Wir halten uns nicht beim Detail der Veränderungen auf, die das Verhältniss von Kapitalist und Lohnarbeiter im Verlaufe des Produktions- prozesses erfuhr, also auch nicht bei den weiteren Fortbestimmungen des Kapitals selbst. Nur wenige Hauptpunkte seien hier betont.
Innerhalb des Produktionsprozesses entwickelte sich das Kapital zum Kommando über die Arbeit, d. h. über die sich bethätigende Arbeitskraft oder den Arbeiter selbst. Das personificirte Kapital, der Kapitalist, passt auf, dass der Arbeiter sein Werk ordentlich und mit dem gehörigen Grad von Intensivität verrichte.
Das Kapital entwickelte sich ferner zu einem Zwangsverhält- niss, welches die Arbeiterklasse zwingt mehr Arbeit zu verrichten als der enge Umkreis ihrer eignen Lebensbedürfnisse vorschrieb. Und als Pro- duzent fremder Arbeitsamkeit, als Auspumper von Mehrarbeit und Exploi- teur von Arbeitskraft, übergipfelt es an Energie, Masslosigkeit und Wirk- samkeit alle früheren auf direkter Zwangsarbeit beruhenden Pro- duktionssysteme.
Das Kapital ordnet sich zunächst die Arbeit unter mit den gegebenen technologischen Bedingungen, worin es sie historisch vorfindet. Es ver- ändert daher nicht unmittelbar die Produktionsweise. Die Produktion von Mehrwerth in der bisher betrachteten Form, durch einfache Verlängerung des Arbeitstags, erschien daher von jedem Wechsel der Produktionsweise selbst unabhängig. Sie war in der altmodischen Bäckerei nicht minder wirksam als in der modernen Baumwollspinnerei. Betrachteten wir den Produk- tionsprozess daher bloss unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsprozesses, so verhielt sich der Arbeiter zu den Produktionsmitteln nicht als Kapital, sondern als blossem Mittel und Material seiner zweckmässigen produktiven Thätigkeit. In einer Gerberei z. B. behandelt er die Felle als seinen blossen Arbeitsgegenstand. Es ist nicht der Kapitalist, dem er das Fell gerbt. Anders, sobald wir den Produktionsprozess unter dem Gesichtspunkt des Verwerthungsprozesses betrachteten. Die Produktionsmittel ver- wandelten sich sofort in Mittel zur Einsaugung fremder Arbeit. Es ist nicht mehr der Arbeiter, der die Produktionsmittel anwendet, son- dern es sind die Produktionsmittel, die den Arbeiter an- wenden. Statt von ihm als stoffliche Elemente seiner produktiven Thä- tigkeit verzehrt zu werden, verzehren sie ihn als Ferment ihres eignen Lebensprozesses, und der Lebensprozess des Kapitals besteht nur in seiner
I. 19
Wir halten uns nicht beim Detail der Veränderungen auf, die das Verhältniss von Kapitalist und Lohnarbeiter im Verlaufe des Produktions- prozesses erfuhr, also auch nicht bei den weiteren Fortbestimmungen des Kapitals selbst. Nur wenige Hauptpunkte seien hier betont.
Innerhalb des Produktionsprozesses entwickelte sich das Kapital zum Kommando über die Arbeit, d. h. über die sich bethätigende Arbeitskraft oder den Arbeiter selbst. Das personificirte Kapital, der Kapitalist, passt auf, dass der Arbeiter sein Werk ordentlich und mit dem gehörigen Grad von Intensivität verrichte.
Das Kapital entwickelte sich ferner zu einem Zwangsverhält- niss, welches die Arbeiterklasse zwingt mehr Arbeit zu verrichten als der enge Umkreis ihrer eignen Lebensbedürfnisse vorschrieb. Und als Pro- duzent fremder Arbeitsamkeit, als Auspumper von Mehrarbeit und Exploi- teur von Arbeitskraft, übergipfelt es an Energie, Masslosigkeit und Wirk- samkeit alle früheren auf direkter Zwangsarbeit beruhenden Pro- duktionssysteme.
