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Marx, Karl: Das Kapital. Bd. 2. Buch II: Der Cirkulationsprocess des Kapitals. Hamburg, 1885.

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standtheile sind, sich im Cirkulationsprocess wechselseitig ersetzen -- mit
Bezug auf das Kapital sowohl als den Mehrwerth -- ergibt sich nicht
aus den einfachen Metamorphosenverschlingungen der Waarencirkulation,
welche die Vorgänge der Kapitalcirkulation mit aller andren Waarencirku-
lation gemein haben, sondern erfordert andre Untersuchungsweise. Man
hat sich dabei bisher mit Phrasen begnügt die, näher analysirt, nichts
enthalten als unbestimmte Vorstellungen, wie sie lediglich den aller Waaren-
cirkulation angehörigen Verschlingungen von Metamorphosen entlehnt sind.



Eine der handgreiflichsten Eigenthümlichkeiten des Kreislaufspro-
cesses des industriellen Kapitals, also auch der kapitalistischen Produktion,
ist der Umstand, dass einerseits die Bildungselemente des produktiven Ka-
pitals aus dem Waarenmarkt herstammen und beständig aus demselben
erneuert, als Waaren gekauft werden müssen; andrerseits das Produkt
des Arbeitsprocesses als Waare aus ihm hervorgeht, und beständig von
neuem als Waare verkauft werden muss. Man vergleiche z. B. einen
modernen Pächter von Nieder-Schottland mit einem altmodischen kon-
tinentalen Kleinbauer. Der erstre verkauft sein ganzes Produkt und hat
daher auch alle Elemente desselben, selbst die Aussaat, auf dem Markt
zu ersetzen; der andre verzehrt den grössten Theil seines Produkts direkt,
kauft und verkauft möglichst wenig, verfertigt Werkzeuge, Kleidung etc.
soweit möglich selbst.

Man hat daraufhin Naturalwirthschaft, Geldwirthschaft und Kredit-
wirthschaft als die drei charakteristischen ökonomischen Bewegungsformen
der gesellschaftlichen Produktion einander gegenübergestellt.

Erstens stellen diese drei Formen keine gleichwerthigen Entwicklungs-
phasen dar. Die sogenannte Kreditwirthschaft ist selbst nur eine Form
der Geldwirthschaft, soweit beide Bezeichnungen Verkehrsfunktionen oder
Verkehrsweisen zwischen den Producenten selbst ausdrücken. In der ent-
wickelten kapitalistischen Produktion erscheint die Geldwirthschaft nur
noch als Grundlage der Kreditwirthschaft. Geldwirthschaft und Kredit-
wirthschaft entsprechen so nur verschiednen Entwicklungsstufen der kapi-
talistischen Produktion, sind aber keineswegs verschiedne selbständige Ver-
kehrsformen gegenüber der Naturalwirthschaft. Mit demselben Recht könnte
man die sehr verschiednen Formen der Naturalwirthschaft als gleich-
werthig jenen beiden gegenüberstellen.


standtheile sind, sich im Cirkulationsprocess wechselseitig ersetzen — mit
Bezug auf das Kapital sowohl als den Mehrwerth — ergibt sich nicht
aus den einfachen Metamorphosenverschlingungen der Waarencirkulation,
welche die Vorgänge der Kapitalcirkulation mit aller andren Waarencirku-
lation gemein haben, sondern erfordert andre Untersuchungsweise. Man
hat sich dabei bisher mit Phrasen begnügt die, näher analysirt, nichts
enthalten als unbestimmte Vorstellungen, wie sie lediglich den aller Waaren-
cirkulation angehörigen Verschlingungen von Metamorphosen entlehnt sind.



Eine der handgreiflichsten Eigenthümlichkeiten des Kreislaufspro-
cesses des industriellen Kapitals, also auch der kapitalistischen Produktion,
ist der Umstand, dass einerseits die Bildungselemente des produktiven Ka-
pitals aus dem Waarenmarkt herstammen und beständig aus demselben
erneuert, als Waaren gekauft werden müssen; andrerseits das Produkt
des Arbeitsprocesses als Waare aus ihm hervorgeht, und beständig von
neuem als Waare verkauft werden muss. Man vergleiche z. B. einen
modernen Pächter von Nieder-Schottland mit einem altmodischen kon-
tinentalen Kleinbauer. Der erstre verkauft sein ganzes Produkt und hat
daher auch alle Elemente desselben, selbst die Aussaat, auf dem Markt
zu ersetzen; der andre verzehrt den grössten Theil seines Produkts direkt,
kauft und verkauft möglichst wenig, verfertigt Werkzeuge, Kleidung etc.
soweit möglich selbst.

