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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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Das Hauptmittel der Verkürzung der Produktionszeit ist die
Steigerung der Produktivität der Arbeit, was man gewöhnlich den
Fortschritt der Industrie nennt. Wird dadurch gleichzeitig nicht
eine bedeutende Verstärkung der gesammten Kapitalauslage durch
Anlage kostspieliger Maschinerie u. s. w., und damit eine Senkung
der auf das Gesammtkapital zu berechnenden Profitrate bewirkt,
so muss diese letztere steigen. Und dies ist entschieden der Fall
bei vielen der neuesten Fortschritte der Metallurgie und chemi-
schen Industrie. Die neuentdeckten Verfahrungsweisen der Eisen-
und Stahlbereitung von Bessemer, Siemens, Gilchrist-Thomas u. A.
kürzen, bei relativ geringen Kosten, früher höchst langwierige
Prozesse auf ein Minimum ab. Die Bereitung des Alizarins oder
Krappfarbstoffes aus Kohlentheer bringt in wenig Wochen, und
mit der schon bisher für Kohlentheerfarben im Gebrauch befind-
lichen Fabrikeinrichtung, dasselbe Resultat zu Stande, das früher
Jahre erforderte; ein Jahr brauchte der Krapp zum Wachsen, und
dann liess man die Wurzeln noch mehrere Jahre nachreifen, ehe
man sie verfärbte.

Das Hauptmittel zur Verkürzung der Cirkulationszeit sind ver-
besserte Kommunikationen. Und hierin haben die letzten fünfzig
Jahre eine Revolution gebracht, die sich nur mit der industriellen
Revolution der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vergleichen
lässt. Auf dem Lande ist die macadamisirte Strasse durch die
Eisenbahn, auf der See das langsame und unregelmäßige Segelschiff
durch die rasche und regelmäßige Dampferlinie in den Hinter-
grund gedrängt worden, und der ganze Erdball wird umspannt
von Telegraphendräthen. Der Suezkanal hat Ostasien und Austra-
lien dem Dampferverkehr erst eigentlich erschlossen. Die Cirku-
lationszeit einer Waarensendung nach Ostasien, 1847 noch min-
destens zwölf Monate (s. Buch II S. 235) ist jetzt ungefähr auf
ungefähr ebensoviel Wochen reducirbar geworden. Die beiden
grossen Krisenheerde von 1825--1857, Amerika und Indien, sind
durch diese Umwälzung der Verkehrsmittel den europäischen In-
dustrieländern um 70--90 % näher gerückt und haben damit
einen grossen Theil ihrer Explosionsfähigkeit verloren. Die Um-
schlagszeit des gesammten Welthandels ist in demselben Maß
verkürzt, und die Aktionsfähigkeit des darin betheiligten Kapitals
um mehr als das Doppelte oder Dreifache gesteigert worden.
Dass dies nicht ohne Wirkung auf die Profitrate geblieben, ver-
steht sich von selbst.

Um die Wirkung des Umschlags des Gesammtkapitals auf die

Das Hauptmittel der Verkürzung der Produktionszeit ist die
Steigerung der Produktivität der Arbeit, was man gewöhnlich den
Fortschritt der Industrie nennt. Wird dadurch gleichzeitig nicht
eine bedeutende Verstärkung der gesammten Kapitalauslage durch
Anlage kostspieliger Maschinerie u. s. w., und damit eine Senkung
der auf das Gesammtkapital zu berechnenden Profitrate bewirkt,
so muss diese letztere steigen. Und dies ist entschieden der Fall
bei vielen der neuesten Fortschritte der Metallurgie und chemi-
schen Industrie. Die neuentdeckten Verfahrungsweisen der Eisen-
und Stahlbereitung von Bessemer, Siemens, Gilchrist-Thomas u. A.
kürzen, bei relativ geringen Kosten, früher höchst langwierige
Prozesse auf ein Minimum ab. Die Bereitung des Alizarins oder
Krappfarbstoffes aus Kohlentheer bringt in wenig Wochen, und
mit der schon bisher für Kohlentheerfarben im Gebrauch befind-
lichen Fabrikeinrichtung, dasselbe Resultat zu Stande, das früher
Jahre erforderte; ein Jahr brauchte der Krapp zum Wachsen, und
dann liess man die Wurzeln noch mehrere Jahre nachreifen, ehe
man sie verfärbte.

