10 Stunden abzurackern, setze man ihre Fabriken still" (if the liberty of working children of any age for 10 hours a day was taken away, it would stop their works). Es sei ihnen unmöglich, eine hinreichende Anzahl von Kindern über 13 Jahren zu kaufen. Sie erpressten das gewünschte Privilegium. Der Vorwand stellte sich bei späterer Untersuchung als baare Lüge heraus171), was sie jedoch nicht verhinderte, während eines Decenniums aus dem Blut kleiner Kinder, die zur Verrichtung ihrer Arbeit auf Stühle gestellt werden mussten, täglich 10 Stunden Seide zu spinnen172). Der Akt von 1844 "beraubte" sie zwar der "Freiheit", Kinder unter 11 Jahren länger als 61/2 Stun- den, sicherte ihnen dagegen das Privilegium, Kinder zwischen 11 und 13 Jahren 10 Stunden täglich zu verarbeiten, und kassirte den für andere Fabrikkinder vorgeschriebenen Schulzwang. Diessmal der Vorwand: "Die Delikatesse des Gewebes erheische eine Fin- gerzartheit, die nur durch frühen Eintritt in die Fabrik zu sichern"173). Der delikaten Finger wegen wurden die Kinder ganz geschlachtet, wie Hornvieh in Südrussland wegen Haut und Talg. Endlich, 1850, wurde das 1844 eingeräumte Privilegium auf die Departements der Seidenzwir- nerei und Seidenhaspelei beschränkt, hier aber, zum Schadenersatz des seiner "Freiheit" beraubten Kapitals, die Arbeitszeit für Kinder von 11 bis 13 Jahren von 10 auf 101/2 Stunden erhöht. Vorwand: "Die Arbeit sei leichter in Seidenfabriken als in den andern Fabriken und in keiner Weise so nachtheilig für die Gesundheit"174). Offizielle ärztliche Untersuchung bewies hinterher, dass umgekehrt "die durchschnittliche Sterblichkeitsrate in den Seidendistrikten ausnahmsweise hoch und unter dem weiblichen Theil der Bevölkerung selbst höher ist als in den Baumwolldistrikten von Lancashire"175). Trotz des halbjährlich wieder-
171) "Reports etc. for 30th Sept. 1844", p. 13.
172) l. c.
173) "The delicate texture of the fabric in which they were employed requir- ing a lightness of touch, only to be acquired by their early introduction to these factories." (l. c. p. 20.)
174) "Reports etc. for 31st Oct. 1861", p. 26.
175) l. c. p. 27. Im Allgemeinen hat sich die dem Fabrikgesetz unterworfene Arbeiterbevölkerung physisch sehr verbessert. Alle ärztlichen Zeugnisse stimmen darin überein und eigne persönliche Anschauung zu verschiednen Perioden hat
10 Stunden abzurackern, setze man ihre Fabriken still“ (if the liberty of working children of any age for 10 hours a day was taken away, it would stop their works). Es sei ihnen unmöglich, eine hinreichende Anzahl von Kindern über 13 Jahren zu kaufen. Sie erpressten das gewünschte Privilegium. Der Vorwand stellte sich bei späterer Untersuchung als baare Lüge heraus171), was sie jedoch nicht verhinderte, während eines Decenniums aus dem Blut kleiner Kinder, die zur Verrichtung ihrer Arbeit auf Stühle gestellt werden mussten, täglich 10 Stunden Seide zu spinnen172). Der Akt von 1844 „beraubte“ sie zwar der „Freiheit“, Kinder unter 11 Jahren länger als 6½ Stun- den, sicherte ihnen dagegen das Privilegium, Kinder zwischen 11 und 13 Jahren 10 Stunden täglich zu verarbeiten, und kassirte den für andere Fabrikkinder vorgeschriebenen Schulzwang. Diessmal der Vorwand: „Die Delikatesse des Gewebes erheische eine Fin- gerzartheit, die nur durch frühen Eintritt in die Fabrik zu sichern“173). Der delikaten Finger wegen wurden die Kinder ganz geschlachtet, wie Hornvieh in Südrussland wegen Haut und Talg. Endlich, 1850, wurde das 1844 eingeräumte Privilegium auf die Departements der Seidenzwir- nerei und Seidenhaspelei beschränkt, hier aber, zum Schadenersatz des seiner „Freiheit“ beraubten Kapitals, die Arbeitszeit für Kinder von 11 bis 13 Jahren von 10 auf 10½ Stunden erhöht. Vorwand: „Die Arbeit sei leichter in Seidenfabriken als in den andern Fabriken und in keiner Weise so nachtheilig für die Gesundheit“174). Offizielle ärztliche Untersuchung bewies hinterher, dass umgekehrt „die durchschnittliche Sterblichkeitsrate in den Seidendistrikten ausnahmsweise hoch und unter dem weiblichen Theil der Bevölkerung selbst höher ist als in den Baumwolldistrikten von Lancashire“175). Trotz des halbjährlich wieder-
171) „Reports etc. for 30th Sept. 1844“, p. 13.
