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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.

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der Parteien von ihrem wirklichen Organismus und ihren wirklichen In¬
teressen, ihre Vorstellung von ihrer Realität unterscheiden. Orleanisten und
Legitimisten fanden sich in der Republik neben einander mit gleichen An¬
sprüchen. Wenn jede Seite gegen die andre die Restauration ihres
eignen Königshauses durchsetzen wollte, so hieß das nichts Andres, als
daß die zwei großen Interessen, worin die Bourgeoisie sich
spaltet -- Grundeigenthum und Kapital -- jedes seine eigne Suprematie
und die Unterordnung des andern zu restauriren suchte. Wir sprechen von
zwei Interessen der Bourgeoisie, denn das große Grundeigenthum, trotz seiner
feudalen Koketterie und seines Racenstolzes, war durch die Entwicklung der
modernen Gesellschaft vollständig verbürgerlicht. So haben die Tories in
England sich lange eingebildet, daß sie für das Königthum, die Kirche und
die Schönheiten der altenglischen Verfassung schwärmten, bis der Tag der
Gefahr ihnen das Geständniß entriß, daß sie nur für die Grundrente
schwärmen.

Die koalisirten Royalisten spielten ihre Intrigue gegen einander in der
Presse, in Ems, in Claremont, außerhalb des Parlaments. Hinter den
Coulissen zogen sie ihre alten orleanistischen und legitimistischen Livreen
wieder an und führten ihre alten Turniere wieder auf. Aber auf der öffent¬
lichen Bühne, in ihren Haupt- und Staatsaktionen, als große parlamenta¬
rische Partei, fertigen sie ihre respektiven Königshäuser mit bloßen Reveren¬
zen ab und vertagen die Restauration der Monarchie in infinitum. Sie ver¬
richten ihr wirkliches Geschäft als Partei der Ordnung, d. h. unter
einem gesellschaftlichen, nicht unter einem politischen Titel, als
Vertreter der bürgerlichen Weltordnung, nicht als Ritter fahrender Prin¬
zessinnen, als Bourgeoisklasse gegenüber andern Klassen, nicht als Royalisten
gegenüber den Republikanern. Und als Partei der Ordnung haben sie eine
unumschränktere und härtere Herrschaft über die andern Klassen der Gesell¬
schaft ausgeübt, als je zuvor unter der Restauration oder unter der Juli¬
monarchie, wie sie überhaupt nur unter der Form der parlamentarischen
Republik möglich war, denn nur unter dieser Form konnten die zwei
großen Abtheilungen der französischen Bourgeoisie sich vereinigen, also die
Herrschaft ihrer Klasse statt des Regimes einer privilegirten Fraktion dersel¬
ben auf die Tagesordnung setzen. Wenn sie trotzdem auch als Partei der
Ordnung die Republik insultiren und ihren Widerwillen gegen sie aussprechen,
so geschah das nicht nur aus royalistischer Erinnerung. Es lehrte sie

der Parteien von ihrem wirklichen Organismus und ihren wirklichen In¬
tereſſen, ihre Vorſtellung von ihrer Realität unterſcheiden. Orleaniſten und
Legitimiſten fanden ſich in der Republik neben einander mit gleichen An¬
ſprüchen. Wenn jede Seite gegen die andre die Reſtauration ihres
eignen Königshauſes durchſetzen wollte, ſo hieß das nichts Andres, als
daß die zwei großen Intereſſen, worin die Bourgeoiſie ſich
ſpaltet — Grundeigenthum und Kapital — jedes ſeine eigne Suprematie
und die Unterordnung des andern zu reſtauriren ſuchte. Wir ſprechen von
zwei Intereſſen der Bourgeoiſie, denn das große Grundeigenthum, trotz ſeiner
feudalen Koketterie und ſeines Racenſtolzes, war durch die Entwicklung der
modernen Geſellſchaft vollſtändig verbürgerlicht. So haben die Tories in
England ſich lange eingebildet, daß ſie für das Königthum, die Kirche und
die Schönheiten der altengliſchen Verfaſſung ſchwärmten, bis der Tag der
Gefahr ihnen das Geſtändniß entriß, daß ſie nur für die Grundrente
ſchwärmen.