Das Hauptmittel zur Verkürzung der Cirkulationszeit sind ver-
besserte Kommunikationen. Und hierin haben die letzten fünfzig
Jahre eine Revolution gebracht, die sich nur mit der industriellen
Revolution der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vergleichen
lässt. Auf dem Lande ist die macadamisirte Strasse durch die
Eisenbahn, auf der See das langsame und unregelmäßige Segelschiff
durch die rasche und regelmäßige Dampferlinie in den Hinter-
grund gedrängt worden, und der ganze Erdball wird umspannt
von Telegraphendräthen. Der Suezkanal hat Ostasien und Austra-
lien dem Dampferverkehr erst eigentlich erschlossen. Die Cirku-
lationszeit einer Waarensendung nach Ostasien, 1847 noch min-
destens zwölf Monate (s. Buch II S. 235) ist jetzt ungefähr auf
ungefähr ebensoviel Wochen reducirbar geworden. Die beiden
grossen Krisenheerde von 1825—1857, Amerika und Indien, sind
durch diese Umwälzung der Verkehrsmittel den europäischen In-
dustrieländern um 70—90 % näher gerückt und haben damit
einen grossen Theil ihrer Explosionsfähigkeit verloren. Die Um-
schlagszeit des gesammten Welthandels ist in demselben Maß
verkürzt, und die Aktionsfähigkeit des darin betheiligten Kapitals
um mehr als das Doppelte oder Dreifache gesteigert worden.
Dass dies nicht ohne Wirkung auf die Profitrate geblieben, ver-
steht sich von selbst.

Um die Wirkung des Umschlags des Gesammtkapitals auf die

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[45/0079] Das Hauptmittel der Verkürzung der Produktionszeit ist die Steigerung der Produktivität der Arbeit, was man gewöhnlich den Fortschritt der Industrie nennt. Wird dadurch gleichzeitig nicht eine bedeutende Verstärkung der gesammten Kapitalauslage durch Anlage kostspieliger Maschinerie u. s. w., und damit eine Senkung der auf das Gesammtkapital zu berechnenden Profitrate bewirkt, so muss diese letztere steigen. Und dies ist entschieden der Fall bei vielen der neuesten Fortschritte der Metallurgie und chemi- schen Industrie. Die neuentdeckten Verfahrungsweisen der Eisen- und Stahlbereitung von Bessemer, Siemens, Gilchrist-Thomas u. A. kürzen, bei relativ geringen Kosten, früher höchst langwierige Prozesse auf ein Minimum ab. Die Bereitung des Alizarins oder Krappfarbstoffes aus Kohlentheer bringt in wenig Wochen, und mit der schon bisher für Kohlentheerfarben im Gebrauch befind- lichen Fabrikeinrichtung, dasselbe Resultat zu Stande, das früher Jahre erforderte; ein Jahr brauchte der Krapp zum Wachsen, und dann liess man die Wurzeln noch mehrere Jahre nachreifen, ehe man sie verfärbte. Das Hauptmittel zur Verkürzung der Cirkulationszeit sind ver- besserte Kommunikationen. Und hierin haben die letzten fünfzig Jahre eine Revolution gebracht, die sich nur mit der industriellen Revolution der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vergleichen lässt. Auf dem Lande ist die macadamisirte Strasse durch die Eisenbahn, auf der See das langsame und unregelmäßige Segelschiff durch die rasche und regelmäßige Dampferlinie in den Hinter- grund gedrängt worden, und der ganze Erdball wird umspannt von Telegraphendräthen. Der Suezkanal hat Ostasien und Austra- lien dem Dampferverkehr erst eigentlich erschlossen. Die Cirku- lationszeit einer Waarensendung nach Ostasien, 1847 noch min- destens zwölf Monate (s. Buch II S. 235) ist jetzt ungefähr auf ungefähr ebensoviel Wochen reducirbar geworden. Die beiden grossen Krisenheerde von 1825—1857, Amerika und Indien, sind durch diese Umwälzung der Verkehrsmittel den europäischen In- dustrieländern um 70—90 % näher gerückt und haben damit einen grossen Theil ihrer Explosionsfähigkeit verloren. Die Um- schlagszeit des gesammten Welthandels ist in demselben Maß verkürzt, und die Aktionsfähigkeit des darin betheiligten Kapitals um mehr als das Doppelte oder Dreifache gesteigert worden. Dass dies nicht ohne Wirkung auf die Profitrate geblieben, ver- steht sich von selbst. Um die Wirkung des Umschlags des Gesammtkapitals auf die

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/79>, abgerufen am 20.04.2024.