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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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ausgesetzt, der Bodenpreis steigen oder fallen kann, umgekehrt
wie der Zinsfuss steigt oder fällt. Fiele der gewöhnliche Zinsfuss
von 5 auf 4 %, so stellte eine jährliche Grundrente von 200 £ die
jährliche Verwerthung eines Kapitals von 5000 £ statt von 4000 £
vor, und so wäre der Preis desselben Grundstücks von 4000 auf
5000 £ gestiegen, oder von 20 years' purchase auf 25. Umge-
kehrt im umgekehrten Fall. Es ist dies eine von der Bewegung der
Grundrente selbst unabhängige und nur durch den Zinsfuss ge-
regelte Bewegung des Bodenpreises. Da wir aber gesehn haben,
dass die Profitrate im Fortschritt der gesellschaftlichen Entwick-
lung eine Tendenz zum Fallen hat, und daher auch der Zinsfuss,
soweit er durch die Profitrate geregelt wird; dass ferner, auch ab-
gesehn von der Profitrate, der Zinsfuss eine Tendenz zum Fallen
hat, in Folge des Wachsthums des verleihbaren Geldkapitals, so
folgt, dass der Bodenpreis eine Tendenz zum Steigen hat, auch un-
abhängig von der Bewegung der Grundrente und des Preises der
Bodenprodukte, wovon die Rente einen Theil bildet.

Die Verwechslung der Grundrente selbst mit der Zinsform, die
sie für den Käufer des Bodens annimmt -- eine Verwechslung,
die auf völliger Unkenntniss der Natur der Grundrente beruht --
muss zu den sonderbarsten Trugschlüssen führen. Da das Grund-
eigenthum in allen alten Ländern für eine besonders vornehme
Form des Eigenthums gilt, und der Ankauf desselben ausserdem
als besonders sichre Kapitalanlage, so steht der Zinsfuss, zu dem
die Grundrente gekauft wird, meist niedriger als bei andern auf
längre Zeit sich erstreckenden Kapitalanlagen, sodass z. B. der
Käufer von Grund und Boden nur 4 % auf den Kaufpreis erhält,
während er für dasselbe Kapital sonst 5 % erhalten würde; oder
was auf dasselbe hinauskommt, er zahlt mehr Kapital für die
Grundrente, als er für dieselbe jährliche Geldeinnahme in andern
Anlagen zahlen würde. Daraus schliesst Herr Thiers in seiner
überhaupt grundschlechten Schrift über La Propriete (dem Abdruck
seiner 1849 in der französischen Nationalversammlung gehaltnen
Rede gegen Proudhon) auf die Niedrigkeit der Grundrente, während
es nur die Höhe ihres Kaufpreises beweist.

Der Umstand, dass die kapitalisirte Grundrente als Bodenpreis
oder Bodenwerth sich darstellt, und die Erde daher wie jede andre
Waare gekauft und verkauft wird, gilt einigen Apologeten als
Rechtfertigungsgrund des Grundeigenthums, indem der Käufer für
es wie für jede andre Waare, ein Aequivalent gezahlt, und der
grösste Theil des Grundeigenthums in dieser Weise die Hände

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ausgesetzt, der Bodenpreis steigen oder fallen kann, umgekehrt
wie der Zinsfuss steigt oder fällt. Fiele der gewöhnliche Zinsfuss
von 5 auf 4 %, so stellte eine jährliche Grundrente von 200 £ die
jährliche Verwerthung eines Kapitals von 5000 £ statt von 4000 £
vor, und so wäre der Preis desselben Grundstücks von 4000 auf
5000 £ gestiegen, oder von 20 years’ purchase auf 25. Umge-
kehrt im umgekehrten Fall. Es ist dies eine von der Bewegung der
Grundrente selbst unabhängige und nur durch den Zinsfuss ge-
regelte Bewegung des Bodenpreises. Da wir aber gesehn haben,
dass die Profitrate im Fortschritt der gesellschaftlichen Entwick-
lung eine Tendenz zum Fallen hat, und daher auch der Zinsfuss,
soweit er durch die Profitrate geregelt wird; dass ferner, auch ab-
gesehn von der Profitrate, der Zinsfuss eine Tendenz zum Fallen
hat, in Folge des Wachsthums des verleihbaren Geldkapitals, so
folgt, dass der Bodenpreis eine Tendenz zum Steigen hat, auch un-
abhängig von der Bewegung der Grundrente und des Preises der
Bodenprodukte, wovon die Rente einen Theil bildet.

