeinflusst nur in Zeiten der Geldknappheit, wo die Quantität der Wechsel zu- nimmt und ihre Qualität sich verschlechtert. Endlich, im Moment der Krise, versagt die Wechselcirkulation gänzlich; kein Mensch kann Zahlungsversprechen brauchen, da jeder nur Baarzahlung nehmen will; nur die Banknote bewahrt, wenigstens bis jetzt in England, die Umlaufsfähigkeit, da die Nation mit ihrem Gesammt- reichthum hinter der Bank von England steht.
Wir haben gesehn, wie selbst Herr Chapman, der doch 1857 selbst ein Magnat auf dem Geldmarkt war, sich bitter darüber be- klagt, dass es in London mehrere grosse Geldkapitalisten gebe, stark genug um in einem gegebnen Moment den ganzen Geldmarkt in Unordnung zu bringen und dadurch die kleineren Geldhändler schmählichst zu schröpfen. So gebe es mehrere solche grosse Haifische, die eine Klemme bedeutend verschärfen könnten, indem sie 1--2 Millionen Konsols verkauften und dadurch einen gleichen Betrag von Banknoten (und gleichzeitig von disponiblem Leih- kapital) aus dem Markt nähmen. Durch ein gleiches Manöver eine Klemme in eine Panik zu verwandeln, dazu würde das Zu- sammenwirken dreier grosser Banken hinreichen.
Die grösste Kapitalmacht in London ist natürlich die Bank von England, die aber durch ihre Stellung als halbes Staatsinstitut in die Unmöglichkeit versetzt ist, ihre Herrschaft in so brutaler Weise kund zu thun. Trotzdem weiss auch sie Mittel und Wege genug -- namentlich seit dem Bankakt von 1844 -- wie sie ihr Schäfchen ins Trockne bringt.
Die Bank von England hat ein Kapital von 14553000 £, und verfügt ausserdem über circa 3 Millionen £ "Rest", d. h. unver- theilte Profite, sowie über alle bei der Regierung für Steuern etc. eingehenden Gelder, die bei ihr deponirt werden müssen, bis sie gebraucht werden. Rechnet man hierzu noch die Summe der sonstigen Depositengelder (in gewöhnlichen Zeiten etwa 30 Mill. £) und der ungedeckt ausgegebnen Banknoten, so wird man Newmarch's Schätzung noch ziemlich mäßig finden, wenn dieser (B. A. 1857
Die Menge der cirkulirenden Wechsel ist also, wie die der Banknoten, lediglich bestimmt durch die Bedürfnisse des Verkehrs; in gewöhnlichen Zeiten cirkulirten in den fünfziger Jahren im Ver- einigten Königreich neben 39 Mill. Banknoten ungefähr 300 Mill. Wechsel, davon 100—120 Mill. auf London allein. Der Umfang, worin die Wechsel cirkuliren, hat keinen Einfluss auf den Umfang der Notencirkulation, und wird von diesem letzteren beeinflusst nur in Zeiten der Geldknappheit, wo die Quantität der Wechsel zu- nimmt und ihre Qualität sich verschlechtert. Endlich, im Moment der Krise, versagt die Wechselcirkulation gänzlich; kein Mensch kann Zahlungsversprechen brauchen, da jeder nur Baarzahlung nehmen will; nur die Banknote bewahrt, wenigstens bis jetzt in England, die Umlaufsfähigkeit, da die Nation mit ihrem Gesammt- reichthum hinter der Bank von England steht.
Wir haben gesehn, wie selbst Herr Chapman, der doch 1857 selbst ein Magnat auf dem Geldmarkt war, sich bitter darüber be- klagt, dass es in London mehrere grosse Geldkapitalisten gebe, stark genug um in einem gegebnen Moment den ganzen Geldmarkt in Unordnung zu bringen und dadurch die kleineren Geldhändler schmählichst zu schröpfen. So gebe es mehrere solche grosse Haifische, die eine Klemme bedeutend verschärfen könnten, indem sie 1—2 Millionen Konsols verkauften und dadurch einen gleichen Betrag von Banknoten (und gleichzeitig von disponiblem Leih- kapital) aus dem Markt nähmen. Durch ein gleiches Manöver eine Klemme in eine Panik zu verwandeln, dazu würde das Zu- sammenwirken dreier grosser Banken hinreichen.
