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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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Die absolute Arbeiterbevölkerung wächst hier viel rascher als im Mutter-
land, indem viele Arbeiter erwachsen auf die Welt kommen, und dennoch
ist der Arbeitsmarkt stets untervoll. Das Gesetz der Arbeitsnachfrage
und Zufuhr geräth in die Brüche, wie Taylor's Formel in einem Fall des
Differentialkalkuls. Einerseits wirft die alte Welt fortwährend exploita-
tionslustiges, entsagungsbedürftiges Kapital ein; andrerseits stösst die
regelmässige Reproduktion des Lohnarbeiters als Lohn-
arbeiter
und daher noch mehr die Produktion einer Surplus-
Arbeiterbevölkerung
im Verhältniss zur Accumulation des Kapitals
auf die unartigsten und theilweis unüberwindlichen Hindernisse. Der Lohn-
arbeiter von heute wird morgen unabhängiger, selbst wirthschaftender Bauer
oder Handwerker. Er verschwindet vom Arbeitsmarkt, aber nicht ins --
Workhouse. Diese beständige Verwandlung der Lohnarbeiter in
unabhängige Producenten
, die statt für das Kapital, für sich selbst
arbeiten, und statt den Herrn Kapitalisten sich selbst bereichern, wirkt ihrer-
seits durchaus schadhaft auf die Zustände des Lohnarbeitsmarkts
zurück. Nicht nur bleibt der Exploitationsgrad des Lohnarbeiters unan-
ständig niedrig. Der letztre verliert mit dem Abhängigkeitsverhältniss
auch das Abhängigkeitsgefühl vom entsagenden Kapitalisten. Daher alle
die Missstände, die unser E. G. Wakefield so brav, so beredt und so
rührend schildert.

Die Zufuhr des Lohnarbeitsmarkts, klagt er, ist weder beständig,
noch regelmässig, noch genügend. "Sie ist stets nicht nur zu klein, son-
dern unsicher"265). "Obgleich das zwischen Arbeiter und Kapitalist zu
theilende Produkt gross ist, nimmt der Arbeiter einen so
grossen Theil, dasser rasch ein Kapitalist wird
... Dage-
gen können Wenige, selbst wenn sie ungewöhnlich lang leben, grosse Reich-
thummassen accumuliren"266). Die Arbeiter erlauben dem Kapitalisten
platterdings nicht auf Zahlung des grössten Theils ihrer Arbeit zu
entsagen. Es hilft ihm nichts, wenn er so schlau ist, mit seinem
eignen Kapital auch seine eignen Lohnarbeiter aus Europa zu importiren.
"Sie hören bald auf Lohnarbeiter zu sein, sie verwandeln sich bald in
unabhängige Bauern oder gar in Konkurrenten ihrer alten Meister auf dem

265) l. c. v. II, p. 116.
266) l. c. v. I, p. 130, 131.

Die absolute Arbeiterbevölkerung wächst hier viel rascher als im Mutter-
land, indem viele Arbeiter erwachsen auf die Welt kommen, und dennoch
ist der Arbeitsmarkt stets untervoll. Das Gesetz der Arbeitsnachfrage
und Zufuhr geräth in die Brüche, wie Taylor’s Formel in einem Fall des
Differentialkalkuls. Einerseits wirft die alte Welt fortwährend exploita-
tionslustiges, entsagungsbedürftiges Kapital ein; andrerseits stösst die
regelmässige Reproduktion des Lohnarbeiters als Lohn-
arbeiter
und daher noch mehr die Produktion einer Surplus-
Arbeiterbevölkerung
im Verhältniss zur Accumulation des Kapitals
auf die unartigsten und theilweis unüberwindlichen Hindernisse. Der Lohn-
arbeiter von heute wird morgen unabhängiger, selbst wirthschaftender Bauer
oder Handwerker. Er verschwindet vom Arbeitsmarkt, aber nicht ins —
Workhouse. Diese beständige Verwandlung der Lohnarbeiter in
unabhängige Producenten
, die statt für das Kapital, für sich selbst
arbeiten, und statt den Herrn Kapitalisten sich selbst bereichern, wirkt ihrer-
seits durchaus schadhaft auf die Zustände des Lohnarbeitsmarkts
zurück. Nicht nur bleibt der Exploitationsgrad des Lohnarbeiters unan-
ständig niedrig. Der letztre verliert mit dem Abhängigkeitsverhältniss
auch das Abhängigkeitsgefühl vom entsagenden Kapitalisten. Daher alle
die Missstände, die unser E. G. Wakefield so brav, so beredt und so
rührend schildert.

