Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

ist zinstragend zu werden. Sie sind Formen es auszuleihen. Aber
sie sind nicht selbst das Leihkapital, das in ihnen angelegt wird.
Andrerseits, soweit der Kredit direkte Rolle im Reproduktions-
process spielt: Was der Industrielle oder Kaufmann braucht, wenn
er Wechsel diskontirt haben oder eine Anleihe aufnehmen will,
sind weder Aktien noch Staatspapiere. Was er braucht ist Geld.
Er versetzt oder verkauft also jene Werthpapiere, wenn er das
Geld sich anders nicht beschaffen kann. Es ist die Akkumulation
dieses Leihkapitals, von der wir hier zu handeln haben, und zwar
speciell von der des leihbaren Geldkapitals. Es handelt sich hier
nicht um Anleihen von Häusern, Maschinen, oder andrem fixen
Kapital. Es handelt sich auch nicht um die Vorschüsse, die sich
Industrielle und Kaufleute unter einander in Waaren und inner-
halb des Zirkels des Reproduktionsprocesses machen; obgleich wir
auch diesen Punkt vorher noch näher untersuchen müssen; es
handelt sich ausschliesslich um die Geldanleihen, die durch die
Bankiers, als Vermittler, den Industriellen und Kaufleuten ge-
macht werden.



Analysiren wir also zunächst den kommerciellen Kredit, d. h. den
Kredit, den die in der Reproduktion beschäftigten Kapitalisten
einander geben. Er bildet die Basis des Kreditsystems. Sein
Repräsentant ist der Wechsel, Schuldschein mit bestimmtem Zah-
lungstermin, document of deferred payment. Jeder gibt Kredit
mit der einen Hand und empfängt Kredit mit der andern. Sehn
wir zunächst ganz ab vom Bankierkredit, der ein ganz andres,
wesentlich verschiednes Moment bildet. Soweit diese Wechsel
unter den Kaufleuten selbst wieder als Zahlungsmittel cirkuliren,
durch Endossement von einem auf den andern, wo aber der Dis-
konto nicht dazwischen kommt, ist es nichts als eine Ueber-
tragung der Schuldforderung von A auf B, und ändert absolut nichts
am Zusammenhang. Es setzt nur eine Person an die Stelle einer
andern. Und selbst in diesem Fall kann die Liquidation ohne
Dazwischenkunft von Geld stattfinden. Der Spinner A z. B. hat
einen Wechsel zu zahlen an den Baumwollmakler B, dieser an
den Importeur C. Wenn C nun ebenfalls Garn exportirt, was oft
genug vorkommt, so kann er Garn von A gegen Wechsel kaufen,
und der Spinner A den Makler B mit dessen eignem, von C in
Zahlung erhaltnen Wechsel decken, wobei höchstens ein Saldo in
Geld zu zahlen ist. Die ganze Transaktion vermittelt dann nur
den Austausch von Baumwolle und Garn. Der Exporteur reprä-

ist zinstragend zu werden. Sie sind Formen es auszuleihen. Aber
sie sind nicht selbst das Leihkapital, das in ihnen angelegt wird.
Andrerseits, soweit der Kredit direkte Rolle im Reproduktions-
process spielt: Was der Industrielle oder Kaufmann braucht, wenn
er Wechsel diskontirt haben oder eine Anleihe aufnehmen will,
sind weder Aktien noch Staatspapiere. Was er braucht ist Geld.
Er versetzt oder verkauft also jene Werthpapiere, wenn er das
Geld sich anders nicht beschaffen kann. Es ist die Akkumulation
dieses Leihkapitals, von der wir hier zu handeln haben, und zwar
speciell von der des leihbaren Geldkapitals. Es handelt sich hier
nicht um Anleihen von Häusern, Maschinen, oder andrem fixen
Kapital. Es handelt sich auch nicht um die Vorschüsse, die sich
Industrielle und Kaufleute unter einander in Waaren und inner-
halb des Zirkels des Reproduktionsprocesses machen; obgleich wir
auch diesen Punkt vorher noch näher untersuchen müssen; es
handelt sich ausschliesslich um die Geldanleihen, die durch die
Bankiers, als Vermittler, den Industriellen und Kaufleuten ge-
macht werden.



