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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.

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als das "Journal des Debats". Dieser Stellung unter der konstitutionellen
Monarchie entsprach ihr Charakter. Es war dies keine durch große gemein¬
same Interessen zusammengehaltene und durch eigenthümliche Produktionsbe¬
dingungen abgegrenzte Fraktion der Bourgeoisie. Es war eine Koterie
von republikanisch gesinnten Bourgeois, Schriftstellern, Advokaten, Offi¬
zieren und Beamten, deren Einfluß auf den persönlichen Antipathien des
Landes gegen Louis Philipp, auf Erinnerungen an die alte Republik, auf
dem republikanischen Glauben einer Anzahl von Schwärmern, vor Allem aber
auf dem französischen Nationalismus beruhte, dessen Haß gegen
die Wiener Verträge und gegen die Allianz mit England sie fortwährend
wach hielt. Einen großen Theil des Anhangs, den der "National" unter
Louis Philipp besaß, schuldete er diesem versteckten Imperialismus, der ihm
daher später unter der Republik als ein vernichtender Konkurrent in der Person
Louis Bonaparte's gegenüber treten konnte. Die Finanzaristokratie bekämpfte
er, wie die ganze übrige bürgerliche Opposition es that. Die Polemik gegen
das Budget, die in Frankreich genau mit der Bekämpfung der Finanzaristo¬
kratie zusammenhing, verschaffte eine zu wohlfeile Popularität und zu reich¬
haltigen Stoff zu puritanischen leading articles, um nicht ausgebeutet zu
werden. Die industrielle Bourgeoisie war ihm dankbar für seine sklavische
Vertheidigung des französischen Schutzzollsystems, das er indeß auf mehr
nationale als nationalökonomische Gründe hin aufnahm, die Gesammt¬
bourgeoisie für seine gehässigen Denunciationen des Kommunismus und
Sozialismus. Im Uebrigen war die Partei des "National" rein republi¬
kanisch
, d. h. sie verlangte eine republikanische statt einer monarchischen
Form der Bourgeois-Herrschaft und vor Allem ihren Löwenantheil an dieser
Herrschaft. Ueber die Bedingungen dieser Umwandlung war sie sich durch¬
aus nicht klar. Was ihr dagegen sonnenklar war und auf den Reform-Ban¬
ketten in der letzten Zeit Louis Philipps öffentlich erklärt wurde, war ihre
Unpopularität bei den demokratischen Kleinbürgern und insbesondere bei dem
revolutionären Proletariat. Diese reinen Republikaner, wie reine Republi¬
kaner denn sind, standen auch schon auf dem Sprunge, sich zunächst mit einer
Regentschaft der Herzogin von Orleans zu begnügen, als die Februarrevo¬
lution ausbrach und ihren bekanntesten Vertretern einen Platz in der provi¬
sorischen Regierung anwies. Sie besaßen natürlich von vornherein das Ver¬
trauen der Bourgeoisie und die Majorität der konstituirenden Nationalver¬
sammlung. Aus der Exekutiv-Commission, welche die Nationalversammlung

als das „Journal des Débats“. Dieſer Stellung unter der konſtitutionellen
Monarchie entſprach ihr Charakter. Es war dies keine durch große gemein¬
ſame Intereſſen zuſammengehaltene und durch eigenthümliche Produktionsbe¬
dingungen abgegrenzte Fraktion der Bourgeoiſie. Es war eine Koterie
von republikaniſch geſinnten Bourgeois, Schriftſtellern, Advokaten, Offi¬
zieren und Beamten, deren Einfluß auf den perſönlichen Antipathien des
Landes gegen Louis Philipp, auf Erinnerungen an die alte Republik, auf
dem republikaniſchen Glauben einer Anzahl von Schwärmern, vor Allem aber
auf dem franzöſiſchen Nationalismus beruhte, deſſen Haß gegen
die Wiener Verträge und gegen die Allianz mit England ſie fortwährend
wach hielt. Einen großen Theil des Anhangs, den der „National“ unter
Louis Philipp beſaß, ſchuldete er dieſem verſteckten Imperialismus, der ihm
daher ſpäter unter der Republik als ein vernichtender Konkurrent in der Perſon
Louis Bonaparte's gegenüber treten konnte. Die Finanzariſtokratie bekämpfte
er, wie die ganze übrige bürgerliche Oppoſition es that. Die Polemik gegen
das Budget, die in Frankreich genau mit der Bekämpfung der Finanzariſto¬
kratie zuſammenhing, verſchaffte eine zu wohlfeile Popularität und zu reich¬
haltigen Stoff zu puritaniſchen leading articles, um nicht ausgebeutet zu
werden. Die induſtrielle Bourgeoiſie war ihm dankbar für ſeine ſklaviſche
Vertheidigung des franzöſiſchen Schutzzollſyſtems, das er indeß auf mehr
nationale als nationalökonomiſche Gründe hin aufnahm, die Geſammt¬
bourgeoiſie für ſeine gehäſſigen Denunciationen des Kommunismus und
Sozialismus. Im Uebrigen war die Partei des „Nationalrein republi¬
kaniſch
, d. h. ſie verlangte eine republikaniſche ſtatt einer monarchiſchen
Form der Bourgeois–Herrſchaft und vor Allem ihren Löwenantheil an dieſer
Herrſchaft. Ueber die Bedingungen dieſer Umwandlung war ſie ſich durch¬
aus nicht klar. Was ihr dagegen ſonnenklar war und auf den Reform-Ban¬
ketten in der letzten Zeit Louis Philipps öffentlich erklärt wurde, war ihre
Unpopularität bei den demokratiſchen Kleinbürgern und insbeſondere bei dem
revolutionären Proletariat. Dieſe reinen Republikaner, wie reine Republi¬
kaner denn ſind, ſtanden auch ſchon auf dem Sprunge, ſich zunächſt mit einer
Regentſchaft der Herzogin von Orleans zu begnügen, als die Februarrevo¬
lution ausbrach und ihren bekannteſten Vertretern einen Platz in der provi¬
ſoriſchen Regierung anwies. Sie beſaßen natürlich von vornherein das Ver¬
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ſammlung. Aus der Exekutiv–Commiſſion, welche die Nationalverſammlung

