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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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ihren Werth anders entwickelt oder vielmehr nicht entwickelt, da
alle Argumente dieser Art, der Sache nach, unfehlbar auf das
seinerzeit vielberühmte negative Gewicht des Phlogiston hinauslaufen.

Innerhalb eines durch die kapitalistische Produktion beherrschten
Gesellschaftszustandes ist auch der nichtkapitalistische Producent
durch die kapitalistischen Vorstellungen beherrscht. In seinem
letzten Roman, den Paysans, stellt Balzac, überhaupt ausgezeichnet
durch tiefe Auffassung der realen Verhältnisse, treffend dar, wie
der kleine Bauer, um das Wohlwollen seines Wucherers zu be-
wahren, diesem allerlei Arbeiten umsonst leistet und ihm damit
nichts zu schenken glaubt, weil seine eigne Arbeit ihm selbst keine
bare Auslage kostet. Der Wucherer seinerseits schlägt so zwei
Fliegen mit einer Klappe. Er erspart bare Auslage von Arbeits-
lohn und verstrickt den Bauer, den die Entziehung der Arbeit
vom eignen Feld fortschreitend ruinirt, tiefer und tiefer in das
Fangnetz der Wucherspinne.

Die gedankenlose Vorstellung, dass der Kostpreis der Waare
ihren wirklichen Werth ausmacht, der Mehrwerth aber aus dem
Verkauf der Waare über ihren Werth entspringt, dass die Waaren
also zu ihren Werthen verkauft werden, wenn ihr Verkaufspreis
gleich ihrem Kostpreis, d. h. gleich dem Preis der in ihnen auf-
gezehrten Produktionsmittel plus Arbeitslohn, ist von Proudhon
mit gewohnter, sich wissenschaftlich spreizender Charlatanerie als
neu entdecktes Geheimniss des Sozialismus ausposaunt worden.
Diese Reduktion des Werths der Waaren auf ihren Kostpreis
bildet in der That die Grundlage seiner Volksbank. Es ward
früher auseinandergesetzt, dass sich die verschiednen Werthbestand-
theile des Produkts in proportionellen Theilen des Produkts selbst
darstellen lassen. Beträgt z. B. (Buch I, Kap. VII, 2, S. 211/203)
der Werth von 20 Lb Garn 30 sh. -- nämlich 24 sh. Produktions-
mittel, 3 sh. Arbeitskraft und 3 sh. Mehrwerth -- so ist dieser
Mehrwerth darstellbar in des Produkts = 2 Lb Garn. Werden
die 20 Lb Garn nun zu ihrem Kostpreis verkauft, zu 27 sh., so
erhält der Verkäufer 2 Lb Garn umsonst oder die Waare ist um
unter ihrem Werth verkauft; aber der Arbeiter hat nach wie
vor seine Mehrarbeit geleistet, nur für den Käufer des Garns,
statt für den kapitalistischen Garnproducenten. Es wäre durchaus
falsch, vorauszusetzen, dass wenn alle Waaren zu ihren Kostpreisen
verkauft würden, das Resultat thatsächlich dasselbe wäre, als wenn
sie sich alle über ihren Kostpreisen, aber zu ihren Werthen ver-
kauften. Denn selbst wenn Werth der Arbeitskraft, Länge des

ihren Werth anders entwickelt oder vielmehr nicht entwickelt, da
alle Argumente dieser Art, der Sache nach, unfehlbar auf das
seinerzeit vielberühmte negative Gewicht des Phlogiston hinauslaufen.

Innerhalb eines durch die kapitalistische Produktion beherrschten
Gesellschaftszustandes ist auch der nichtkapitalistische Producent
durch die kapitalistischen Vorstellungen beherrscht. In seinem
letzten Roman, den Paysans, stellt Balzac, überhaupt ausgezeichnet
durch tiefe Auffassung der realen Verhältnisse, treffend dar, wie
der kleine Bauer, um das Wohlwollen seines Wucherers zu be-
wahren, diesem allerlei Arbeiten umsonst leistet und ihm damit
nichts zu schenken glaubt, weil seine eigne Arbeit ihm selbst keine
bare Auslage kostet. Der Wucherer seinerseits schlägt so zwei
Fliegen mit einer Klappe. Er erspart bare Auslage von Arbeits-
lohn und verstrickt den Bauer, den die Entziehung der Arbeit
vom eignen Feld fortschreitend ruinirt, tiefer und tiefer in das
Fangnetz der Wucherspinne.

