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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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als solche bezahlt. In den grösseren Schneiderwerkstätten Londons heisst
daher ein gewisses Stück Arbeit, z. B. eine Weste u. s. w., Stunde, halbe
Stunde u. s. w., die Stunde zu 6 d. Aus der Praxis ist bekannt, wie viel
das Durchschnittsprodukt einer Stunde. Bei neuen Moden, Reparaturen
u. s. w. entsteht Streit zwischen Anwender und Arbeiter, ob ein bestimmtes
Arbeitsstück = einer Stunde u. s. w., bis auch hier die Erfahrung ent-
scheidet. Aehnlich in den Londoner Möbelschreinereien u. s. w. Besitzt
der Arbeiter nicht die durchschnittliche Leistungsfähigkeit, kann er daher
ein bestimmtes Minimum von Tagwerk nicht liefern, so entlässt man
ihn49).

Da Qualität und Intensivität der Arbeit hier durch die Form des
Arbeitslohns selbst kontrolirt werden, macht sie grossen Theil der Ar-
beitsaufsicht
überflüssig. Sie bildet daher sowohl die Grundlage
der früher geschilderten modernen Hausarbeit als eines hierarchisch
gegliederten Systems der Exploitation und Unterdrückung. Das letztere be-
sitzt zwei Grundformen. Der Stücklohn erleichtert einerseits das Zwischen-
schieben von Parasiten zwischen Kapitalist und Lohnarbeiter, Unterver-
pachtung der Arbeit
(subletting of labour). Der Gewinn der Zwi-
schenpersonen fliesst ausschliesslich aus der Differenz zwischen dem
Arbeitspreis, den der Kapitalist zahlt, und dem Theil dieses Preises, den
sie dem Arbeiter wirklich zukommen lassen50). Diess System heisst in
England charakteristisch das "Sweating System" (Ausschweissungs-
system). Andrerseits erlaubt der Stücklohn dem Kapitalisten mit dem
Hauptarbeiter -- in der Manufaktur mit dem Chef einer Gruppe, in den Mi-
nen mit dem Ausbrecher der Kohle u. s. w., in der Fabrik mit dem eigentlichen
Maschinenarbeiter -- einen Kontrakt für so viel per Stück zu schliessen,

49) "Le fileur recoit un certain poids de coton prepare pour lequel il doit
rendre, dans un espace de temps donne, une quantite voulue de fil ou coton file,
et il est paye a raison de tant par livre d'ouvrage rendu. Si le produit peche en
qualite, la faute retombe sur lui; s'il y a moins que la quantite fixee par le mini-
mum, dans un temps donne, on le congedie et on le remplace par un ouvrier plus
habile." (Ure l. c. t. II, p. 61.)
50) "It is when work passes through several hands, each of which is to take
its share of profits, while only the last does the work, that the pay which reaches
the workwoman is miserably disproportioned." ("Child. Empl. Comm."
II. Rep., p. LXX, n. 424.)

als solche bezahlt. In den grösseren Schneiderwerkstätten Londons heisst
daher ein gewisses Stück Arbeit, z. B. eine Weste u. s. w., Stunde, halbe
Stunde u. s. w., die Stunde zu 6 d. Aus der Praxis ist bekannt, wie viel
das Durchschnittsprodukt einer Stunde. Bei neuen Moden, Reparaturen
u. s. w. entsteht Streit zwischen Anwender und Arbeiter, ob ein bestimmtes
Arbeitsstück = einer Stunde u. s. w., bis auch hier die Erfahrung ent-
scheidet. Aehnlich in den Londoner Möbelschreinereien u. s. w. Besitzt
der Arbeiter nicht die durchschnittliche Leistungsfähigkeit, kann er daher
ein bestimmtes Minimum von Tagwerk nicht liefern, so entlässt man
ihn49).

