Sauerstoffs gegenüber den Beiden, die ihn bloss dargestellt haben, ohne auch nur zu ahnen, was sie dargestellt hatten.
Wie Lavoisier zu Priestley und Scheele, so verhält sich Marx zu seinen Vorgängern in der Mehrwerthstheorie. Die Existenz des Produkten-Werththeils, den wir jetzt Mehrwerth nennen, war fest- gestellt lange vor Marx; ebenso war mit grössrer oder geringrer Klarheit ausgesprochen, woraus er besteht, nämlich aus dem Produkt der Arbeit für welche der Aneigner kein Aequivalent gezahlt hat. Weiter aber kam man nicht. Die einen -- die klassischen bürger- lichen Oekonomen -- untersuchten höchstens das Grössenverhältniss, worin das Arbeitsprodukt vertheilt wird zwischen dem Arbeiter und dem Besitzer der Produktionsmittel. Die andren -- die Socialisten -- fanden diese Vertheilung ungerecht und suchten nach utopistischen Mitteln, die Ungerechtigkeit zu beseitigen. Beide blieben be- fangen in den ökonomischen Kategorien, wie sie sie vorgefunden hatten.
Da trat Marx auf. Und zwar in direktem Gegensatz zu allen seinen Vorgängern. Wo diese eine Lösung gesehn hatten, sah er nur ein Problem. Er sah, dass hier weder dephlogistisirte Luft vor- lag noch Feuerluft, sondern Sauerstoff -- dass es sich hier nicht handelte, sei es um die blosse Konstatirung einer ökonomischen Thatsache, sei es um den Konflikt dieser Thatsache mit der ewigen Gerechtigkeit und der wahren Moral, sondern um eine Thatsache, die berufen war, die ganze Oekonomie umzuwälzen, und die für das Verständniss der gesammten kapitalistischen Produktion den Schlüssel bot -- für den der ihn zu gebrauchen wusste. An der Hand dieser Thatsache untersuchte er die sämmtlichen vorgefundnen Kategorien, wie Lavoisier an der Hand des Sauerstoffs die vorgefundnen Kate- gorien der phlogistischen Chemie untersucht hatte. Um zu wissen was der Mehrwerth war, musste er wissen was der Werth war. Ricardo's Werththeorie selbst musste vor allem der Kritik unter- worfen werden. Marx also untersuchte die Arbeit auf ihre werth- bildende Qualität und stellte zum ersten Mal fest, welche Arbeit, und warum, und wie, sie Werth bildet, und dass Werth überhaupt nichts ist als festgeronnene Arbeit dieser Art -- ein Punkt, den Rodbertus bis zuletzt nicht begriffen hat. Marx untersuchte dann
Sauerstoffs gegenüber den Beiden, die ihn bloss dargestellt haben, ohne auch nur zu ahnen, was sie dargestellt hatten.
Wie Lavoisier zu Priestley und Scheele, so verhält sich Marx zu seinen Vorgängern in der Mehrwerthstheorie. Die Existenz des Produkten-Werththeils, den wir jetzt Mehrwerth nennen, war fest- gestellt lange vor Marx; ebenso war mit grössrer oder geringrer Klarheit ausgesprochen, woraus er besteht, nämlich aus dem Produkt der Arbeit für welche der Aneigner kein Aequivalent gezahlt hat. Weiter aber kam man nicht. Die einen — die klassischen bürger- lichen Oekonomen — untersuchten höchstens das Grössenverhältniss, worin das Arbeitsprodukt vertheilt wird zwischen dem Arbeiter und dem Besitzer der Produktionsmittel. Die andren — die Socialisten — fanden diese Vertheilung ungerecht und suchten nach utopistischen Mitteln, die Ungerechtigkeit zu beseitigen. Beide blieben be- fangen in den ökonomischen Kategorien, wie sie sie vorgefunden hatten.
