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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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ganzen nicht ackerbauenden Bevölkerung und die ausschliessliche Ver-
fügung des Monarchen und der Priesterschaft über jenen Ueberschuss boten
ihnen die Mittel zur Errichtung jener mächtigen Monumente, womit sie
das Land erfüllten ... In der Bewegung der kolossalen Statuen und der
enormen Massen, deren Transport Staunen erregt, wurde fast nur mensch-
liche Arbeit verschwenderisch angewandt. Die Zahl der Arbeiter
und die Koncentration ihrer Mühen genügte. So sehn wir
mächtige Korallenriffe aus den Tiefen des Oceaus zu Inseln anschwellen
und festes Land bilden, obgleich jeder individuelle Ablagerer (depositary)
winzig, schwach und verächtlich ist. Die nicht ackerbauenden Arbeiter
einer asiatischen Monarchie haben ausser ihren individuellen körperlichen
Bemühungen wenig zum Werk zu bringen, aber ihre Zahl ist ihre Kraft,
und die Macht der Direktion über diese Massen gab jenen Riesenwerken
den Ursprung. Es war die Koncentration der Revenüen, wovon die Ar-
beiter leben, in eine Hand oder wenige Hände, welche solche Unternehmungen
möglich machte"23). Diese Macht asiatischer und ägyptischer Könige
oder etruskischer Theokraten u. s. w. ist in der modernen Gesellschaft
auf den Kapitalisten übergegangen, ob er nun als vereinzelter Kapitalist
auftritt, oder, wie bei Aktiengesellschaften, als kombinirter Kapitalist.

Die Cooperation im Arbeitsprozess, wie wir sie in den Kulturan-
fängen der Menschheit, bei Jägervölkern23a) oder etwa in der Agrikultur
indischer Gemeinwesen vorherrschend finden, beruht einerseits auf dem
Gemeineigenthum an den Produktionsbedingungen, an-
drerseits darauf, dass das einzelne Individuum sich von der Nabelschnur
des Stammes oder des Gemeinwesens noch ebensowenig losgerissen hat,
wie das Bienenindividuum vom Bienenstock. Beides unterscheidet sie
von der kapitalistischen Cooperation. Die sporadische Anwendung der
Cooperation auf grossem Massstab in der antiken Welt, dem Mittelalter
und den modernen Kolonien, beruht auf unmittelbaren Herrschafts-
und Knechtschafts-Verhältnissen, zumeist auf der Sklaverei. Die kapita-

23) R. Jones: Textbook of Lectures etc., p. 77, 78. Die altassy-
rischen, ägyptischen u. s. w. Sammlungen in London und andern europäischen
Hauptstädten machen uns zu Augenzeugen jener cooperativen Arbeitsprozesse.
23a) Linguet in seiner "Theorie des Lois civiles" hat vielleicht
nicht Unrecht, wenn er die Jagd für die erste Form der Cooperation, und
Menschenjagd (Krieg) für eine der ersten Formen der Jagd erklärt.

ganzen nicht ackerbauenden Bevölkerung und die ausschliessliche Ver-
fügung des Monarchen und der Priesterschaft über jenen Ueberschuss boten
ihnen die Mittel zur Errichtung jener mächtigen Monumente, womit sie
das Land erfüllten … In der Bewegung der kolossalen Statuen und der
enormen Massen, deren Transport Staunen erregt, wurde fast nur mensch-
liche Arbeit verschwenderisch angewandt. Die Zahl der Arbeiter
und die Koncentration ihrer Mühen genügte. So sehn wir
mächtige Korallenriffe aus den Tiefen des Oceaus zu Inseln anschwellen
und festes Land bilden, obgleich jeder individuelle Ablagerer (depositary)
winzig, schwach und verächtlich ist. Die nicht ackerbauenden Arbeiter
einer asiatischen Monarchie haben ausser ihren individuellen körperlichen
Bemühungen wenig zum Werk zu bringen, aber ihre Zahl ist ihre Kraft,
und die Macht der Direktion über diese Massen gab jenen Riesenwerken
den Ursprung. Es war die Koncentration der Revenüen, wovon die Ar-
beiter leben, in eine Hand oder wenige Hände, welche solche Unternehmungen
möglich machte“23). Diese Macht asiatischer und ägyptischer Könige
oder etruskischer Theokraten u. s. w. ist in der modernen Gesellschaft
auf den Kapitalisten übergegangen, ob er nun als vereinzelter Kapitalist
auftritt, oder, wie bei Aktiengesellschaften, als kombinirter Kapitalist.