Die Verwechslung der Grundrente selbst mit der Zinsform, die
sie für den Käufer des Bodens annimmt — eine Verwechslung,
die auf völliger Unkenntniss der Natur der Grundrente beruht —
muss zu den sonderbarsten Trugschlüssen führen. Da das Grund-
eigenthum in allen alten Ländern für eine besonders vornehme
Form des Eigenthums gilt, und der Ankauf desselben ausserdem
als besonders sichre Kapitalanlage, so steht der Zinsfuss, zu dem
die Grundrente gekauft wird, meist niedriger als bei andern auf
längre Zeit sich erstreckenden Kapitalanlagen, sodass z. B. der
Käufer von Grund und Boden nur 4 % auf den Kaufpreis erhält,
während er für dasselbe Kapital sonst 5 % erhalten würde; oder
was auf dasselbe hinauskommt, er zahlt mehr Kapital für die
Grundrente, als er für dieselbe jährliche Geldeinnahme in andern
Anlagen zahlen würde. Daraus schliesst Herr Thiers in seiner
überhaupt grundschlechten Schrift über La Propriété (dem Abdruck
seiner 1849 in der französischen Nationalversammlung gehaltnen
Rede gegen Proudhon) auf die Niedrigkeit der Grundrente, während
es nur die Höhe ihres Kaufpreises beweist.

Der Umstand, dass die kapitalisirte Grundrente als Bodenpreis
oder Bodenwerth sich darstellt, und die Erde daher wie jede andre
Waare gekauft und verkauft wird, gilt einigen Apologeten als
Rechtfertigungsgrund des Grundeigenthums, indem der Käufer für
es wie für jede andre Waare, ein Aequivalent gezahlt, und der
grösste Theil des Grundeigenthums in dieser Weise die Hände

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[163/0172] ausgesetzt, der Bodenpreis steigen oder fallen kann, umgekehrt wie der Zinsfuss steigt oder fällt. Fiele der gewöhnliche Zinsfuss von 5 auf 4 %, so stellte eine jährliche Grundrente von 200 £ die jährliche Verwerthung eines Kapitals von 5000 £ statt von 4000 £ vor, und so wäre der Preis desselben Grundstücks von 4000 auf 5000 £ gestiegen, oder von 20 years’ purchase auf 25. Umge- kehrt im umgekehrten Fall. Es ist dies eine von der Bewegung der Grundrente selbst unabhängige und nur durch den Zinsfuss ge- regelte Bewegung des Bodenpreises. Da wir aber gesehn haben, dass die Profitrate im Fortschritt der gesellschaftlichen Entwick- lung eine Tendenz zum Fallen hat, und daher auch der Zinsfuss, soweit er durch die Profitrate geregelt wird; dass ferner, auch ab- gesehn von der Profitrate, der Zinsfuss eine Tendenz zum Fallen hat, in Folge des Wachsthums des verleihbaren Geldkapitals, so folgt, dass der Bodenpreis eine Tendenz zum Steigen hat, auch un- abhängig von der Bewegung der Grundrente und des Preises der Bodenprodukte, wovon die Rente einen Theil bildet. Die Verwechslung der Grundrente selbst mit der Zinsform, die sie für den Käufer des Bodens annimmt — eine Verwechslung, die auf völliger Unkenntniss der Natur der Grundrente beruht — muss zu den sonderbarsten Trugschlüssen führen. Da das Grund- eigenthum in allen alten Ländern für eine besonders vornehme Form des Eigenthums gilt, und der Ankauf desselben ausserdem als besonders sichre Kapitalanlage, so steht der Zinsfuss, zu dem die Grundrente gekauft wird, meist niedriger als bei andern auf längre Zeit sich erstreckenden Kapitalanlagen, sodass z. B. der Käufer von Grund und Boden nur 4 % auf den Kaufpreis erhält, während er für dasselbe Kapital sonst 5 % erhalten würde; oder was auf dasselbe hinauskommt, er zahlt mehr Kapital für die Grundrente, als er für dieselbe jährliche Geldeinnahme in andern Anlagen zahlen würde. Daraus schliesst Herr Thiers in seiner überhaupt grundschlechten Schrift über La Propriété (dem Abdruck seiner 1849 in der französischen Nationalversammlung gehaltnen Rede gegen Proudhon) auf die Niedrigkeit der Grundrente, während es nur die Höhe ihres Kaufpreises beweist. Der Umstand, dass die kapitalisirte Grundrente als Bodenpreis oder Bodenwerth sich darstellt, und die Erde daher wie jede andre Waare gekauft und verkauft wird, gilt einigen Apologeten als Rechtfertigungsgrund des Grundeigenthums, indem der Käufer für es wie für jede andre Waare, ein Aequivalent gezahlt, und der grösste Theil des Grundeigenthums in dieser Weise die Hände 11*

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/172>, abgerufen am 29.11.2024.