Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.den. Die bonapartistische Presse wagte noch nicht einmal das Recht der Indem sie die Armee, die sich ihr in Changarnier's Person zur Ver¬ den. Die bonapartiſtiſche Preſſe wagte noch nicht einmal das Recht der Indem ſie die Armee, die ſich ihr in Changarnier's Perſon zur Ver¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0071" n="59"/> den. Die bonapartiſtiſche Preſſe wagte noch nicht einmal das Recht der<lb/> Nationalverſammlung zu direkter Requiſition der Truppen in Frage zu ſtellen,<lb/> ein juriſtiſcher Skrupel, der unter den gegebenen Verhältniſſen keinen Erfolg<lb/> verſprach. Daß die Armee dem Befehle der Nationalverſammlung gehorcht<lb/> hätte, iſt wahrſcheinlich, wenn man erwägt, daß Bonaparte acht Tage in ganz<lb/> Paris ſuchen mußte, um endlich zwei Generale zu finden — Baraguay d'Hil¬<lb/> liers und St. Jean d'Angely —, die ſich bereit erklärten, die Abſetzung<lb/> Changarnier's zu kontraſigniren. Daß die Ordnungspartei in ihren eignen<lb/> Reihen und im Parlamente die zu einem ſolchen Beſchluſſe nöthige Stimmen¬<lb/> zahl gefunden hätte, iſt mehr als zweifelhaft, wenn man bedenkt, daß acht<lb/> Tage ſpäter 286 Stimmen ſich von ihr trennten, und daß die Montagne<lb/> einen ähnlichen Vorſchlag noch im Dezember 1851, in der letzten Stunde der<lb/> Entſcheidung, verwarf. Indeſſen wäre es vielleicht den Burggrafen jetzt noch<lb/> gelungen, die Maſſe ihrer Partei zu einem Heroismus hinzureißen, der darin<lb/> beſtand, ſich hinter einem Walde von Bajonnetten ſicher zu fühlen und den<lb/> Dienſt einer Armee anzunehmen, die in ihr Lager deſertirt war. Statt deſſen<lb/> begaben ſich die Herren Burggrafen am Abende des 6. Januar in's Elyſ<hi rendition="#aq">é</hi>e,<lb/> um durch ſtaatskluge Wendungen und Bedenken Bonaparte von der Abſetzung<lb/> Changarnier's abſtehn zu machen. Wen man zu überreden ſucht, den erkennt<lb/> man als den Meiſter der Situation an. Bonaparte, durch dieſen Schritt<lb/> ſicher gemacht, ernennt am 12. Januar ein neues Miniſterium, worin die<lb/> Führer des alten, Fould und Baroche, verbleiben. St. Jean d'Angely wird<lb/> Kriegsminiſter, der Moniteur bringt das Abſetzungsdekret Changarnier's, ſein<lb/> Kommando wird getheilt unter Baraguay d'Hilliers, der die erſte Militär¬<lb/> diviſion, und Perrot, der die Nationalgarde erhält. Das Bollwerk der Ge¬<lb/> ſellſchaft iſt abgedankt, und wenn kein Stein darüber vom Dache fällt, ſteigen<lb/> dagegen die Börſenkurſe.</p><lb/> <p>Indem ſie die Armee, die ſich ihr in Changarnier's Perſon zur Ver¬<lb/> fügung ſtellt, zurückſtößt und ſo unwiderruflich dem Präſidenten überant¬<lb/> wortet, erklärt die Ordnungspartei, daß die Bourgeoiſie den Beruf zum<lb/> Herrſchen verloren hat. Es exiſtirte bereits kein parlamentariſches Miniſte¬<lb/> rium mehr. Indem ſie nun noch die Handhabe der Armee und Nationalgarde<lb/> verlor, welches Gewaltmittel blieb ihr, um gleichzeitig die uſurpirte Gewalt<lb/> des Parlaments über das Volk und ſeine konſtitutionelle Gewalt gegen den<lb/> Präſidenten zu behaupten? Keins. Es blieb ihr nur noch der Appell an<lb/> gewaltloſe Prinzipien, die ſie ſelbſt ſtets nur als allgemeine Regeln ausgelegt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [59/0071]
den. Die bonapartiſtiſche Preſſe wagte noch nicht einmal das Recht der
Nationalverſammlung zu direkter Requiſition der Truppen in Frage zu ſtellen,
ein juriſtiſcher Skrupel, der unter den gegebenen Verhältniſſen keinen Erfolg
verſprach. Daß die Armee dem Befehle der Nationalverſammlung gehorcht
hätte, iſt wahrſcheinlich, wenn man erwägt, daß Bonaparte acht Tage in ganz
Paris ſuchen mußte, um endlich zwei Generale zu finden — Baraguay d'Hil¬
liers und St. Jean d'Angely —, die ſich bereit erklärten, die Abſetzung
Changarnier's zu kontraſigniren. Daß die Ordnungspartei in ihren eignen
Reihen und im Parlamente die zu einem ſolchen Beſchluſſe nöthige Stimmen¬
zahl gefunden hätte, iſt mehr als zweifelhaft, wenn man bedenkt, daß acht
Tage ſpäter 286 Stimmen ſich von ihr trennten, und daß die Montagne
einen ähnlichen Vorſchlag noch im Dezember 1851, in der letzten Stunde der
Entſcheidung, verwarf. Indeſſen wäre es vielleicht den Burggrafen jetzt noch
gelungen, die Maſſe ihrer Partei zu einem Heroismus hinzureißen, der darin
beſtand, ſich hinter einem Walde von Bajonnetten ſicher zu fühlen und den
Dienſt einer Armee anzunehmen, die in ihr Lager deſertirt war. Statt deſſen
begaben ſich die Herren Burggrafen am Abende des 6. Januar in's Elyſée,
um durch ſtaatskluge Wendungen und Bedenken Bonaparte von der Abſetzung
Changarnier's abſtehn zu machen. Wen man zu überreden ſucht, den erkennt
man als den Meiſter der Situation an. Bonaparte, durch dieſen Schritt
ſicher gemacht, ernennt am 12. Januar ein neues Miniſterium, worin die
Führer des alten, Fould und Baroche, verbleiben. St. Jean d'Angely wird
Kriegsminiſter, der Moniteur bringt das Abſetzungsdekret Changarnier's, ſein
Kommando wird getheilt unter Baraguay d'Hilliers, der die erſte Militär¬
diviſion, und Perrot, der die Nationalgarde erhält. Das Bollwerk der Ge¬
ſellſchaft iſt abgedankt, und wenn kein Stein darüber vom Dache fällt, ſteigen
dagegen die Börſenkurſe.
Indem ſie die Armee, die ſich ihr in Changarnier's Perſon zur Ver¬
fügung ſtellt, zurückſtößt und ſo unwiderruflich dem Präſidenten überant¬
wortet, erklärt die Ordnungspartei, daß die Bourgeoiſie den Beruf zum
Herrſchen verloren hat. Es exiſtirte bereits kein parlamentariſches Miniſte¬
rium mehr. Indem ſie nun noch die Handhabe der Armee und Nationalgarde
verlor, welches Gewaltmittel blieb ihr, um gleichzeitig die uſurpirte Gewalt
des Parlaments über das Volk und ſeine konſtitutionelle Gewalt gegen den
Präſidenten zu behaupten? Keins. Es blieb ihr nur noch der Appell an
gewaltloſe Prinzipien, die ſie ſelbſt ſtets nur als allgemeine Regeln ausgelegt
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