Analysiren wir also zunächst den kommerciellen Kredit, d. h. den
Kredit, den die in der Reproduktion beschäftigten Kapitalisten
einander geben. Er bildet die Basis des Kreditsystems. Sein
Repräsentant ist der Wechsel, Schuldschein mit bestimmtem Zah-
lungstermin, document of deferred payment. Jeder gibt Kredit
mit der einen Hand und empfängt Kredit mit der andern. Sehn
wir zunächst ganz ab vom Bankierkredit, der ein ganz andres,
wesentlich verschiednes Moment bildet. Soweit diese Wechsel
unter den Kaufleuten selbst wieder als Zahlungsmittel cirkuliren,
durch Endossement von einem auf den andern, wo aber der Dis-
konto nicht dazwischen kommt, ist es nichts als eine Ueber-
tragung der Schuldforderung von A auf B, und ändert absolut nichts
am Zusammenhang. Es setzt nur eine Person an die Stelle einer
andern. Und selbst in diesem Fall kann die Liquidation ohne
Dazwischenkunft von Geld stattfinden. Der Spinner A z. B. hat
einen Wechsel zu zahlen an den Baumwollmakler B, dieser an
den Importeur C. Wenn C nun ebenfalls Garn exportirt, was oft
genug vorkommt, so kann er Garn von A gegen Wechsel kaufen,
und der Spinner A den Makler B mit dessen eignem, von C in
Zahlung erhaltnen Wechsel decken, wobei höchstens ein Saldo in
Geld zu zahlen ist. Die ganze Transaktion vermittelt dann nur
den Austausch von Baumwolle und Garn. Der Exporteur reprä-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0025" n="16"/>
ist zinstragend zu werden. Sie sind Formen es auszuleihen. Aber<lb/>
sie sind nicht selbst das Leihkapital, das in ihnen angelegt wird.<lb/>
Andrerseits, soweit der Kredit direkte Rolle im Reproduktions-<lb/>
process spielt: Was der Industrielle oder Kaufmann braucht, wenn<lb/>
er Wechsel diskontirt haben oder eine Anleihe aufnehmen will,<lb/>
sind weder Aktien noch Staatspapiere. Was er braucht ist Geld.<lb/>
Er versetzt oder verkauft also jene Werthpapiere, wenn er das<lb/>
Geld sich anders nicht beschaffen kann. Es ist die Akkumulation<lb/>
dieses Leihkapitals, von der wir hier zu handeln haben, und zwar<lb/>
speciell von der des leihbaren Geldkapitals. Es handelt sich hier<lb/>
nicht um Anleihen von Häusern, Maschinen, oder andrem fixen<lb/>
Kapital. Es handelt sich auch nicht um die Vorschüsse, die sich<lb/>
Industrielle und Kaufleute unter einander in Waaren und inner-<lb/>
halb des Zirkels des Reproduktionsprocesses machen; obgleich wir<lb/>
auch diesen Punkt vorher noch näher untersuchen müssen; es<lb/>
handelt sich ausschliesslich um die Geldanleihen, die durch die<lb/>
Bankiers, als Vermittler, den Industriellen und Kaufleuten ge-<lb/>
macht werden.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Analysiren wir also zunächst den kommerciellen Kredit, d. h. den<lb/>
Kredit, den die in der Reproduktion beschäftigten Kapitalisten<lb/>
einander geben. Er bildet die Basis des Kreditsystems. Sein<lb/>
Repräsentant ist der Wechsel, Schuldschein mit bestimmtem Zah-<lb/>
lungstermin, document of deferred payment. Jeder gibt Kredit<lb/>
mit der einen Hand und empfängt Kredit mit der andern. Sehn<lb/>
wir zunächst ganz ab vom Bankierkredit, der ein ganz andres,<lb/>
wesentlich verschiednes Moment bildet. Soweit diese Wechsel<lb/>
unter den Kaufleuten selbst wieder als Zahlungsmittel cirkuliren,<lb/>
durch Endossement von einem auf den andern, wo aber der Dis-<lb/>
konto nicht dazwischen kommt, ist es nichts als eine Ueber-<lb/>