Da Qualität und Intensivität der Arbeit hier durch die Form des
Arbeitslohns selbst kontrolirt werden, macht sie grossen Theil der Ar-
beitsaufsicht
überflüssig. Sie bildet daher sowohl die Grundlage
der früher geschilderten modernen Hausarbeit als eines hierarchisch
gegliederten Systems der Exploitation und Unterdrückung. Das letztere be-
sitzt zwei Grundformen. Der Stücklohn erleichtert einerseits das Zwischen-
schieben von Parasiten zwischen Kapitalist und Lohnarbeiter, Unterver-
pachtung der Arbeit
(subletting of labour). Der Gewinn der Zwi-
schenpersonen fliesst ausschliesslich aus der Differenz zwischen dem
Arbeitspreis, den der Kapitalist zahlt, und dem Theil dieses Preises, den
sie dem Arbeiter wirklich zukommen lassen50). Diess System heisst in
England charakteristisch das „Sweating System“ (Ausschweissungs-
system). Andrerseits erlaubt der Stücklohn dem Kapitalisten mit dem
Hauptarbeiter — in der Manufaktur mit dem Chef einer Gruppe, in den Mi-
nen mit dem Ausbrecher der Kohle u. s. w., in der Fabrik mit dem eigentlichen
Maschinenarbeiter — einen Kontrakt für so viel per Stück zu schliessen,

49) „Le fileur reçoit un certain poids de coton préparé pour lequel il doit
rendre, dans un espace de temps donné, une quantité voulue de fil ou coton file,
et il est payé à raison de tant par livre d’ouvrage rendu. Si le produit pèche en
qualité, la faute retombe sur lui; s’il y a moins que la quantité fixée par le mini-
mum, dans un temps donné, on le congédie et on le remplace par un ouvrier plus
habile.“ (Ure l. c. t. II, p. 61.)
50) „It is when work passes through several hands, each of which is to take
its share of profits, while only the last does the work, that the pay which reaches
the workwoman is miserably disproportioned.“ („Child. Empl. Comm.“
II. Rep., p. LXX, n. 424.)
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[541/0560] als solche bezahlt. In den grösseren Schneiderwerkstätten Londons heisst daher ein gewisses Stück Arbeit, z. B. eine Weste u. s. w., Stunde, halbe Stunde u. s. w., die Stunde zu 6 d. Aus der Praxis ist bekannt, wie viel das Durchschnittsprodukt einer Stunde. Bei neuen Moden, Reparaturen u. s. w. entsteht Streit zwischen Anwender und Arbeiter, ob ein bestimmtes Arbeitsstück = einer Stunde u. s. w., bis auch hier die Erfahrung ent- scheidet. Aehnlich in den Londoner Möbelschreinereien u. s. w. Besitzt der Arbeiter nicht die durchschnittliche Leistungsfähigkeit, kann er daher ein bestimmtes Minimum von Tagwerk nicht liefern, so entlässt man ihn 49). Da Qualität und Intensivität der Arbeit hier durch die Form des Arbeitslohns selbst kontrolirt werden, macht sie grossen Theil der Ar- beitsaufsicht überflüssig. Sie bildet daher sowohl die Grundlage der früher geschilderten modernen Hausarbeit als eines hierarchisch gegliederten Systems der Exploitation und Unterdrückung. Das letztere be- sitzt zwei Grundformen. Der Stücklohn erleichtert einerseits das Zwischen- schieben von Parasiten zwischen Kapitalist und Lohnarbeiter, Unterver- pachtung der Arbeit (subletting of labour). Der Gewinn der Zwi- schenpersonen fliesst ausschliesslich aus der Differenz zwischen dem Arbeitspreis, den der Kapitalist zahlt, und dem Theil dieses Preises, den sie dem Arbeiter wirklich zukommen lassen 50). Diess System heisst in England charakteristisch das „Sweating System“ (Ausschweissungs- system). Andrerseits erlaubt der Stücklohn dem Kapitalisten mit dem Hauptarbeiter — in der Manufaktur mit dem Chef einer Gruppe, in den Mi- nen mit dem Ausbrecher der Kohle u. s. w., in der Fabrik mit dem eigentlichen Maschinenarbeiter — einen Kontrakt für so viel per Stück zu schliessen, 49) „Le fileur reçoit un certain poids de coton préparé pour lequel il doit rendre, dans un espace de temps donné, une quantité voulue de fil ou coton file, et il est payé à raison de tant par livre d’ouvrage rendu. Si le produit pèche en qualité, la faute retombe sur lui; s’il y a moins que la quantité fixée par le mini- mum, dans un temps donné, on le congédie et on le remplace par un ouvrier plus habile.“ (Ure l. c. t. II, p. 61.) 50) „It is when work passes through several hands, each of which is to take its share of profits, while only the last does the work, that the pay which reaches the workwoman is miserably disproportioned.“ („Child. Empl. Comm.“ II. Rep., p. LXX, n. 424.)

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/560>, abgerufen am 15.06.2024.