talistische Agrikultur und "das wahre Verhältniss von Ackerland und Vieh- weide herzustellen", beweist er dagegen nicht dieselbe ökonomische Einsicht in die Nothwendigkeit des Kinderraubs und der Kindersklaverei für die Verwandlung des Manufakturbetriebs in den Fabrikbetrieb und die Herstellung des wahren Verhältnisses von Kapital und Arbeits- kraft. Er sagt: "Es mag vielleicht der Erwägung des Publikums werth sein, ob irgend eine Manufaktur, die zu ihrer erfolgreichen Ausführung Cottages und Workhouses von armen Kindern ausplündern muss, damit sie, truppweis sich ablösend, den grössten Theil der Nacht durch abgerackert und der Ruhe beraubt werden, eine Manufaktur, die ausserdem Haufen beiderlei Geschlechts, von verschiednen Altersstufen und Neigungen, so zusammenhudelt, dass die Ansteckung des Beispiels zu Verworfenheit und Liederlichkeit führen muss, ob solch eine Manufaktur die Summe des nationalen und indivi- duellen Glücks vermehren kann"245)? "In Derbyshire, Nottinghamshire und besonders Lancashire," sagt Fielden, "wurde die jüngst erfundne Maschinerie angewandt in grossen Fabriken, dicht bei Strömen fähig das Wasserrad zu drehn. Tausende von Händen waren plötzlich erheischt an diesen Plätzen, fern von den Städten; und Lancashire namentlich, bis zu jener Zeit vergleichungsweis dünn bevölkert und unfruchtbar, bedurfte jetzt vor allem einer Population. Die kleinen und flinken Finger waren vor allen in Requisition. Sofort sprang die Gewohnheit auf, Lehrlinge(!) aus den verschiedenen Pfarrei-Workhouses von London, Birmingham und sonstwo zu beziehn. Tausende dieser kleinen hilflosen Kreaturen wurden so nach dem Norden spedirt, vom 7. -- 13. oder 14. Jahr. Es war die Gewohnheit für den Meister (d. h. den Kinderdieb), seine Lehrlinge zu kleiden, nähren und logiren in einem Lehrlingshaus nah bei der Fabrik. Aufseher wurden bestellt um ihre Arbeit zu überwachen. Es war das In- teresse dieser Sklaventreiber die Kinder aufs Aeusserste abzuarbeiten, denn ihre Zahlung stand im Verhältniss zur Quantität Produkt, die aus dem Kind erpresst werden konnte. Grausamkeit war natürliche Folge . . . . In vielen Fabrikdistrikten, besonders Lancashire's, wurden die herzzerreis- sendsten Torturen prakticirt an diesen harmlosen und freundlosen Krea- turen, die den Fabrikherrn consignirt waren. Sie wurden zu Tod gehetzt durch Arbeitsexcesse; sie wurden gepeitscht, gekettet und gefoltert mit
245)Eden l. c. b. II, ch. I, p. 421.
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talistische Agrikultur und „das wahre Verhältniss von Ackerland und Vieh- weide herzustellen“, beweist er dagegen nicht dieselbe ökonomische Einsicht in die Nothwendigkeit des Kinderraubs und der Kindersklaverei für die Verwandlung des Manufakturbetriebs in den Fabrikbetrieb und die Herstellung des wahren Verhältnisses von Kapital und Arbeits- kraft. Er sagt: „Es mag vielleicht der Erwägung des Publikums werth sein, ob irgend eine Manufaktur, die zu ihrer erfolgreichen Ausführung Cottages und Workhouses von armen Kindern ausplündern muss, damit sie, truppweis sich ablösend, den grössten Theil der Nacht durch abgerackert und der Ruhe beraubt werden, eine Manufaktur, die ausserdem Haufen beiderlei Geschlechts, von verschiednen Altersstufen und Neigungen, so zusammenhudelt, dass die Ansteckung des Beispiels zu Verworfenheit und Liederlichkeit führen muss, ob solch eine Manufaktur die Summe des nationalen und indivi- duellen Glücks vermehren kann“245)? „In Derbyshire, Nottinghamshire und besonders Lancashire,“ sagt Fielden, „wurde die jüngst erfundne Maschinerie angewandt in grossen Fabriken, dicht bei Strömen fähig das Wasserrad zu drehn. Tausende von Händen waren plötzlich erheischt an diesen Plätzen, fern von den Städten; und Lancashire namentlich, bis zu jener Zeit vergleichungsweis dünn