Die koaliſirten Royaliſten ſpielten ihre Intrigue gegen einander in der
Preſſe, in Ems, in Claremont, außerhalb des Parlaments. Hinter den
Couliſſen zogen ſie ihre alten orleaniſtiſchen und legitimiſtiſchen Livreen
wieder an und führten ihre alten Turniere wieder auf. Aber auf der öffent¬
lichen Bühne, in ihren Haupt- und Staatsaktionen, als große parlamenta¬
riſche Partei, fertigen ſie ihre reſpektiven Königshäuſer mit bloßen Reveren¬
zen ab und vertagen die Reſtauration der Monarchie in infinitum. Sie ver¬
richten ihr wirkliches Geſchäft als Partei der Ordnung, d. h. unter
einem geſellſchaftlichen, nicht unter einem politiſchen Titel, als
Vertreter der bürgerlichen Weltordnung, nicht als Ritter fahrender Prin¬
zeſſinnen, als Bourgeoisklaſſe gegenüber andern Klaſſen, nicht als Royaliſten
gegenüber den Republikanern. Und als Partei der Ordnung haben ſie eine
unumſchränktere und härtere Herrſchaft über die andern Klaſſen der Geſell¬
ſchaft ausgeübt, als je zuvor unter der Reſtauration oder unter der Juli¬
monarchie, wie ſie überhaupt nur unter der Form der parlamentariſchen
Republik möglich war, denn nur unter dieſer Form konnten die zwei
großen Abtheilungen der franzöſiſchen Bourgeoiſie ſich vereinigen, alſo die
Herrſchaft ihrer Klaſſe ſtatt des Regimes einer privilegirten Fraktion derſel¬
ben auf die Tagesordnung ſetzen. Wenn ſie trotzdem auch als Partei der
Ordnung die Republik inſultiren und ihren Widerwillen gegen ſie ausſprechen,
ſo geſchah das nicht nur aus royaliſtiſcher Erinnerung. Es lehrte ſie

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[27/0039] der Parteien von ihrem wirklichen Organismus und ihren wirklichen In¬ tereſſen, ihre Vorſtellung von ihrer Realität unterſcheiden. Orleaniſten und Legitimiſten fanden ſich in der Republik neben einander mit gleichen An¬ ſprüchen. Wenn jede Seite gegen die andre die Reſtauration ihres eignen Königshauſes durchſetzen wollte, ſo hieß das nichts Andres, als daß die zwei großen Intereſſen, worin die Bourgeoiſie ſich ſpaltet — Grundeigenthum und Kapital — jedes ſeine eigne Suprematie und die Unterordnung des andern zu reſtauriren ſuchte. Wir ſprechen von zwei Intereſſen der Bourgeoiſie, denn das große Grundeigenthum, trotz ſeiner feudalen Koketterie und ſeines Racenſtolzes, war durch die Entwicklung der modernen Geſellſchaft vollſtändig verbürgerlicht. So haben die Tories in England ſich lange eingebildet, daß ſie für das Königthum, die Kirche und die Schönheiten der altengliſchen Verfaſſung ſchwärmten, bis der Tag der Gefahr ihnen das Geſtändniß entriß, daß ſie nur für die Grundrente ſchwärmen. Die koaliſirten Royaliſten ſpielten ihre Intrigue gegen einander in der Preſſe, in Ems, in Claremont, außerhalb des Parlaments. Hinter den Couliſſen zogen ſie ihre alten orleaniſtiſchen und legitimiſtiſchen Livreen wieder an und führten ihre alten Turniere wieder auf. Aber auf der öffent¬ lichen Bühne, in ihren Haupt- und Staatsaktionen, als große parlamenta¬ riſche Partei, fertigen ſie ihre reſpektiven Königshäuſer mit bloßen Reveren¬ zen ab und vertagen die Reſtauration der Monarchie in infinitum. Sie ver¬ richten ihr wirkliches Geſchäft als Partei der Ordnung, d. h. unter einem geſellſchaftlichen, nicht unter einem politiſchen Titel, als Vertreter der bürgerlichen Weltordnung, nicht als Ritter fahrender Prin¬ zeſſinnen, als Bourgeoisklaſſe gegenüber andern Klaſſen, nicht als Royaliſten gegenüber den Republikanern. Und als Partei der Ordnung haben ſie eine unumſchränktere und härtere Herrſchaft über die andern Klaſſen der Geſell¬ ſchaft ausgeübt, als je zuvor unter der Reſtauration oder unter der Juli¬ monarchie, wie ſie überhaupt nur unter der Form der parlamentariſchen Republik möglich war, denn nur unter dieſer Form konnten die zwei großen Abtheilungen der franzöſiſchen Bourgeoiſie ſich vereinigen, alſo die Herrſchaft ihrer Klaſſe ſtatt des Regimes einer privilegirten Fraktion derſel¬ ben auf die Tagesordnung ſetzen. Wenn ſie trotzdem auch als Partei der Ordnung die Republik inſultiren und ihren Widerwillen gegen ſie ausſprechen, ſo geſchah das nicht nur aus royaliſtiſcher Erinnerung. Es lehrte ſie

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/39>, abgerufen am 29.11.2024.