Da trat Marx auf. Und zwar in direktem Gegensatz zu allen seinen Vorgängern. Wo diese eine Lösung gesehn hatten, sah er nur ein Problem. Er sah, dass hier weder dephlogistisirte Luft vor- lag noch Feuerluft, sondern Sauerstoff — dass es sich hier nicht handelte, sei es um die blosse Konstatirung einer ökonomischen Thatsache, sei es um den Konflikt dieser Thatsache mit der ewigen Gerechtigkeit und der wahren Moral, sondern um eine Thatsache, die berufen war, die ganze Oekonomie umzuwälzen, und die für das Verständniss der gesammten kapitalistischen Produktion den Schlüssel bot — für den der ihn zu gebrauchen wusste. An der Hand dieser Thatsache untersuchte er die sämmtlichen vorgefundnen Kategorien, wie Lavoisier an der Hand des Sauerstoffs die vorgefundnen Kate- gorien der phlogistischen Chemie untersucht hatte. Um zu wissen was der Mehrwerth war, musste er wissen was der Werth war. Ricardo’s Werththeorie selbst musste vor allem der Kritik unter- worfen werden. Marx also untersuchte die Arbeit auf ihre werth- bildende Qualität und stellte zum ersten Mal fest, welche Arbeit, und warum, und wie, sie Werth bildet, und dass Werth überhaupt nichts ist als festgeronnene Arbeit dieser Art — ein Punkt, den Rodbertus bis zuletzt nicht begriffen hat. Marx untersuchte dann
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0025"n="XIX"/>
Sauerstoffs gegenüber den Beiden, die ihn bloss <hirendition="#g">dargestellt</hi> haben,<lb/>
ohne auch nur zu ahnen, <hirendition="#g">was</hi> sie dargestellt hatten.</p><lb/><p>Wie Lavoisier zu Priestley und Scheele, so verhält sich Marx<lb/>
zu seinen Vorgängern in der Mehrwerthstheorie. Die <hirendition="#g">Existenz</hi> des<lb/>
Produkten-Werththeils, den wir jetzt Mehrwerth nennen, war fest-<lb/>
gestellt lange vor Marx; ebenso war mit grössrer oder geringrer<lb/>
Klarheit ausgesprochen, woraus er besteht, nämlich aus dem Produkt<lb/>
der Arbeit für welche der Aneigner kein Aequivalent gezahlt hat.<lb/>
Weiter aber kam man nicht. Die einen — die klassischen bürger-<lb/>
lichen Oekonomen — untersuchten höchstens das Grössenverhältniss,<lb/>
worin das Arbeitsprodukt vertheilt wird zwischen dem Arbeiter und<lb/>
dem Besitzer der Produktionsmittel. Die andren — die Socialisten<lb/>— fanden diese Vertheilung ungerecht und suchten nach utopistischen<lb/>
Mitteln, die Ungerechtigkeit zu beseitigen. Beide blieben be-<lb/>
fangen in den ökonomischen Kategorien, wie sie sie vorgefunden<lb/>
hatten.</p><lb/><p>Da trat Marx auf. Und zwar in direktem Gegensatz zu allen<lb/>
seinen Vorgängern. Wo diese eine <hirendition="#g">Lösung</hi> gesehn hatten, sah er<lb/>
nur ein <hirendition="#g">Problem</hi>. Er sah, dass hier weder dephlogistisirte Luft vor-<lb/>
lag noch Feuerluft, sondern Sauerstoff — dass es sich hier nicht<lb/>
handelte, sei es um die blosse Konstatirung einer ökonomischen<lb/>
Thatsache, sei es um den Konflikt dieser Thatsache mit der ewigen<lb/>
Gerechtigkeit und der wahren Moral, sondern um eine Thatsache,<lb/>
die berufen war, die ganze Oekonomie umzuwälzen, und die für das<lb/>
Verständniss der gesammten kapitalistischen Produktion den Schlüssel<lb/>
bot — für den der ihn zu gebrauchen wusste. An der Hand dieser<lb/>
Thatsache untersuchte er die sämmtlichen vorgefundnen Kategorien,<lb/>
wie Lavoisier an der Hand des Sauerstoffs die vorgefundnen Kate-<lb/>
gorien der phlogistischen Chemie untersucht hatte. Um zu wissen<lb/>
was der Mehrwerth war, musste er wissen was der Werth war.<lb/>
Ricardo’s Werththeorie selbst musste vor allem der Kritik unter-<lb/>
worfen werden. Marx also untersuchte die Arbeit auf ihre werth-<lb/>
bildende Qualität und stellte zum ersten Mal fest, <hirendition="#g">welche</hi> Arbeit,<lb/>
und warum, und wie, sie Werth bildet, und dass Werth überhaupt<lb/>
nichts ist als festgeronnene Arbeit <hirendition="#g">dieser Art</hi>— ein Punkt, den<lb/>
Rodbertus bis zuletzt nicht begriffen hat. Marx untersuchte dann<lb/></p></div></front></text></TEI>
[XIX/0025]
Sauerstoffs gegenüber den Beiden, die ihn bloss dargestellt haben,
ohne auch nur zu ahnen, was sie dargestellt hatten.
