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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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werden, um sie in Geld zu realisiren. Dieser Preisfall findet statt
unabhängig davon, ob der Ertrag, den diese Papiere ihrem Besitzer
sichern, konstant ist, wie bei den Staatseffekten, oder ob die Ver-
werthung des wirklichen Kapitals, das sie repräsentiren, wie bei
industriellen Unternehmungen, möglicherweise durch die Störung
des Reproduktionsprocesses mit betroffen wird. Im letztern Fall
tritt nur zu der erwähnten Entwerthung noch eine weitere hinzu.
Sobald der Sturm vorüber ist, steigen diese Papiere wieder auf ihre
frühere Höhe, soweit sie nicht verunglückte oder Schwindelunter-
nehmungen vorstellen. Ihre Depreciation in der Krise wirkt als
kräftiges Mittel zur Centralisation des Geldvermögens.2)

Soweit die Entwerthung oder Werthsteigerung dieser Papiere
unabhängig ist von der Werthbewegung des wirklichen Kapitals,
das sie repräsentiren, ist der Reichthum einer Nation gerade so
gross vor wie nach der Entwerthung oder Werthsteigerung. "Am
23. Oktober 1847 waren die öffentlichen Fonds und die Kanal-
und Eisenbahnaktien bereits entwerthet um 114725225 £." (Morris,
Gouverneur der Bank von England, Aussage in Bericht über
Commercial Distress 1847--48.) Soweit ihre Entwerthung nicht
wirklichen Stillstand der Produktion und des Verkehrs auf Eisen-
bahnen und Kanälen, oder Aufgeben von angefangnen Unternehmun-
gen ausdrückte, oder Wegwerfen von Kapital in positiv werthlosen
Unternehmungen, wurde die Nation um keinen Heller ärmer durch
das Zerplatzen dieser Seifenblasen von nominellem Geldkapital.

Alle diese Papiere stellen in der That nichts vor als akkumu-
lirte Ansprüche, Rechtstitel, auf künftige Produktion, deren Geld-
oder Kapitalwerth entweder gar kein Kapital repräsentirt, wie bei
den Staatsschulden, oder von dem Werth des wirklichen Kapitals,
das sie vorstellen, unabhängig regulirt wird.

In allen Ländern kapitalistischer Produktion existirt eine unge-
heure Masse des sog. zinstragenden Kapitals oder moneyed capital
in dieser Form. Und unter Akkumulation des Geldkapitals ist
zum grossen Theil nichts zu verstehn, als Akkumulation dieser
Ansprüche auf die Produktion, Akkumulation des Marktpreises, des
illusorischen Kapitalwerths dieser Ansprüche.


2) [Unmittelbar nach der Februarrevolution, als in Paris Waaren und Werth-
papiere aufs äusserste entwerthet und total unverkäuflich waren, machte ein
schweizer Kaufmann in Liverpool, Herr R. Zwilchenbart (der dies meinem Vater
erzählt hat) zu Geld, was er konnte, reiste mit der Baarschaft nach Paris und ging
zu Rothschild, ihm vorschlagend, ein gemeinsames Geschäft zu machen. Roth-
schild sah ihn starr an, stürzte auf ihn zu, ihn bei beiden Schultern fassend:
Avez-vous de l'argent sur vous? -- Oui, M. le baron. -- Alors vous etes mon
homme! -- Und sie machten beide ein brillantes Geschäft. -- F. E.]

werden, um sie in Geld zu realisiren. Dieser Preisfall findet statt
unabhängig davon, ob der Ertrag, den diese Papiere ihrem Besitzer
sichern, konstant ist, wie bei den Staatseffekten, oder ob die Ver-
werthung des wirklichen Kapitals, das sie repräsentiren, wie bei
industriellen Unternehmungen, möglicherweise durch die Störung
des Reproduktionsprocesses mit betroffen wird. Im letztern Fall
tritt nur zu der erwähnten Entwerthung noch eine weitere hinzu.
Sobald der Sturm vorüber ist, steigen diese Papiere wieder auf ihre
frühere Höhe, soweit sie nicht verunglückte oder Schwindelunter-
nehmungen vorstellen. Ihre Depreciation in der Krise wirkt als
kräftiges Mittel zur Centralisation des Geldvermögens.2)

Soweit die Entwerthung oder Werthsteigerung dieser Papiere
unabhängig ist von der Werthbewegung des wirklichen Kapitals,
das sie repräsentiren, ist der Reichthum einer Nation gerade so
gross vor wie nach der Entwerthung oder Werthsteigerung. „Am
23. Oktober 1847 waren die öffentlichen Fonds und die Kanal-
und Eisenbahnaktien bereits entwerthet um 114725225 £.“ (Morris,
Gouverneur der Bank von England, Aussage in Bericht über
Commercial Distress 1847—48.) Soweit ihre Entwerthung nicht
wirklichen Stillstand der Produktion und des Verkehrs auf Eisen-
bahnen und Kanälen, oder Aufgeben von angefangnen Unternehmun-
gen ausdrückte, oder Wegwerfen von Kapital in positiv werthlosen
Unternehmungen, wurde die Nation um keinen Heller ärmer durch
das Zerplatzen dieser Seifenblasen von nominellem Geldkapital.

Alle diese Papiere stellen in der That nichts vor als akkumu-
lirte Ansprüche, Rechtstitel, auf künftige Produktion, deren Geld-
oder Kapitalwerth entweder gar kein Kapital repräsentirt, wie bei
den Staatsschulden, oder von dem Werth des wirklichen Kapitals,
das sie vorstellen, unabhängig regulirt wird.

In allen Ländern kapitalistischer Produktion existirt eine unge-
heure Masse des sog. zinstragenden Kapitals oder moneyed capital
in dieser Form. Und unter Akkumulation des Geldkapitals ist
zum grossen Theil nichts zu verstehn, als Akkumulation dieser
Ansprüche auf die Produktion, Akkumulation des Marktpreises, des
illusorischen Kapitalwerths dieser Ansprüche.


2) [Unmittelbar nach der Februarrevolution, als in Paris Waaren und Werth-
papiere aufs äusserste entwerthet und total unverkäuflich waren, machte ein
schweizer Kaufmann in Liverpool, Herr R. Zwilchenbart (der dies meinem Vater
erzählt hat) zu Geld, was er konnte, reiste mit der Baarschaft nach Paris und ging
zu Rothschild, ihm vorschlagend, ein gemeinsames Geschäft zu machen. Roth-
schild sah ihn starr an, stürzte auf ihn zu, ihn bei beiden Schultern fassend:
Avez-vous de l’argent sur vous? — Oui, M. le baron. — Alors vous êtes mon
homme! — Und sie machten beide ein brillantes Geschäft. — F. E.]
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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/15>, abgerufen am 19.04.2024.