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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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von politischer Oekonomie und Christent um. Sie begriffen u. a. nicht,
dass die Maschine das probateste Mittel zur Verlängerung des Arbeitstags
ist. Sie entschuldigten etwa die Sklaverei des Einen als Mittel zur vollen
menschlichen Entwicklung des Andern. Aber Sklaverei der Massen pre-
digen, um einige rohe oder halbgebildete Parvenüs zu "eminent spinners",
"extensive sausage makers" und "influential shoe black dealers" zu machen,
dazu fehlte ihnen das specifisch christliche Organ.

Die masslose Verlängerung des Arbeitstags, welche die Ma-
schinerie in der Hand des Kapitals producirt, führt, wie wir sahen, später eine
Reaktion der in ihrer Lebenswurzel bedrohten Gesellschaft herbei, und
damit einen gesetzlich beschränkten Normal-Arbeitstag.
Auf Grundlage des letztern entwickelt sich ein Phänomen, das uns schon
früher begegnete, zu entscheidender Wichtigkeit -- nämlich die Inten-
sifikation der Arbeit
. Bei der Analyse des absoluten Mehrwerths
handelte es sich zunächst um die extensive Grösse der Arbeit, wäh-
rend der Grad ihrer Intensivität als gegeben vorausgesetzt war. Wir ha-
ben jetzt den Umschlag dieser extensiven in eine intensive oder
Gradgrösse zu betrachten.

Es ist selbstverständlich, dass mit dem Fortschritt des Maschinen-
wesens und der gehäuften Erfahrung einer eignen Klasse von Maschinen-
arbeitern die Geschwindigkeit und damit die Intensivität der Arbeit natur-
wüchsig
zunehmen. So geht in England während eines halben Jahr-
hunderts die Verlängerung des Arbeitstags Hand in Hand mit
der wachsenden Intensivität der Fabrikarbeit. Indess begreift
man, dass bei einer Arbeit, wo es sich nicht um vorübergehende Paroxys-
men handelt, sondern um Tag aus, Tag ein wiederholte, regelmässige
Gleichförmigkeit, ein Knotenpunkt eintreten muss, wo Ausdehnung des
Arbeitstags und Intensivität der Arbeit einander ausschliessen, so dass die
Verlängerung des Arbeitstags nur mit schwächerem Intensivitätsgrad der
Arbeit und umgekehrt ein erhöhter Intensivitätsgrad nur mit Verkürzung
des Arbeitstags verträglich bleibt. Sobald die allmälig anschwellende Em-
pörung der Arbeiterklasse den Staat zwang, die Arbeitszeit gewaltsam zu
verkürzen und zunächst der eigentlichen Fabrik einen Normal-Arbeitstag zu
diktiren, von diesem Augenblick also, wo gesteigerte Produktion von Mehr-
werth durch Verlängerung des Arbeitstags ein für allemal abge-
schnitten war, warf sich das Kapital mit aller Macht und vollem Bewusst-

von politischer Oekonomie und Christent um. Sie begriffen u. a. nicht,
dass die Maschine das probateste Mittel zur Verlängerung des Arbeitstags
ist. Sie entschuldigten etwa die Sklaverei des Einen als Mittel zur vollen
menschlichen Entwicklung des Andern. Aber Sklaverei der Massen pre-
digen, um einige rohe oder halbgebildete Parvenüs zu „eminent spinners“,
„extensive sausage makers“ und „influential shoe black dealers“ zu machen,
dazu fehlte ihnen das specifisch christliche Organ.

Die masslose Verlängerung des Arbeitstags, welche die Ma-
schinerie in der Hand des Kapitals producirt, führt, wie wir sahen, später eine
Reaktion der in ihrer Lebenswurzel bedrohten Gesellschaft herbei, und
damit einen gesetzlich beschränkten Normal-Arbeitstag.
Auf Grundlage des letztern entwickelt sich ein Phänomen, das uns schon
früher begegnete, zu entscheidender Wichtigkeit — nämlich die Inten-
sifikation der Arbeit
. Bei der Analyse des absoluten Mehrwerths
handelte es sich zunächst um die extensive Grösse der Arbeit, wäh-
rend der Grad ihrer Intensivität als gegeben vorausgesetzt war. Wir ha-
ben jetzt den Umschlag dieser extensiven in eine intensive oder
Gradgrösse zu betrachten.

