aufzufordern, die ihnen durch die Maschinerie "die Musse verschafft habe über ihre unsterblichen Interessen nachzudenken"212).
Eine ganze Reihe bürgerlicher Oekonomen, wie James Mill, Mac Cul- loch, Torrens, Senior, J. St. Mill u. s. w., behauptet, dass alle Maschinerie, die Arbeiter verdrängt, stets gleichzeitig und nothwendig ein adäquates Kapital zur Beschäftigung derselben identischen Arbeiter freisetzt213).
Man unterstelle, ein Kapitalist wende 100 Arbeiter an z. B. in einer Tapetenmanufaktur, den Mann zu 30 Pfd. St. jährlich. Das von ihm jährlich ausgelegte variable Kapital beträgt also 3000 Pfd. St. Er entlasse 50 Arbeiter und beschäftige die übrigbleibenden 50 mit einer Maschinerie, die ihm 1500 Pfd. St. kostet. Der Vereinfachung halber wird von Baulichkeiten, Kohlen u. s. w. abgesehn. Man nimmt ferner an, das jährlich verzehrte Rohmaterial koste nach wie vor 3000 Pfd. St.214). Ist durch diese Metamorphose irgend ein Kapital "freigesetzt"? In der alten Betriebsweise bestand die ausgelegte Gesammtsumme von 6000 Pfd. St. halb aus constantem und halb aus variablem Kapital. Sie besteht jetzt aus 4500 Pfd. St. (3000 Pfd. St. für Rohmaterial und 1500 Pfd. St. für Maschinerie) constantem und 1500 Pfd. St. variablem Kapital. Statt der Hälfte bildet der variable oder in lebendige Arbeitskraft umge- setzte Kapitaltheil nur noch 1/4 des Gesammtkapitals. Statt der Frei- setzung findet hier Bindung von Kapital in einer Form statt, worin es aufhört sich gegen Arbeitskraft auszutauschen, d. h. Verwandlung von variablem in constantes Kapital. Das Kapital von 6000 Pfd. St. kann, unter sonst gleichbleibenden Umständen, jetzt niemals mehr als 50 Arbeiter beschäftigen. Mit jeder Verbesserung der Maschinerie beschäftigt es we- niger. Kostete die neu eingeführte Maschinerie weniger als die Summe der von ihr verdrängten Arbeitskraft und Arbeitswerkzeuge, also z. B. statt 1500 nur 1000 Pfd. St., so würde ein variables Kapital von 1000 Pfd. St. in constantes verwandelt oder gebunden, während ein Kapital von 500 Pfd. St. freigesetzt würde. Letzteres, denselben Jahreslohn unter-
212) l. c. und p. 68, 143, 5, 6.
213)Ricardo theilte ursprünglich diese Ansicht, widerrief sie aber später ausdrücklich mit seiner charakteristischen wissenschaftlichen Unbefangenheit und Wahrheitsliebe. Sieh l. c. ch. XXXI. "On Machinery".
214)Nb., ich gebe die Illustration ganz in der Weise der obengenannten Oekonomen.
aufzufordern, die ihnen durch die Maschinerie „die Musse verschafft habe über ihre unsterblichen Interessen nachzudenken“212).
Eine ganze Reihe bürgerlicher Oekonomen, wie James Mill, Mac Cul- loch, Torrens, Senior, J. St. Mill u. s. w., behauptet, dass alle Maschinerie, die Arbeiter verdrängt, stets gleichzeitig und nothwendig ein adäquates Kapital zur Beschäftigung derselben identischen Arbeiter freisetzt213).