Die gedankenlose Vorstellung, dass der Kostpreis der Waare
ihren wirklichen Werth ausmacht, der Mehrwerth aber aus dem
Verkauf der Waare über ihren Werth entspringt, dass die Waaren
also zu ihren Werthen verkauft werden, wenn ihr Verkaufspreis
gleich ihrem Kostpreis, d. h. gleich dem Preis der in ihnen auf-
gezehrten Produktionsmittel plus Arbeitslohn, ist von Proudhon
mit gewohnter, sich wissenschaftlich spreizender Charlatanerie als
neu entdecktes Geheimniss des Sozialismus ausposaunt worden.
Diese Reduktion des Werths der Waaren auf ihren Kostpreis
bildet in der That die Grundlage seiner Volksbank. Es ward
früher auseinandergesetzt, dass sich die verschiednen Werthbestand-
theile des Produkts in proportionellen Theilen des Produkts selbst
darstellen lassen. Beträgt z. B. (Buch I, Kap. VII, 2, S. 211/203)
der Werth von 20 Garn 30 sh. — nämlich 24 sh. Produktions-
mittel, 3 sh. Arbeitskraft und 3 sh. Mehrwerth — so ist dieser
Mehrwerth darstellbar in des Produkts = 2 Garn. Werden
die 20 Garn nun zu ihrem Kostpreis verkauft, zu 27 sh., so
erhält der Verkäufer 2 Garn umsonst oder die Waare ist um
unter ihrem Werth verkauft; aber der Arbeiter hat nach wie
vor seine Mehrarbeit geleistet, nur für den Käufer des Garns,
statt für den kapitalistischen Garnproducenten. Es wäre durchaus
falsch, vorauszusetzen, dass wenn alle Waaren zu ihren Kostpreisen
verkauft würden, das Resultat thatsächlich dasselbe wäre, als wenn
sie sich alle über ihren Kostpreisen, aber zu ihren Werthen ver-
kauften. Denn selbst wenn Werth der Arbeitskraft, Länge des

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[14/0048] ihren Werth anders entwickelt oder vielmehr nicht entwickelt, da alle Argumente dieser Art, der Sache nach, unfehlbar auf das seinerzeit vielberühmte negative Gewicht des Phlogiston hinauslaufen. Innerhalb eines durch die kapitalistische Produktion beherrschten Gesellschaftszustandes ist auch der nichtkapitalistische Producent durch die kapitalistischen Vorstellungen beherrscht. In seinem letzten Roman, den Paysans, stellt Balzac, überhaupt ausgezeichnet durch tiefe Auffassung der realen Verhältnisse, treffend dar, wie der kleine Bauer, um das Wohlwollen seines Wucherers zu be- wahren, diesem allerlei Arbeiten umsonst leistet und ihm damit nichts zu schenken glaubt, weil seine eigne Arbeit ihm selbst keine bare Auslage kostet. Der Wucherer seinerseits schlägt so zwei Fliegen mit einer Klappe. Er erspart bare Auslage von Arbeits- lohn und verstrickt den Bauer, den die Entziehung der Arbeit vom eignen Feld fortschreitend ruinirt, tiefer und tiefer in das Fangnetz der Wucherspinne. Die gedankenlose Vorstellung, dass der Kostpreis der Waare ihren wirklichen Werth ausmacht, der Mehrwerth aber aus dem Verkauf der Waare über ihren Werth entspringt, dass die Waaren also zu ihren Werthen verkauft werden, wenn ihr Verkaufspreis gleich ihrem Kostpreis, d. h. gleich dem Preis der in ihnen auf- gezehrten Produktionsmittel plus Arbeitslohn, ist von Proudhon mit gewohnter, sich wissenschaftlich spreizender Charlatanerie als neu entdecktes Geheimniss des Sozialismus ausposaunt worden. Diese Reduktion des Werths der Waaren auf ihren Kostpreis bildet in der That die Grundlage seiner Volksbank. Es ward früher auseinandergesetzt, dass sich die verschiednen Werthbestand- theile des Produkts in proportionellen Theilen des Produkts selbst darstellen lassen. Beträgt z. B. (Buch I, Kap. VII, 2, S. 211/203) der Werth von 20 ℔ Garn 30 sh. — nämlich 24 sh. Produktions- mittel, 3 sh. Arbeitskraft und 3 sh. Mehrwerth — so ist dieser Mehrwerth darstellbar in [FORMEL] des Produkts = 2 ℔ Garn. Werden die 20 ℔ Garn nun zu ihrem Kostpreis verkauft, zu 27 sh., so erhält der Verkäufer 2 ℔ Garn umsonst oder die Waare ist um [FORMEL] unter ihrem Werth verkauft; aber der Arbeiter hat nach wie vor seine Mehrarbeit geleistet, nur für den Käufer des Garns, statt für den kapitalistischen Garnproducenten. Es wäre durchaus falsch, vorauszusetzen, dass wenn alle Waaren zu ihren Kostpreisen verkauft würden, das Resultat thatsächlich dasselbe wäre, als wenn sie sich alle über ihren Kostpreisen, aber zu ihren Werthen ver- kauften. Denn selbst wenn Werth der Arbeitskraft, Länge des

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/48>, abgerufen am 28.03.2024.