Es ist selbstverständlich, dass mit dem Fortschritt des Maschinen-
wesens und der gehäuften Erfahrung einer eignen Klasse von Maschinen-
arbeitern die Geschwindigkeit und damit die Intensivität der Arbeit natur-
wüchsig
zunehmen. So geht in England während eines halben Jahr-
hunderts die Verlängerung des Arbeitstags Hand in Hand mit
der wachsenden Intensivität der Fabrikarbeit. Indess begreift
man, dass bei einer Arbeit, wo es sich nicht um vorübergehende Paroxys-
men handelt, sondern um Tag aus, Tag ein wiederholte, regelmässige
Gleichförmigkeit, ein Knotenpunkt eintreten muss, wo Ausdehnung des
Arbeitstags und Intensivität der Arbeit einander ausschliessen, so dass die
Verlängerung des Arbeitstags nur mit schwächerem Intensivitätsgrad der
Arbeit und umgekehrt ein erhöhter Intensivitätsgrad nur mit Verkürzung
des Arbeitstags verträglich bleibt. Sobald die allmälig anschwellende Em-
pörung der Arbeiterklasse den Staat zwang, die Arbeitszeit gewaltsam zu
verkürzen und zunächst der eigentlichen Fabrik einen Normal-Arbeitstag zu
diktiren, von diesem Augenblick also, wo gesteigerte Produktion von Mehr-
werth durch Verlängerung des Arbeitstags ein für allemal abge-
schnitten war, warf sich das Kapital mit aller Macht und vollem Bewusst-

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[399/0418] von politischer Oekonomie und Christent um. Sie begriffen u. a. nicht, dass die Maschine das probateste Mittel zur Verlängerung des Arbeitstags ist. Sie entschuldigten etwa die Sklaverei des Einen als Mittel zur vollen menschlichen Entwicklung des Andern. Aber Sklaverei der Massen pre- digen, um einige rohe oder halbgebildete Parvenüs zu „eminent spinners“, „extensive sausage makers“ und „influential shoe black dealers“ zu machen, dazu fehlte ihnen das specifisch christliche Organ. Die masslose Verlängerung des Arbeitstags, welche die Ma- schinerie in der Hand des Kapitals producirt, führt, wie wir sahen, später eine Reaktion der in ihrer Lebenswurzel bedrohten Gesellschaft herbei, und damit einen gesetzlich beschränkten Normal-Arbeitstag. Auf Grundlage des letztern entwickelt sich ein Phänomen, das uns schon früher begegnete, zu entscheidender Wichtigkeit — nämlich die Inten- sifikation der Arbeit. Bei der Analyse des absoluten Mehrwerths handelte es sich zunächst um die extensive Grösse der Arbeit, wäh- rend der Grad ihrer Intensivität als gegeben vorausgesetzt war. Wir ha- ben jetzt den Umschlag dieser extensiven in eine intensive oder Gradgrösse zu betrachten. Es ist selbstverständlich, dass mit dem Fortschritt des Maschinen- wesens und der gehäuften Erfahrung einer eignen Klasse von Maschinen- arbeitern die Geschwindigkeit und damit die Intensivität der Arbeit natur- wüchsig zunehmen. So geht in England während eines halben Jahr- hunderts die Verlängerung des Arbeitstags Hand in Hand mit der wachsenden Intensivität der Fabrikarbeit. Indess begreift man, dass bei einer Arbeit, wo es sich nicht um vorübergehende Paroxys- men handelt, sondern um Tag aus, Tag ein wiederholte, regelmässige Gleichförmigkeit, ein Knotenpunkt eintreten muss, wo Ausdehnung des Arbeitstags und Intensivität der Arbeit einander ausschliessen, so dass die Verlängerung des Arbeitstags nur mit schwächerem Intensivitätsgrad der Arbeit und umgekehrt ein erhöhter Intensivitätsgrad nur mit Verkürzung des Arbeitstags verträglich bleibt. Sobald die allmälig anschwellende Em- pörung der Arbeiterklasse den Staat zwang, die Arbeitszeit gewaltsam zu verkürzen und zunächst der eigentlichen Fabrik einen Normal-Arbeitstag zu diktiren, von diesem Augenblick also, wo gesteigerte Produktion von Mehr- werth durch Verlängerung des Arbeitstags ein für allemal abge- schnitten war, warf sich das Kapital mit aller Macht und vollem Bewusst-

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/418>, abgerufen am 22.11.2024.