Die Cooperation im Arbeitsprozess, wie wir sie in den Kulturan-
fängen der Menschheit, bei Jägervölkern23a) oder etwa in der Agrikultur
indischer Gemeinwesen vorherrschend finden, beruht einerseits auf dem
Gemeineigenthum an den Produktionsbedingungen, an-
drerseits darauf, dass das einzelne Individuum sich von der Nabelschnur
des Stammes oder des Gemeinwesens noch ebensowenig losgerissen hat,
wie das Bienenindividuum vom Bienenstock. Beides unterscheidet sie
von der kapitalistischen Cooperation. Die sporadische Anwendung der
Cooperation auf grossem Massstab in der antiken Welt, dem Mittelalter
und den modernen Kolonien, beruht auf unmittelbaren Herrschafts-
und Knechtschafts-Verhältnissen, zumeist auf der Sklaverei. Die kapita-

23) R. Jones: Textbook of Lectures etc., p. 77, 78. Die altassy-
rischen, ägyptischen u. s. w. Sammlungen in London und andern europäischen
Hauptstädten machen uns zu Augenzeugen jener cooperativen Arbeitsprozesse.
23a) Linguet in seiner „Théorie des Lois civiles“ hat vielleicht
nicht Unrecht, wenn er die Jagd für die erste Form der Cooperation, und
Menschenjagd (Krieg) für eine der ersten Formen der Jagd erklärt.
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[316/0335] ganzen nicht ackerbauenden Bevölkerung und die ausschliessliche Ver- fügung des Monarchen und der Priesterschaft über jenen Ueberschuss boten ihnen die Mittel zur Errichtung jener mächtigen Monumente, womit sie das Land erfüllten … In der Bewegung der kolossalen Statuen und der enormen Massen, deren Transport Staunen erregt, wurde fast nur mensch- liche Arbeit verschwenderisch angewandt. Die Zahl der Arbeiter und die Koncentration ihrer Mühen genügte. So sehn wir mächtige Korallenriffe aus den Tiefen des Oceaus zu Inseln anschwellen und festes Land bilden, obgleich jeder individuelle Ablagerer (depositary) winzig, schwach und verächtlich ist. Die nicht ackerbauenden Arbeiter einer asiatischen Monarchie haben ausser ihren individuellen körperlichen Bemühungen wenig zum Werk zu bringen, aber ihre Zahl ist ihre Kraft, und die Macht der Direktion über diese Massen gab jenen Riesenwerken den Ursprung. Es war die Koncentration der Revenüen, wovon die Ar- beiter leben, in eine Hand oder wenige Hände, welche solche Unternehmungen möglich machte“ 23). Diese Macht asiatischer und ägyptischer Könige oder etruskischer Theokraten u. s. w. ist in der modernen Gesellschaft auf den Kapitalisten übergegangen, ob er nun als vereinzelter Kapitalist auftritt, oder, wie bei Aktiengesellschaften, als kombinirter Kapitalist. Die Cooperation im Arbeitsprozess, wie wir sie in den Kulturan- fängen der Menschheit, bei Jägervölkern 23a) oder etwa in der Agrikultur indischer Gemeinwesen vorherrschend finden, beruht einerseits auf dem Gemeineigenthum an den Produktionsbedingungen, an- drerseits darauf, dass das einzelne Individuum sich von der Nabelschnur des Stammes oder des Gemeinwesens noch ebensowenig losgerissen hat, wie das Bienenindividuum vom Bienenstock. Beides unterscheidet sie von der kapitalistischen Cooperation. Die sporadische Anwendung der Cooperation auf grossem Massstab in der antiken Welt, dem Mittelalter und den modernen Kolonien, beruht auf unmittelbaren Herrschafts- und Knechtschafts-Verhältnissen, zumeist auf der Sklaverei. Die kapita- 23) R. Jones: Textbook of Lectures etc., p. 77, 78. Die altassy- rischen, ägyptischen u. s. w. Sammlungen in London und andern europäischen Hauptstädten machen uns zu Augenzeugen jener cooperativen Arbeitsprozesse. 23a) Linguet in seiner „Théorie des Lois civiles“ hat vielleicht nicht Unrecht, wenn er die Jagd für die erste Form der Cooperation, und Menschenjagd (Krieg) für eine der ersten Formen der Jagd erklärt.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/335>, abgerufen am 25.11.2024.