Man hat daraufhin Naturalwirthschaft, Geldwirthschaft und Kredit-
wirthschaft als die drei charakteristischen ökonomischen Bewegungsformen
der gesellschaftlichen Produktion einander gegenübergestellt.

Erstens stellen diese drei Formen keine gleichwerthigen Entwicklungs-
phasen dar. Die sogenannte Kreditwirthschaft ist selbst nur eine Form
der Geldwirthschaft, soweit beide Bezeichnungen Verkehrsfunktionen oder
Verkehrsweisen zwischen den Producenten selbst ausdrücken. In der ent-
wickelten kapitalistischen Produktion erscheint die Geldwirthschaft nur
noch als Grundlage der Kreditwirthschaft. Geldwirthschaft und Kredit-
wirthschaft entsprechen so nur verschiednen Entwicklungsstufen der kapi-
talistischen Produktion, sind aber keineswegs verschiedne selbständige Ver-
kehrsformen gegenüber der Naturalwirthschaft. Mit demselben Recht könnte
man die sehr verschiednen Formen der Naturalwirthschaft als gleich-
werthig jenen beiden gegenüberstellen.


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[92/0126] standtheile sind, sich im Cirkulationsprocess wechselseitig ersetzen — mit Bezug auf das Kapital sowohl als den Mehrwerth — ergibt sich nicht aus den einfachen Metamorphosenverschlingungen der Waarencirkulation, welche die Vorgänge der Kapitalcirkulation mit aller andren Waarencirku- lation gemein haben, sondern erfordert andre Untersuchungsweise. Man hat sich dabei bisher mit Phrasen begnügt die, näher analysirt, nichts enthalten als unbestimmte Vorstellungen, wie sie lediglich den aller Waaren- cirkulation angehörigen Verschlingungen von Metamorphosen entlehnt sind. Eine der handgreiflichsten Eigenthümlichkeiten des Kreislaufspro- cesses des industriellen Kapitals, also auch der kapitalistischen Produktion, ist der Umstand, dass einerseits die Bildungselemente des produktiven Ka- pitals aus dem Waarenmarkt herstammen und beständig aus demselben erneuert, als Waaren gekauft werden müssen; andrerseits das Produkt des Arbeitsprocesses als Waare aus ihm hervorgeht, und beständig von neuem als Waare verkauft werden muss. Man vergleiche z. B. einen modernen Pächter von Nieder-Schottland mit einem altmodischen kon- tinentalen Kleinbauer. Der erstre verkauft sein ganzes Produkt und hat daher auch alle Elemente desselben, selbst die Aussaat, auf dem Markt zu ersetzen; der andre verzehrt den grössten Theil seines Produkts direkt, kauft und verkauft möglichst wenig, verfertigt Werkzeuge, Kleidung etc. soweit möglich selbst. Man hat daraufhin Naturalwirthschaft, Geldwirthschaft und Kredit- wirthschaft als die drei charakteristischen ökonomischen Bewegungsformen der gesellschaftlichen Produktion einander gegenübergestellt. Erstens stellen diese drei Formen keine gleichwerthigen Entwicklungs- phasen dar. Die sogenannte Kreditwirthschaft ist selbst nur eine Form der Geldwirthschaft, soweit beide Bezeichnungen Verkehrsfunktionen oder Verkehrsweisen zwischen den Producenten selbst ausdrücken. In der ent- wickelten kapitalistischen Produktion erscheint die Geldwirthschaft nur noch als Grundlage der Kreditwirthschaft. Geldwirthschaft und Kredit- wirthschaft entsprechen so nur verschiednen Entwicklungsstufen der kapi- talistischen Produktion, sind aber keineswegs verschiedne selbständige Ver- kehrsformen gegenüber der Naturalwirthschaft. Mit demselben Recht könnte man die sehr verschiednen Formen der Naturalwirthschaft als gleich- werthig jenen beiden gegenüberstellen.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Bd. 2. Buch II: Der Cirkulationsprocess des Kapitals. Hamburg, 1885, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital02_1885/126>, abgerufen am 25.04.2024.