tragung der Schuldforderung von A auf B, und ändert absolut nichts<lb/>
am Zusammenhang. Es setzt nur eine Person an die Stelle einer<lb/>
andern. Und selbst in diesem Fall kann die Liquidation ohne<lb/>
Dazwischenkunft von Geld stattfinden. Der Spinner A z. B. hat<lb/>
einen Wechsel zu zahlen an den Baumwollmakler B, dieser an<lb/>
den Importeur C. Wenn C nun ebenfalls Garn exportirt, was oft<lb/>
genug vorkommt, so kann er Garn von A gegen Wechsel kaufen,<lb/>
und der Spinner A den Makler B mit dessen eignem, von C in<lb/>
Zahlung erhaltnen Wechsel decken, wobei höchstens ein Saldo in<lb/>
Geld zu zahlen ist. Die ganze Transaktion vermittelt dann nur<lb/>
den Austausch von Baumwolle und Garn. Der Exporteur reprä-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0025] ist zinstragend zu werden. Sie sind Formen es auszuleihen. Aber sie sind nicht selbst das Leihkapital, das in ihnen angelegt wird. Andrerseits, soweit der Kredit direkte Rolle im Reproduktions- process spielt: Was der Industrielle oder Kaufmann braucht, wenn er Wechsel diskontirt haben oder eine Anleihe aufnehmen will, sind weder Aktien noch Staatspapiere. Was er braucht ist Geld. Er versetzt oder verkauft also jene Werthpapiere, wenn er das Geld sich anders nicht beschaffen kann. Es ist die Akkumulation dieses Leihkapitals, von der wir hier zu handeln haben, und zwar speciell von der des leihbaren Geldkapitals. Es handelt sich hier nicht um Anleihen von Häusern, Maschinen, oder andrem fixen Kapital. Es handelt sich auch nicht um die Vorschüsse, die sich Industrielle und Kaufleute unter einander in Waaren und inner- halb des Zirkels des Reproduktionsprocesses machen; obgleich wir auch diesen Punkt vorher noch näher untersuchen müssen; es handelt sich ausschliesslich um die Geldanleihen, die durch die Bankiers, als Vermittler, den Industriellen und Kaufleuten ge- macht werden. Analysiren wir also zunächst den kommerciellen Kredit, d. h. den Kredit, den die in der Reproduktion beschäftigten Kapitalisten einander geben. Er bildet die Basis des Kreditsystems. Sein Repräsentant ist der Wechsel, Schuldschein mit bestimmtem Zah- lungstermin, document of deferred payment. Jeder gibt Kredit mit der einen Hand und empfängt Kredit mit der andern. Sehn wir zunächst ganz ab vom Bankierkredit, der ein ganz andres, wesentlich verschiednes Moment bildet. Soweit diese Wechsel unter den Kaufleuten selbst wieder als Zahlungsmittel cirkuliren, durch Endossement von einem auf den andern, wo aber der Dis- konto nicht dazwischen kommt, ist es nichts als eine Ueber- tragung der Schuldforderung von A auf B, und ändert absolut nichts am Zusammenhang. Es setzt nur eine Person an die Stelle einer andern. Und selbst in diesem Fall kann die Liquidation ohne Dazwischenkunft von Geld stattfinden. Der Spinner A z. B. hat einen Wechsel zu zahlen an den Baumwollmakler B, dieser an den Importeur C. Wenn C nun ebenfalls Garn exportirt, was oft genug vorkommt, so kann er Garn von A gegen Wechsel kaufen, und der Spinner A den Makler B mit dessen eignem, von C in Zahlung erhaltnen Wechsel decken, wobei höchstens ein Saldo in Geld zu zahlen ist. Die ganze Transaktion vermittelt dann nur den Austausch von Baumwolle und Garn. Der Exporteur reprä-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/25
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/25>, abgerufen am 28.03.2024.