Wie Lavoisier zu Priestley und Scheele, so verhält sich Marx
zu seinen Vorgängern in der Mehrwerthstheorie. Die Existenz des
Produkten-Werththeils, den wir jetzt Mehrwerth nennen, war fest-
gestellt lange vor Marx; ebenso war mit grössrer oder geringrer
Klarheit ausgesprochen, woraus er besteht, nämlich aus dem Produkt
der Arbeit für welche der Aneigner kein Aequivalent gezahlt hat.
Weiter aber kam man nicht. Die einen — die klassischen bürger-
lichen Oekonomen — untersuchten höchstens das Grössenverhältniss,
worin das Arbeitsprodukt vertheilt wird zwischen dem Arbeiter und
dem Besitzer der Produktionsmittel. Die andren — die Socialisten
— fanden diese Vertheilung ungerecht und suchten nach utopistischen
Mitteln, die Ungerechtigkeit zu beseitigen. Beide blieben be-
fangen in den ökonomischen Kategorien, wie sie sie vorgefunden
hatten.
Da trat Marx auf. Und zwar in direktem Gegensatz zu allen
seinen Vorgängern. Wo diese eine Lösung gesehn hatten, sah er
nur ein Problem. Er sah, dass hier weder dephlogistisirte Luft vor-
lag noch Feuerluft, sondern Sauerstoff — dass es sich hier nicht
handelte, sei es um die blosse Konstatirung einer ökonomischen
Thatsache, sei es um den Konflikt dieser Thatsache mit der ewigen
Gerechtigkeit und der wahren Moral, sondern um eine Thatsache,
die berufen war, die ganze Oekonomie umzuwälzen, und die für das
Verständniss der gesammten kapitalistischen Produktion den Schlüssel
bot — für den der ihn zu gebrauchen wusste. An der Hand dieser
Thatsache untersuchte er die sämmtlichen vorgefundnen Kategorien,
wie Lavoisier an der Hand des Sauerstoffs die vorgefundnen Kate-
gorien der phlogistischen Chemie untersucht hatte. Um zu wissen
was der Mehrwerth war, musste er wissen was der Werth war.
Ricardo’s Werththeorie selbst musste vor allem der Kritik unter-
worfen werden. Marx also untersuchte die Arbeit auf ihre werth-
bildende Qualität und stellte zum ersten Mal fest, welche Arbeit,
und warum, und wie, sie Werth bildet, und dass Werth überhaupt
nichts ist als festgeronnene Arbeit dieser Art — ein Punkt, den
Rodbertus bis zuletzt nicht begriffen hat. Marx untersuchte dann
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Bd. 2. Buch II: Der Cirkulationsprocess des Kapitals. Hamburg, 1885, S. XIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital02_1885/25>, abgerufen am 12.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.