Man unterstelle, ein Kapitalist wende 100 Arbeiter an z. B. in einer Tapetenmanufaktur, den Mann zu 30 Pfd. St. jährlich. Das von ihm jährlich ausgelegte variable Kapital beträgt also 3000 Pfd. St. Er entlasse 50 Arbeiter und beschäftige die übrigbleibenden 50 mit einer Maschinerie, die ihm 1500 Pfd. St. kostet. Der Vereinfachung halber wird von Baulichkeiten, Kohlen u. s. w. abgesehn. Man nimmt ferner an, das jährlich verzehrte Rohmaterial koste nach wie vor 3000 Pfd. St.214). Ist durch diese Metamorphose irgend ein Kapital „freigesetzt“? In der alten Betriebsweise bestand die ausgelegte Gesammtsumme von 6000 Pfd. St. halb aus constantem und halb aus variablem Kapital. Sie besteht jetzt aus 4500 Pfd. St. (3000 Pfd. St. für Rohmaterial und 1500 Pfd. St. für Maschinerie) constantem und 1500 Pfd. St. variablem Kapital. Statt der Hälfte bildet der variable oder in lebendige Arbeitskraft umge- setzte Kapitaltheil nur noch ¼ des Gesammtkapitals. Statt der Frei- setzung findet hier Bindung von Kapital in einer Form statt, worin es aufhört sich gegen Arbeitskraft auszutauschen, d. h. Verwandlung von variablem in constantes Kapital. Das Kapital von 6000 Pfd. St. kann, unter sonst gleichbleibenden Umständen, jetzt niemals mehr als 50 Arbeiter beschäftigen. Mit jeder Verbesserung der Maschinerie beschäftigt es we- niger. Kostete die neu eingeführte Maschinerie weniger als die Summe der von ihr verdrängten Arbeitskraft und Arbeitswerkzeuge, also z. B. statt 1500 nur 1000 Pfd. St., so würde ein variables Kapital von 1000 Pfd. St. in constantes verwandelt oder gebunden, während ein Kapital von 500 Pfd. St. freigesetzt würde. Letzteres, denselben Jahreslohn unter-
212) l. c. und p. 68, 143, 5, 6.
213)Ricardo theilte ursprünglich diese Ansicht, widerrief sie aber später ausdrücklich mit seiner charakteristischen wissenschaftlichen Unbefangenheit und Wahrheitsliebe. Sieh l. c. ch. XXXI. „On Machinery“.
214)Nb., ich gebe die Illustration ganz in der Weise der obengenannten Oekonomen.
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über ihre unsterblichen Interessen nachzudenken“ 212).
Eine ganze Reihe bürgerlicher Oekonomen, wie James Mill, Mac Cul-
loch, Torrens, Senior, J. St. Mill u. s. w., behauptet, dass alle Maschinerie,
die Arbeiter verdrängt, stets gleichzeitig und nothwendig ein adäquates
Kapital zur Beschäftigung derselben identischen Arbeiter freisetzt 213).
Man unterstelle, ein Kapitalist wende 100 Arbeiter an z. B. in einer
Tapetenmanufaktur, den Mann zu 30 Pfd. St. jährlich. Das von ihm
jährlich ausgelegte variable Kapital beträgt also 3000 Pfd. St. Er
entlasse 50 Arbeiter und beschäftige die übrigbleibenden 50 mit einer
Maschinerie, die ihm 1500 Pfd. St. kostet. Der Vereinfachung halber
wird von Baulichkeiten, Kohlen u. s. w. abgesehn. Man nimmt ferner an,
das jährlich verzehrte Rohmaterial koste nach wie vor 3000 Pfd. St. 214).
Ist durch diese Metamorphose irgend ein Kapital „freigesetzt“? In der
alten Betriebsweise bestand die ausgelegte Gesammtsumme von 6000 Pfd. St.
halb aus constantem und halb aus variablem Kapital. Sie besteht jetzt
aus 4500 Pfd. St. (3000 Pfd. St. für Rohmaterial und 1500 Pfd. St.
für Maschinerie) constantem und 1500 Pfd. St. variablem Kapital.
Statt der Hälfte bildet der variable oder in lebendige Arbeitskraft umge-
setzte Kapitaltheil nur noch ¼ des Gesammtkapitals. Statt der Frei-
setzung findet hier Bindung von Kapital in einer Form statt, worin es
aufhört sich gegen Arbeitskraft auszutauschen, d. h. Verwandlung von
variablem in constantes Kapital. Das Kapital von 6000 Pfd. St. kann,
unter sonst gleichbleibenden Umständen, jetzt niemals mehr als 50 Arbeiter
beschäftigen. Mit jeder Verbesserung der Maschinerie beschäftigt es we-
niger. Kostete die neu eingeführte Maschinerie weniger als die Summe
der von ihr verdrängten Arbeitskraft und Arbeitswerkzeuge, also z. B.
statt 1500 nur 1000 Pfd. St., so würde ein variables Kapital von 1000
Pfd. St. in constantes verwandelt oder gebunden, während ein Kapital von
500 Pfd. St. freigesetzt würde. Letzteres, denselben Jahreslohn unter-
212) l. c. und p. 68, 143, 5, 6.
213) Ricardo theilte ursprünglich diese Ansicht, widerrief sie aber später
ausdrücklich mit seiner charakteristischen wissenschaftlichen Unbefangenheit und
Wahrheitsliebe. Sieh l. c. ch. XXXI. „On Machinery“.
214) Nb., ich gebe die Illustration ganz in der Weise der obengenannten
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/448>, abgerufen am 22.11.2024.
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