172) l. c.
173) „The delicate texture of the fabric in which they were employed requir- ing a lightness of touch, only to be acquired by their early introduction to these factories.“ (l. c. p. 20.)
174) „Reports etc. for 31st Oct. 1861“, p. 26.
175) l. c. p. 27. Im Allgemeinen hat sich die dem Fabrikgesetz unterworfene Arbeiterbevölkerung physisch sehr verbessert. Alle ärztlichen Zeugnisse stimmen darin überein und eigne persönliche Anschauung zu verschiednen Perioden hat
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10 Stunden abzurackern, setze man ihre Fabriken still“ (if the liberty
of working children of any age for 10 hours a day was
taken away, it would stop their works). Es sei ihnen unmöglich, eine
hinreichende Anzahl von Kindern über 13 Jahren zu kaufen. Sie
erpressten das gewünschte Privilegium. Der Vorwand stellte sich bei
späterer Untersuchung als baare Lüge heraus 171), was sie jedoch nicht
verhinderte, während eines Decenniums aus dem Blut kleiner Kinder, die
zur Verrichtung ihrer Arbeit auf Stühle gestellt werden mussten, täglich
10 Stunden Seide zu spinnen 172). Der Akt von 1844 „beraubte“ sie
zwar der „Freiheit“, Kinder unter 11 Jahren länger als 6½ Stun-
den, sicherte ihnen dagegen das Privilegium, Kinder zwischen 11
und 13 Jahren 10 Stunden täglich zu verarbeiten, und kassirte den für
andere Fabrikkinder vorgeschriebenen Schulzwang. Diessmal der
Vorwand: „Die Delikatesse des Gewebes erheische eine Fin-
gerzartheit, die nur durch frühen Eintritt in die Fabrik zu sichern“ 173).
Der delikaten Finger wegen wurden die Kinder ganz geschlachtet, wie
Hornvieh in Südrussland wegen Haut und Talg. Endlich, 1850, wurde
das 1844 eingeräumte Privilegium auf die Departements der Seidenzwir-
nerei und Seidenhaspelei beschränkt, hier aber, zum Schadenersatz des
seiner „Freiheit“ beraubten Kapitals, die Arbeitszeit für Kinder von 11
bis 13 Jahren von 10 auf 10½ Stunden erhöht. Vorwand: „Die Arbeit
sei leichter in Seidenfabriken als in den andern Fabriken und in keiner
Weise so nachtheilig für die Gesundheit“ 174). Offizielle ärztliche
Untersuchung bewies hinterher, dass umgekehrt „die durchschnittliche
Sterblichkeitsrate in den Seidendistrikten ausnahmsweise hoch und
unter dem weiblichen Theil der Bevölkerung selbst höher ist als in den
Baumwolldistrikten von Lancashire“ 175). Trotz des halbjährlich wieder-
171) „Reports etc. for 30th Sept. 1844“, p. 13.
172) l. c.
173) „The delicate texture of the fabric in which they were employed requir-
ing a lightness of touch, only to be acquired by their early introduction to these
factories.“ (l. c. p. 20.)
174) „Reports etc. for 31st Oct. 1861“, p. 26.
175) l. c. p. 27. Im Allgemeinen hat sich die dem Fabrikgesetz unterworfene
Arbeiterbevölkerung physisch sehr verbessert. Alle ärztlichen Zeugnisse stimmen
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/289>, abgerufen am 22.11.2024.
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