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[11/0023] als das „Journal des Débats“. Dieſer Stellung unter der konſtitutionellen Monarchie entſprach ihr Charakter. Es war dies keine durch große gemein¬ ſame Intereſſen zuſammengehaltene und durch eigenthümliche Produktionsbe¬ dingungen abgegrenzte Fraktion der Bourgeoiſie. Es war eine Koterie von republikaniſch geſinnten Bourgeois, Schriftſtellern, Advokaten, Offi¬ zieren und Beamten, deren Einfluß auf den perſönlichen Antipathien des Landes gegen Louis Philipp, auf Erinnerungen an die alte Republik, auf dem republikaniſchen Glauben einer Anzahl von Schwärmern, vor Allem aber auf dem franzöſiſchen Nationalismus beruhte, deſſen Haß gegen die Wiener Verträge und gegen die Allianz mit England ſie fortwährend wach hielt. Einen großen Theil des Anhangs, den der „National“ unter Louis Philipp beſaß, ſchuldete er dieſem verſteckten Imperialismus, der ihm daher ſpäter unter der Republik als ein vernichtender Konkurrent in der Perſon Louis Bonaparte's gegenüber treten konnte. Die Finanzariſtokratie bekämpfte er, wie die ganze übrige bürgerliche Oppoſition es that. Die Polemik gegen das Budget, die in Frankreich genau mit der Bekämpfung der Finanzariſto¬ kratie zuſammenhing, verſchaffte eine zu wohlfeile Popularität und zu reich¬ haltigen Stoff zu puritaniſchen leading articles, um nicht ausgebeutet zu werden. Die induſtrielle Bourgeoiſie war ihm dankbar für ſeine ſklaviſche Vertheidigung des franzöſiſchen Schutzzollſyſtems, das er indeß auf mehr nationale als nationalökonomiſche Gründe hin aufnahm, die Geſammt¬ bourgeoiſie für ſeine gehäſſigen Denunciationen des Kommunismus und Sozialismus. Im Uebrigen war die Partei des „National“ rein republi¬ kaniſch, d. h. ſie verlangte eine republikaniſche ſtatt einer monarchiſchen Form der Bourgeois–Herrſchaft und vor Allem ihren Löwenantheil an dieſer Herrſchaft. Ueber die Bedingungen dieſer Umwandlung war ſie ſich durch¬ aus nicht klar. Was ihr dagegen ſonnenklar war und auf den Reform-Ban¬ ketten in der letzten Zeit Louis Philipps öffentlich erklärt wurde, war ihre Unpopularität bei den demokratiſchen Kleinbürgern und insbeſondere bei dem revolutionären Proletariat. Dieſe reinen Republikaner, wie reine Republi¬ kaner denn ſind, ſtanden auch ſchon auf dem Sprunge, ſich zunächſt mit einer Regentſchaft der Herzogin von Orleans zu begnügen, als die Februarrevo¬ lution ausbrach und ihren bekannteſten Vertretern einen Platz in der provi¬ ſoriſchen Regierung anwies. Sie beſaßen natürlich von vornherein das Ver¬ trauen der Bourgeoiſie und die Majorität der konſtituirenden Nationalver¬ ſammlung. Aus der Exekutiv–Commiſſion, welche die Nationalverſammlung

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/23>, abgerufen am 29.03.2024.