bevölkert und unfruchtbar, bedurfte jetzt vor allem einer Population. Die kleinen und flinken Finger waren vor allen in Requisition. Sofort sprang die Gewohnheit auf, Lehrlinge(!) aus den verschiedenen Pfarrei-Workhouses von London, Birmingham und sonstwo zu beziehn. Tausende dieser kleinen hilflosen Kreaturen wurden so nach dem Norden spedirt, vom 7. — 13. oder 14. Jahr. Es war die Gewohnheit für den Meister (d. h. den Kinderdieb), seine Lehrlinge zu kleiden, nähren und logiren in einem Lehrlingshaus nah bei der Fabrik. Aufseher wurden bestellt um ihre Arbeit zu überwachen. Es war das In- teresse dieser Sklaventreiber die Kinder aufs Aeusserste abzuarbeiten, denn ihre Zahlung stand im Verhältniss zur Quantität Produkt, die aus dem Kind erpresst werden konnte. Grausamkeit war natürliche Folge . . . . In vielen Fabrikdistrikten, besonders Lancashire’s, wurden die herzzerreis- sendsten Torturen prakticirt an diesen harmlosen und freundlosen Krea- turen, die den Fabrikherrn consignirt waren. Sie wurden zu Tod gehetzt durch Arbeitsexcesse; sie wurden gepeitscht, gekettet und gefoltert mit
245)Eden l. c. b. II, ch. I, p. 421.
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talistische Agrikultur und „das wahre Verhältniss von Ackerland und Vieh-
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in die Nothwendigkeit des Kinderraubs und der Kindersklaverei
für die Verwandlung des Manufakturbetriebs in den Fabrikbetrieb und die
Herstellung des wahren Verhältnisses von Kapital und Arbeits-
kraft. Er sagt: „Es mag vielleicht der Erwägung des Publikums werth sein,
ob irgend eine Manufaktur, die zu ihrer erfolgreichen Ausführung Cottages
und Workhouses von armen Kindern ausplündern muss, damit sie, truppweis
sich ablösend, den grössten Theil der Nacht durch abgerackert und der Ruhe
beraubt werden, eine Manufaktur, die ausserdem Haufen beiderlei Geschlechts,
von verschiednen Altersstufen und Neigungen, so zusammenhudelt, dass
die Ansteckung des Beispiels zu Verworfenheit und Liederlichkeit führen
muss, ob solch eine Manufaktur die Summe des nationalen und indivi-
duellen Glücks vermehren kann“ 245)? „In Derbyshire, Nottinghamshire
und besonders Lancashire,“ sagt Fielden, „wurde die jüngst erfundne
Maschinerie angewandt in grossen Fabriken, dicht bei Strömen fähig das
Wasserrad zu drehn. Tausende von Händen waren plötzlich erheischt an
diesen Plätzen, fern von den Städten; und Lancashire namentlich, bis zu
jener Zeit vergleichungsweis dünn bevölkert und unfruchtbar, bedurfte jetzt
vor allem einer Population. Die kleinen und flinken Finger waren vor
allen in Requisition. Sofort sprang die Gewohnheit auf, Lehrlinge(!)
aus den verschiedenen Pfarrei-Workhouses von London, Birmingham und
sonstwo zu beziehn. Tausende dieser kleinen hilflosen Kreaturen wurden
so nach dem Norden spedirt, vom 7. — 13. oder 14. Jahr. Es war die
Gewohnheit für den Meister (d. h. den Kinderdieb), seine Lehrlinge zu
kleiden, nähren und logiren in einem Lehrlingshaus nah bei der Fabrik.
Aufseher wurden bestellt um ihre Arbeit zu überwachen. Es war das In-
teresse dieser Sklaventreiber die Kinder aufs Aeusserste abzuarbeiten, denn
ihre Zahlung stand im Verhältniss zur Quantität Produkt, die aus dem Kind
erpresst werden konnte. Grausamkeit war natürliche Folge . . . . In
vielen Fabrikdistrikten, besonders Lancashire’s, wurden die herzzerreis-
sendsten Torturen prakticirt an diesen harmlosen und freundlosen Krea-
turen, die den Fabrikherrn consignirt waren. Sie wurden zu Tod gehetzt
durch Arbeitsexcesse; sie wurden gepeitscht, gekettet und gefoltert mit
245) Eden l. c. b. II, ch. I, p. 421.
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 739. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/758>, abgerufen am 24.11.2024.
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