Die Zufuhr des Lohnarbeitsmarkts, klagt er, ist weder beständig,
noch regelmässig, noch genügend. „Sie ist stets nicht nur zu klein, son-
dern unsicher“265). „Obgleich das zwischen Arbeiter und Kapitalist zu
theilende Produkt gross ist, nimmt der Arbeiter einen so
grossen Theil, dasser rasch ein Kapitalist wird
… Dage-
gen können Wenige, selbst wenn sie ungewöhnlich lang leben, grosse Reich-
thummassen accumuliren“266). Die Arbeiter erlauben dem Kapitalisten
platterdings nicht auf Zahlung des grössten Theils ihrer Arbeit zu
entsagen. Es hilft ihm nichts, wenn er so schlau ist, mit seinem
eignen Kapital auch seine eignen Lohnarbeiter aus Europa zu importiren.
„Sie hören bald auf Lohnarbeiter zu sein, sie verwandeln sich bald in
unabhängige Bauern oder gar in Konkurrenten ihrer alten Meister auf dem

265) l. c. v. II, p. 116.
266) l. c. v. I, p. 130, 131.
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[751/0770] Die absolute Arbeiterbevölkerung wächst hier viel rascher als im Mutter- land, indem viele Arbeiter erwachsen auf die Welt kommen, und dennoch ist der Arbeitsmarkt stets untervoll. Das Gesetz der Arbeitsnachfrage und Zufuhr geräth in die Brüche, wie Taylor’s Formel in einem Fall des Differentialkalkuls. Einerseits wirft die alte Welt fortwährend exploita- tionslustiges, entsagungsbedürftiges Kapital ein; andrerseits stösst die regelmässige Reproduktion des Lohnarbeiters als Lohn- arbeiter und daher noch mehr die Produktion einer Surplus- Arbeiterbevölkerung im Verhältniss zur Accumulation des Kapitals auf die unartigsten und theilweis unüberwindlichen Hindernisse. Der Lohn- arbeiter von heute wird morgen unabhängiger, selbst wirthschaftender Bauer oder Handwerker. Er verschwindet vom Arbeitsmarkt, aber nicht ins — Workhouse. Diese beständige Verwandlung der Lohnarbeiter in unabhängige Producenten, die statt für das Kapital, für sich selbst arbeiten, und statt den Herrn Kapitalisten sich selbst bereichern, wirkt ihrer- seits durchaus schadhaft auf die Zustände des Lohnarbeitsmarkts zurück. Nicht nur bleibt der Exploitationsgrad des Lohnarbeiters unan- ständig niedrig. Der letztre verliert mit dem Abhängigkeitsverhältniss auch das Abhängigkeitsgefühl vom entsagenden Kapitalisten. Daher alle die Missstände, die unser E. G. Wakefield so brav, so beredt und so rührend schildert. Die Zufuhr des Lohnarbeitsmarkts, klagt er, ist weder beständig, noch regelmässig, noch genügend. „Sie ist stets nicht nur zu klein, son- dern unsicher“ 265). „Obgleich das zwischen Arbeiter und Kapitalist zu theilende Produkt gross ist, nimmt der Arbeiter einen so grossen Theil, dasser rasch ein Kapitalist wird … Dage- gen können Wenige, selbst wenn sie ungewöhnlich lang leben, grosse Reich- thummassen accumuliren“ 266). Die Arbeiter erlauben dem Kapitalisten platterdings nicht auf Zahlung des grössten Theils ihrer Arbeit zu entsagen. Es hilft ihm nichts, wenn er so schlau ist, mit seinem eignen Kapital auch seine eignen Lohnarbeiter aus Europa zu importiren. „Sie hören bald auf Lohnarbeiter zu sein, sie verwandeln sich bald in unabhängige Bauern oder gar in Konkurrenten ihrer alten Meister auf dem 265) l. c. v. II, p. 116. 266) l. c. v. I, p. 130, 131.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 751. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/770>, abgerufen am 26.06.2024.