Das Kapital ordnet sich zunächst die Arbeit unter mit den gegebenen technologischen Bedingungen, worin es sie historisch vorfindet. Es ver- ändert daher nicht unmittelbar die Produktionsweise. Die Produktion von Mehrwerth in der bisher betrachteten Form, durch einfache Verlängerung des Arbeitstags, erschien daher von jedem Wechsel der Produktionsweise selbst unabhängig. Sie war in der altmodischen Bäckerei nicht minder wirksam als in der modernen Baumwollspinnerei. Betrachteten wir den Produk- tionsprozess daher bloss unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsprozesses, so verhielt sich der Arbeiter zu den Produktionsmitteln nicht als Kapital, sondern als blossem Mittel und Material seiner zweckmässigen produktiven Thätigkeit. In einer Gerberei z. B. behandelt er die Felle als seinen blossen Arbeitsgegenstand. Es ist nicht der Kapitalist, dem er das Fell gerbt. Anders, sobald wir den Produktionsprozess unter dem Gesichtspunkt des Verwerthungsprozesses betrachteten. Die Produktionsmittel ver- wandelten sich sofort in Mittel zur Einsaugung fremder Arbeit. Es ist nicht mehr der Arbeiter, der die Produktionsmittel anwendet, son- dern es sind die Produktionsmittel, die den Arbeiter an- wenden. Statt von ihm als stoffliche Elemente seiner produktiven Thä- tigkeit verzehrt zu werden, verzehren sie ihn als Ferment ihres eignen Lebensprozesses, und der Lebensprozess des Kapitals besteht nur in seiner
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Wir halten uns nicht beim Detail der Veränderungen auf, die das
Verhältniss von Kapitalist und Lohnarbeiter im Verlaufe des Produktions-
prozesses erfuhr, also auch nicht bei den weiteren Fortbestimmungen des
Kapitals selbst. Nur wenige Hauptpunkte seien hier betont.
Innerhalb des Produktionsprozesses entwickelte sich das Kapital
zum Kommando über die Arbeit, d. h. über die sich bethätigende
Arbeitskraft oder den Arbeiter selbst. Das personificirte Kapital,
der Kapitalist, passt auf, dass der Arbeiter sein Werk ordentlich und mit
dem gehörigen Grad von Intensivität verrichte.
Das Kapital entwickelte sich ferner zu einem Zwangsverhält-
niss, welches die Arbeiterklasse zwingt mehr Arbeit zu verrichten als der
enge Umkreis ihrer eignen Lebensbedürfnisse vorschrieb. Und als Pro-
duzent fremder Arbeitsamkeit, als Auspumper von Mehrarbeit und Exploi-
teur von Arbeitskraft, übergipfelt es an Energie, Masslosigkeit und Wirk-
samkeit alle früheren auf direkter Zwangsarbeit beruhenden Pro-
duktionssysteme.
Das Kapital ordnet sich zunächst die Arbeit unter mit den gegebenen
technologischen Bedingungen, worin es sie historisch vorfindet. Es ver-
ändert daher nicht unmittelbar die Produktionsweise. Die Produktion von
Mehrwerth in der bisher betrachteten Form, durch einfache Verlängerung des
Arbeitstags, erschien daher von jedem Wechsel der Produktionsweise selbst
unabhängig. Sie war in der altmodischen Bäckerei nicht minder wirksam
als in der modernen Baumwollspinnerei. Betrachteten wir den Produk-
tionsprozess daher bloss unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsprozesses,
so verhielt sich der Arbeiter zu den Produktionsmitteln nicht als Kapital,
sondern als blossem Mittel und Material seiner zweckmässigen produktiven
Thätigkeit. In einer Gerberei z. B. behandelt er die Felle als seinen blossen
Arbeitsgegenstand. Es ist nicht der Kapitalist, dem er das Fell gerbt.
Anders, sobald wir den Produktionsprozess unter dem Gesichtspunkt des
Verwerthungsprozesses betrachteten. Die Produktionsmittel ver-
wandelten sich sofort in Mittel zur Einsaugung fremder Arbeit. Es ist nicht
mehr der Arbeiter, der die Produktionsmittel anwendet, son-
dern es sind die Produktionsmittel, die den Arbeiter an-
wenden. Statt von ihm als stoffliche Elemente seiner produktiven Thä-
tigkeit verzehrt zu werden, verzehren sie ihn als Ferment ihres eignen
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/308>, abgerufen am 22.11.2024.
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