Die grösste Kapitalmacht in London ist natürlich die Bank von England, die aber durch ihre Stellung als halbes Staatsinstitut in die Unmöglichkeit versetzt ist, ihre Herrschaft in so brutaler Weise kund zu thun. Trotzdem weiss auch sie Mittel und Wege genug — namentlich seit dem Bankakt von 1844 — wie sie ihr Schäfchen ins Trockne bringt.
Die Bank von England hat ein Kapital von 14553000 £, und verfügt ausserdem über circa 3 Millionen £ „Rest“, d. h. unver- theilte Profite, sowie über alle bei der Regierung für Steuern etc. eingehenden Gelder, die bei ihr deponirt werden müssen, bis sie gebraucht werden. Rechnet man hierzu noch die Summe der sonstigen Depositengelder (in gewöhnlichen Zeiten etwa 30 Mill. £) und der ungedeckt ausgegebnen Banknoten, so wird man Newmarch’s Schätzung noch ziemlich mäßig finden, wenn dieser (B. A. 1857
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Die Menge der cirkulirenden Wechsel ist also, wie die der
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einigten Königreich neben 39 Mill. Banknoten ungefähr 300 Mill.
Wechsel, davon 100—120 Mill. auf London allein. Der Umfang,
worin die Wechsel cirkuliren, hat keinen Einfluss auf den Umfang
der Notencirkulation, und wird von diesem letzteren beeinflusst nur
in Zeiten der Geldknappheit, wo die Quantität der Wechsel zu-
nimmt und ihre Qualität sich verschlechtert. Endlich, im Moment
der Krise, versagt die Wechselcirkulation gänzlich; kein Mensch
kann Zahlungsversprechen brauchen, da jeder nur Baarzahlung
nehmen will; nur die Banknote bewahrt, wenigstens bis jetzt in
England, die Umlaufsfähigkeit, da die Nation mit ihrem Gesammt-
reichthum hinter der Bank von England steht.
Wir haben gesehn, wie selbst Herr Chapman, der doch 1857
selbst ein Magnat auf dem Geldmarkt war, sich bitter darüber be-
klagt, dass es in London mehrere grosse Geldkapitalisten gebe,
stark genug um in einem gegebnen Moment den ganzen Geldmarkt
in Unordnung zu bringen und dadurch die kleineren Geldhändler
schmählichst zu schröpfen. So gebe es mehrere solche grosse
Haifische, die eine Klemme bedeutend verschärfen könnten, indem
sie 1—2 Millionen Konsols verkauften und dadurch einen gleichen
Betrag von Banknoten (und gleichzeitig von disponiblem Leih-
kapital) aus dem Markt nähmen. Durch ein gleiches Manöver
eine Klemme in eine Panik zu verwandeln, dazu würde das Zu-
sammenwirken dreier grosser Banken hinreichen.
Die grösste Kapitalmacht in London ist natürlich die Bank von
England, die aber durch ihre Stellung als halbes Staatsinstitut in
die Unmöglichkeit versetzt ist, ihre Herrschaft in so brutaler Weise
kund zu thun. Trotzdem weiss auch sie Mittel und Wege genug
— namentlich seit dem Bankakt von 1844 — wie sie ihr Schäfchen
ins Trockne bringt.
Die Bank von England hat ein Kapital von 14553000 £, und
verfügt ausserdem über circa 3 Millionen £ „Rest“, d. h. unver-
theilte Profite, sowie über alle bei der Regierung für Steuern etc.
eingehenden Gelder, die bei ihr deponirt werden müssen, bis sie
gebraucht werden. Rechnet man hierzu noch die Summe der
sonstigen Depositengelder (in gewöhnlichen Zeiten etwa 30 Mill. £)
und der ungedeckt ausgegebnen Banknoten, so wird man Newmarch’s
Schätzung noch ziemlich mäßig finden, wenn dieser (B. A. 1857
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/89>, abgerufen am 24.11.2024.
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